Weihnachten 2019
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Weihnachtszeit 2019
Gedanken und Bilder zur Weihnachtszeit 2019 und zu Neujahr
Es ist noch weit -- bis zu jener Weihnachtszeit 2019. Wer weiß, was auf diesem Weg dorthin noch alles sein wird. Nur eines ist sicher: Auch diese Weihnachtszeit wird -- allgemein betrachtet -- sicherlich kommen und mit ihr noch viele, viele andere danach. Daß dies so bleibt ist jedoch auch Aufgabe: der Einsatz für die Bewahrung dieses wertvollen Kulturgutes! Nicht überall auf der Welt können Menschen eine Weihnachtszeit erleben, diese Symbolkraft in Feiern und Andächtigkeit immer wieder erneuern. Es gibt Machtstrukturen, die dies unterbinden, häufig auch mit stärkster Repression und durch Gewalt. Die Weihnachtszeit ist uns also nicht als eine Art Selbstverständlichkeit gegeben, sie muß belebt, gegebenenfalls auch kräftig verteidigt werden. Aber noch scheint es am Firmament hell zu bleiben, noch scheint die Verankerung zu halten, sich zu behaupten. Das meine ich, wenn ich sage, auch diese Weihnachtszeit wird wieder sein -- eben in diesem allgemeinen Verständnis und lebendigen Sinn.
Individuell mag es da schon etwas (auf die große Zeitlinie bezogen) bescheidener und zurückhaltender zu betrachten sein. Eben wegen jenes "memento mori", wegen jenes "mors certa, hora incerta". Wir wissen nicht, was wirklich sein wird. Fast nichts ist sicher, fast nichts ist selbstverständlich. Umsomehr sollte man dankbar für all das bislang Erlebte und Erfahrene sein, auch für all die Wünsche, von denen meistens nur ein Teil erfüllt wird. Dieser Gedanke an die Gegenwart und Vergänglichkeit, an das Durchdringen dieser beiden Aspekte zugleich, das Erinnern an das Unvollkommene, das Sicheingedenksein als persönliche Aufgabe, ein Stück Bescheidenheit im Angesicht von Endlichkeit, eine gesunde Distanz zu den vielen irrsinnigen Widrigkeiten der Beschallungsgigantomanien, dieses Bemühen um Verweilen in Ruhe und auch in Stille, ein Nachdenken darüber, was den Menschen eigentlich ausmachen sollte, eben all die wirklichen Lichtstreifen am weihnachtlichen Horizont, machen das jährliche Sehnen nach der kommenden Weihnachtszeit wertvoll und sinnstiftend. Wertvoll jedoch nur dann, wenn man auf dem Weg dorthin immer auch den Augenblick ergreift, Schritt für Schritt und Schritt auf Weihnachten zu lebt und dieses Bewegen erlebt. Diese stetige Langsamkeit beim unaufhörlichen Voranschreiten. Und wo der Weg nicht das Ziel ist, da dürfte bereits zumindest ein Großteil des Lebens als vergeudet wirken. So mancher wird irgendwann auf seinem, so manche auf ihrem, Weg nach dem nächsten Weihnachten sich vorzeitig verabschieden müssen. Das Ganze wird aber bleiben -- sofern es gelingt, es zu schätzen, nicht weiter auszuhöhlen und nicht in die Wogen der Sinnlosigkeit geraten läßt. Der eine oder die andere wird für sich jedoch irgendwann -- unausweichlich -- erkennen müssen, daß es keine weitere Weihnachtszeit geben wird ...
Diese Gedanken schon mal heute, ein ganzes Jahr vor der nächsten Weihnachtszeit. Und dann wird jeder für sich, jede für sich: weiter sehen, -- immer auch mit einer sicherlich nur gewissen und relativen Wahrscheinlichkeit auf berechtigte Hoffnungen, auf Ausblicke.
Es macht letztlich keinen Sinn, das Unausweichliche zu leugnen, auf welche Art dies auch immer dann, vielleicht sogar relativ wirkmächtig (jeweils: for the time being), "gelingen" mag. Hier folge ich Seneca, der dies in seinen "Epistulae Morales" deutlich gemacht hat: "Omnia, ad quae gemimus, quae expavescimus, tributa vitae sunt: horum, mi Lucili, nec superaveris immunitatem nec petieris." (96,2) Und es ist doch wirklich so, daß all das, worüber wir seufzen, wovor wir erbeben, einfach nur Tribut des Lebens ist. Und davon sollte man die Freistellung weder erhoffen noch erstreben ... (Vor allem nicht: erstreben, denn diesbezügliche Anstrengung wären nichts als eine Sisyphosiade, somit ein durch eigentlich nichts zu rechtfertigender Verlust an Kraft und Zuversicht, welche an anderen -- eben an: wirklich sinnvollen und aussichtsreichen -- Stellen fehlen würden.)
Und nun ist sie da, diese erneute Weihnachtszeit. 2019. Und wieder ohne eine schöne weihnachtliche Schneedecke. Stattdessen auch heuer wieder: Konsum, Konsum, Konsum, Hektik, Hektik, Hektik, Oberflächlichkeit allenthalben, der ursprüngliche Sinn von Weihnachten ist längst entwertet. Aber es gibt da einen guten Trost: Man selbst muß da ja nicht mitmachen, sich diesen materiellen Exzessen nicht anschließen ...
... und doch und trotz alledem sind das bisweilen Orte für Besinnlichkeit und Ruhe ...
Eine fröhliche Weihnachtszeit all jenen, die es noch schaffen, sich dem Oberflächlichen, dem Trubel, der Verlogenheit zu entziehen ...
Das Schwanenpaar wohl niemals hetzt
Begleitet jenen stets übers ganze Jahr
Der weder Sinn noch Ruhe ihm verletzt
Es gibt Freude und Glück dann immerdar
Ein Sinnbild für alles Werden und Vergehen
Welch Ort fern törichter Ruhelosigkeit
Ergreife die Möglichkeiten zum Verstehen
Zur Bescheidung und Tiefgang sei du bereit
Was die Weihnachtszeit dir geben sollte
Längst ist es genommen und sehr entwertet
Wer dem Meer des Irrtums entfliehen wollte
Geht auf die Suche wo man wirklich geerdet
(fagusarua 21.12.2019)
Frage: Weihnachtet es wirklich immer sehr, wo dies so behauptet wird? ...
Oder trifft vielfach eher diese Sichtweise von Bitter Bierce zu:
Weihnachten: ein besonderer Tag der Völlerei, Trunksucht, Gefühlsduselei, Annahme von Geschenken, öffentlichem Stumpfsinn und häuslichem Protzen gewidmet.
Ambrose Gwinnett Bierce
Noch einmal ein Weihnachtsfest,
Immer kleiner wird der Rest,
Aber nehm' ich so die Summe,
Alles Grade, alles Krumme,
Alles Falsche, alles Rechte,
Alles Gute, alles Schlechte
Rechnet sich aus allem Braus
Doch ein richtig Leben raus.
Und dies können ist das Beste
Wohl bei diesem Weihnachtsfeste.
(Theodor Fontane)
Man muß sorgfältig wählen, in welche Abhängigkeiten man sich begibt,
sofern eine Wahl besteht -- und sie besteht häufiger als man denkt.
Man wird bedächtig sehen, wie man sich bettet, denn so liegt man letztlich dann auch:
und es gibt da sowohl sehr unterschiedliche als auch viele Möglichkeiten.
Es ist beständige Aufgabe, die Spreu vom Weizen zu trennen, wobei dies umfassend ist:
vor allem all das, was öffentlich so kreucht und fleucht bedarf der Wachsamkeit.
Und gewiß ist es ein inneres Anliegen, im Umgang mit anderen deren und die eigenen
Grenzen der Möglichkeiten und Gemeinsamkeiten immer rechtzeitig zu erkennen.
(fagusarua)
Sicherlich keine leichte Aufgabe, häufig mit Schmerzen und Seelenqual verbunden, besonders in Zeiten, die ohnehin emotional sehr aufgeladen sind wie traditionell zum Beispiel die Weihnachtszeit, weil mit ihr sehr häufig ganz andere Erinnerungen verbunden sind als es die Gegenwart (der "Fortschritt") zu erfüllen vermag. Aber auch andere "Schlüsseltage" entfalten dann immer ihre Kräfte. Es gibt freilich nur eine einzige nicht zerstörerische Lösung: da muß man durch, damit muß man ich auseinandersetzen. Alles andere wäre kontraproduktiv.
"Nimm dir jeden Tag die Zeit, still zu sitzen und auf die Dinge zu lauschen.
Achte auf die Melodie des Lebens, welche in dir schwingt."
(Siddhartha Gautama / Buddha)
Gedanken zu Weihnachten 2019
Nun kommen sie alle Jahre wieder: vielleicht besonders pervers dieses »Süßer die Gutscheine nicht klingen«. Sie preisen wieder ihre Waren an, mit denen man angeblich Herzenswärme und Innerlichkeit ausdrückt. Der Einfallsreichtum an blödsinnigen Marketingstrategien scheint unendlich. Dieses affige Gegrinse aus vorgeblich zufriedensten Mattscheiben- und Poster- Gesichtern, suggerierend man müsse nur dergleichen tun und schon wären Herz, Seele gesund, wäre Gemeinsamkeit erfüllt. Von Apotheken bis hin zum Toilettenpapieranpreiser: alle scheinen zu wissen, was Menschen zu Weihnachten wirklich glücklich macht. Und wir machen da auch noch mit. Beteiligen uns an der Total-Amerikanisierung der Lebensverhältnisse.
Jedenfalls habe ich aus meiner Kindheit und Jungendzeit andere Verbindungen zu Weihnachten als jene, wie sie heutzutage gang und gäbe zu sein scheinen. Gewiß, es gibt noch Ausnahmen. Wenige. Jene, die Weihnachten mit Ruhe, mit Stille, mit Herzenswärme, vor allem nicht: mit Oberflächlichkeit, verbinden und es dementsprechend zu (er-)leben versuchen. Weihnachten als besondere Gelegenheit zum Nach- und Überdenken, auch zum Hinterfragen und Überprüfen eigener Lebensmöglichkeit. Jedenfalls sollte Weihnachten vor allem auch eines sein: ein Blick auf Einfachheit, die Suche nach dem Tieferen.
War es früher denn besser? Ich meine: Ja. Und das nicht nur gefühlt. Es gab nicht diesen überbordenden Rummel: die Badehose kaum ausgezogen und schon füllen sich die Geschäfte mit »Geschenkideen« für Weihnachten, werden angebliche Notwendigkeiten und Unverzichtbarkeiten suggeriert, dies dann untermalt, all den Trubel begleitend, mit angeblicher oder tatsächlicher weihnachtlichen Musik als einer Art Pseudo-Himmlischkeit, eben die Idee von Weihnachten: gänzlich mißbrauchend. Und auch der »Weihnachtsmagen« wird durch dieses immer weiter vorgezogenen Anbieten von entsprechenden Süßigkeiten zu einer allzu frühen Lust, zu einem unzeitigen Bedürfnis, angeregt, auf diese Art eine eigentliche Besonderheit zum Alltäglichen degradierend. Das gipfelt dann schließlich alljährlich in dieser Betriebsamkeit all der vielen Weihnachtsmärkte mit ihrem Gedränge, Geschubse, Fress- und Sauforgien, in mehr oder weniger subtile Formen von Ausbeutung der Seelen und Geldbörsen; und dann wird noch bis zur letzten Sekunde vor der Stunde dessen, was als eigentliches Fest gedacht war, das unbehagliche Gefühl befördert, immer noch nicht genug getan, »gefeiert«, gefressen und gekauft zu haben ...
Der 24. Dezember dann als Tag der Ermattung, der Unruhe, der Maskenhaftigkeit, der Entfernung (wo doch das Näherkommen, wo Ehrlichkeit, eigentliches Gebot der Stunden wären!), somit dann doch nur ein Tag der Entwertung allen Seins ...
Ja, es stimmt, man muß da nicht mitmachen. Aber es ist nicht ganz so einfach, sich alledem zu entziehen. Man nimmt ja diese Geschäftigkeit, diese Betriebsamkeit, diese Aufdringlichkeit, ja, auch die heuchlerischen Botschaften all der vielen Gutmenschen, ob man will oder nicht, wahr. Sie begleiten einen in dieser künstlich ausgedehnten Zeitspanne unaufhörlich. Nochmals: man muß trotzdem nicht mitmachen, kann sich Oasen suchen (und auch finden), wo es diesen Druck, diese Scheinheiligkeit, diese »(Selbst-)Täuschungen« nicht gibt oder wo sie zumindest weniger stark zu empfinden ist, somit vielleicht wenigstens etwas erträglicher.
Mögen meine Gedanken vielleicht zu sehr an Erinnerungen einer schöneren Gestaltung (damit vor allem auch: einer zeitlich viel kürzeren!) von Weihnachten anknüpfen, es war wirklich einmal besser, einmal anders. Oder auch: viel, viel besser! Vielleicht aber auch nur: nicht ganz so schlimm?
So findet man natürlich immer wieder Aussagen, die bereits zu früheren Zeiten den weihnachtlichen Konsumfetischismus stark anprangerten, wie beispielsweise Hermann Hesses »Kurze Prosa zu Weihnachten« aus dem Jahre 1907 und seinem Aufsatz über Weihnachten aus dem Jahre 1927 sich zu Gemüte führt. So schrieb Hesse bereits 1927:
»Weihnachten ist ein Inbegriff, ein Giftmagazin aller bürgerlichen Sentimentalitäten und Verlogenheiten, Anlaß wilder Orgien für Industrie und Handel, großer Glanzartikel der Warenhäuser, riecht nach lackiertem Blech, nach Tannennadeln und Grammophon, nach übermüdeten, heimlich fluchenden Austrägern und Postboten, nach verlegener Feierlichkeit in Bürgerzimmern unterm aufgeputzten Baum, nach Zeitungsbeilagen und Annoncenbetrieb, kurz -- nach tausend Dingen, die mir bitter verhaßt und zuwider sind und die mir alle viel gleichgültiger und lächerlicher vorkämen, wenn sie nicht den Namen des Heilandes und die Erinnerung unserer zartesten Jahre so furchtbar mißbrauchten.« (Hermann Hesse, Mein Glaube, Teil III: Der Glaube, den ich meine, Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, 1. Auflage, S. 95).
Und in Hermann Hesses »Kurze Prosa zu Weihnachten« aus dem Jahre 1907 kann man u.a. lesen, wie er die eigene Verantwortlichkeit im Kontext mit sogenannten gesellschaftlichen Zwängen sieht, wobei er nicht nur Weihnachten als Schlüsseltage anspricht:
»Im Leben des Durchschnittsmenschen unserer Zeit ist das Begehen der paar allgemein gefeierten hohen Festtage eigentlich das einzige Zugeständnis ans Ideale. Er begeht die Neujahrsfeier mit einem Kopfschütteln oder sentimentalen Seufzer über die Vergänglichkeit des Lebens, die schnelle Flucht der Zeit, er feiert Ostern und Pfingsten als Feste des Frühlings- und Neuwerdens, Allerseelen mit einem Gräberbesuch. Und Weihnacht feiert er, indem er sich einen oder ein paar Ruhetage gönnt, der Frau ein neues Kleid und den Kindern ein paar Spielsachen schenkt. Mancher hat auch eine vorübergehende, resignierte Freude am Jubel der Kleinen; er betrachtet den glänzenden Christbaum mit halb wehmütiger Erinnerung an die eigene Kinderzeit und denkt beim Anblick seiner beschenkten und fröhlichen Kinder: Ja, freut euch nur und genießt es, bald genug wird das Leben euch die Freude und Unschuld nehmen. Er fragt nicht: Ja, warum denn eigentlich? Warum scheint es mir selbstverständlich, daß 'das Leben' eine böse Macht ist, die aus dem Kinderlande in Schuld, Enttäuschung und ungeliebte Arbeit führt? Warum soll Freude und Unschuld diesem 'Leben' notwendig zum Opfer fallen? An dem Tage aber, wo er wirklich so fragt, hat er aufgehört, ein Durchschnittsmensch zu sein und hat den ersten Schritt zu einem neuen Leben getan. Und wenn er diesen Weg weiter geht, so wird ihm künftig jeder Tag seines Lebens wertvoller, inhaltreicher und bedeutender sein, als es ihm früher alle Festtage mit ihrem vergänglichen Schimmer und ihrem halbwahren bißchen Nachdenklichkeit gewesen sind. Er wird einsehen, daß es nicht 'das Leben' war, das ihm Unschuld, Freude und Ideale genommen hat, und daß es unrecht und lächerlich war, das Leben dafür anzuklagen. Denn er war es selber, der sich betrog. Denn es gibt keine »Notwendigkeit« und keinen 'Zug der Zeit', der den einzelnen nötigen könnte, materielle Güter den geistigen, vergängliche den unvergänglichen vorzuziehen. Wer diese entscheidende Wahl getan hat, darf niemand als sich selbst dafür verantwortlich machen. (...) 'Ach was', entgegnet ihr, 'unsere Zeit ist nun eben nicht ideal und wir können sie und uns nicht anders machen.' Ja, das ist eben die alte Phrase, die einer dem anderen nachschwatzt und die jeder meint, glauben zu müssen. Unsere Zeit sei nicht ideal! Warum nicht? Weil der Gelderwerb auffallender, rücksichtsloser und geschmackloser betrieben wird als früher? (...) Kennt ihr nicht Weihnachten, das Fest der Liebe? das Fest der Freude? Anerkennt ihr die Liebe und die Freude also nicht als hohe Mächte, denen ihr besondere, heilige, vom Staat geschützte Festtage feiert? Aber wie sieht es denn bei uns mit der Liebe und mit der Freude aus? (...) Ihr mögt es mit Jesus halten oder mit Plato, mit Schiller oder mit Spinoza, überall ist das die letzte Weisheit, dass weder Macht noch Besitz noch Erkenntnis selig macht, sondern allein die Liebe. Jedes Selbstlossein, jeder Verzicht aus Liebe, jedes tätige Mitleid, jede Selbstentäusserung scheint ein Weggeben, ein Sichberauben, und ist doch ein Reicherwerden und Grösserwerden, und ist doch der einzige Weg, der vorwärts und aufwärts führt. «
Wenn man all dies und nicht nur das so liest und hört, drängt sich die Frage auf, ob es überhaupt noch Sinn macht, Gedanken über Schlüsseltage laut zu äußern, gar so eine Art von Verkündigung oder noch schlimmer dann »Belehrung« zu betreiben. Es scheint doch immer wieder das gleiche Lied zu sein: Diejenigen, die es mit Bescheidenheit und Innerlichkeit, mit den »wahren« innerlichen Werten ohnehin wissen, trachten danach, dies auch in ihrem Leben umzusetzen und es zu leben. Sie bedürfen nicht des Rates, nicht der Hinweise, auch nicht der Erinnerung. All die anderen: sie werden es ohnehin nicht begreifen, wohl auch nicht begreifen wollen oder es überhaupt nicht können! So gesehen sind auch meine alljährlichen Gedanken über Weihnachten letztlich nichts anderes als weitestgehend irrelevant, eine Form von Verzichtbarem, die allenfalls vielleicht wenigstes den wenigen Kontemplativen ein Art von Gefühl vermitteln, in ihrem Bestreben, in ihren Bemühungen, ja: auch in ihrer Drang, zu vielen Erscheinungsformen schlicht NEIN sagen zu müssen, nicht so ganz alleine auf weiter Flur zu sein. Also (fast) überflüssig? Mag sein. Jedenfalls überflüssig nicht für mich selbst. So wie ich mir jedes Jahr derartige Gedanken gemacht habe und mache. Aber nicht nur auf »Weihnachten« begrenzt, sondern über das ganze Jahr verteilt. Vielleicht gibt es ja auch so etwas wie eine gelebte »Solidarität in Stille«, das heißt, nicht mehr all das, was man so fühlt und denkt auf die eine oder andere Art verkünden zu müssen. Vielleicht gibt es immer wieder diese spür- und lebbare Form eines bescheidenen, dafür aber: wirklicherem Miteinander. Ein Verstehen einiger anderen durch reine Gedanken. Durch Ehrlichkeit. Durch Aufrichtigkeit. Durch Vermeiden all jener übergroßen Wörter, die ohnehin einerseits allenfalls nur von geringem Wert sind und andererseits in übertünchender Theatralik im gesellschaftlichen Nichts verschwinden oder aber dann gewiß noch gefährlicher in der Nichtigkeit der Daseinsgestaltung ihr Unwesen treiben. Daß man von all dem Übel sich fernhalten kann und möge das sind meine Gedanken und Wünsche auch dieses Jahr zu Weihnachten. Und hier möge sich der Kreis schließen und neuem Tun Platz schaffen wahrscheinlich werde ich mir die Worte für ein zukünftiges Weihnachten fürderhin sparen, sie ganz eng und verborgen für mich behalten. Diese Worte wären sicherlich doch auch wieder schön oder es auch nicht (je nach der individuellen Positionierung), wären wie immer aber auch gefährdet, mißverstanden zu werden (je nach individueller Seelenlandschaft und Geistesbeschaffenheit), vor allem aber wären sie eines unvermeidbar: nur Wiederholungen (weil leider dergestalt notwendig). So seien sie zukünftig denn wie in dem schönen Gedicht von T.S. Elliott geschildert dieses: »hidden under the dove's wing«, gleichwohl stets gegenwärtig. Eine frohe Weihnachtszeit 2019 wünsche ich all den Verständigen, ob gottgläubig, agnostisch oder atheistisch; Weihnachten ist trotz allem: für alle geschaffen, da, sinnvoll wenn man es denn entsprechend zu schätzen und zu gestalten weiß. Der Blick zurück kann bisweilen die Erinnerung trüben, das weiß man ja. Daß wir jedoch einen Weg des Immer-Schneller, des Immer-Oberflächlicher, des Hektik-Götzentums beschreiten, ist unübersehbar (so man denn überhaupt sehen möchte ...). Die Bereitschaft, sich von äußeren Mächten sich entmündigen zu lassen, die Bereitschaft sinnloser und bereitwilliger Unterordnung, nimmt stetig zu. Gerade die Natur, die Umwelt kann darüber ein besonders trauriges Lied singen ... Ich meine, diese zunehmende Bereitschaft zum Negativen war früher allein mangels Möglichkeiten im Gegensatz zu der Wirkmächtigkeit einer heutzutage so vielfältig organisierten und strukturierten »Zerstreuungsmachinerie«! zumindest nicht ganz so ausgeprägt. Das trifft sicherlich ganz besonders auch auf die Gestaltungsweisen von »Weihnachten« zu.
Also, so schlimm wie heute ist es mit der (weihnachtlichen) Oberflächlichkeit früher doch wohl nicht gewesen! Auch das Erleben war ein anderes, ohne die Vergangenheit hier verklären zu wollen oder es gar zu können. Bing Crosbys Traum einer weißen Weihnacht (in seinem Lied »White Christmas«), die Botschaft eines »Leise rieselt der Schnee«, die Andeutungen in »O Tannenbaum«, der kalte, harte Winter in »Kling, Glöckchen, klingelingeling« fanden damals fast immer ihre Entsprechung in der Wirklichkeit. Und heute sind nicht einmal mehr diese »weiße Weihnachen« bei uns die Regel. Auch dieses Jahr 2019 nicht. (»Weiße Weihnachten« waren genau genommen eigentlich schon immer nur eine geographische Besonderheit!) Aber das muß man hinnehmen, das mit der fehlenden »Weißen Weihnacht«, ganz im Gegensatz zu dem Konsumrausch und dem unsinnigen Trubel! Gegen den kann man persönlich sehr wohl angehen, man muß es nur wirklich wollen und die entsprechenden Schwerpunkte setzen!
Weihnachten läßt sich sicherlich auch schneefrei genießen und sinnvoll gestalten. Wenn man nur will, wenn man sich nur darum bemüht. Es gilt eben hier dann statt jener Musik, die immer wieder gerne ein »weißes Weihnachten« beschwört, die simple, die banale, freilich, sicherlich nicht immer hoffnungsfroh stimmende, zweifelsohne jedoch sehr zutreffende Botschaft der Rolling Stones aus ihrem »You can't always get what you want«; und das, was vordergründig dann so traurig, so hoffnungsarm klingen mag, endet jedoch in einer anderen Form von »Frohbotschaft«: »But if you try sometimes, well, you might find you get what you need.« Ja, ich denke so ist es mit allem, nicht nur mit »Weihnachten«. Man muß nur hoffen und suchen und entsprechende Wege gehen, um wenigstens die notwendige Voraussetzung für gewünschte Nähe und Wirklichkeit sowie für wahren Inhalt zu schaffen. Vielleicht wird es dann auch: hinreichend ...
Weihnachten
Ich sehn' mich so nach einem Land
der Ruhe und Geborgenheit
Ich glaub', ich hab's einmal gekannt,
als ich den Sternenhimmel weit
und klar vor meinen Augen sah,
unendlich großes Weltenall.
Und etwas dann mit mir geschah:
Ich ahnte, spürte auf einmal,
daß alles: Sterne, Berg und Tal,
ob ferne Länder, fremdes Volk,
sei es der Mond, sei's Sonnnenstrahl,
daß Regen, Schnee und jede Wolk,
daß all das in mir drin ich find,
verkleinert, einmalig und schön
Ich muß gar nicht zu jedem hin,
ich spür das Schwingen, spür die Tön'
ein's jeden Dinges, nah und fern,
wenn ich mich öffne und werd' still
in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,
der all dies schuf und halten will.
Ich glaube, daß war der Moment,
den sicher jeder von euch kennt,
in dem der Mensch zur Lieb' bereit:
Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!
(Hermann Hesse)
Leises Wehen
Bildhaftigkeit der Ruhe
Abwesenheit der Wörter
Dunstschleier aus Gedanken
Fragen längst eingestellt
Antworten als Nebeldunst
Wege als Metapher
Verschweigen
Träumen
Fliehen
Stille
Mondlichtglanz
Tänze in der Nacht
Sonnenumarmungen
Gestern versus Morgen
Wo dann Gegenwart
Was denn wirklich
Hände greifend
Haut spürend
Suchend
Gleitend
(Thomas Fagusarua 01.01.2020)
Nie aus der Wahrheit ist so
viel Gutes erwachsen, als aus
der Wahrheit Schein Böses
erwächst in der Welt.
(Gerhard Anton von Halem)
Alles still
Alles still! Es tanzt den Reigen
Mondenstrahl in Wald und Flur,
Und darüber thront das Schweigen
Und der Winterhimmel nur.
Alles still! Vergeblich lauschet
Man der Krähe heisrem Schrei.
Keiner Fichte Wipfel rauschet,
Und kein Bächlein summt vorbei.
Alles still! Die Dorfeshütten
Sind wie Gräber anzusehn,
Die, von Schnee bedeckt, inmitten
Eines weiten Friedhofs stehn.
Alles still! Nichts hör ich klopfen
Als mein Herze durch die Nacht -
Heiße Tränen niedertropfen
Auf die kalte Winterpracht.
Theodor Fontane
Weihnachten
Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit.
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
schöne Blumen der Vergangenheit.
Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,
und das alte Lied von Gott und Christ
bebt durch Seelen und verkündet leise,
dass die kleinste Welt die größte ist.
Joachim Ringelnatz
Im Nebel
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, Im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Hermann Hesse, November 1905
Es gibt zu viele Ebenezer Scrooges (vgl. Charles Dickens, A Christmas Carol, und dort: Mister Ebenezer Scrooge ...) auf dieser Welt. Im Gegensatz zu Mr. Scrooge im Weihnachtsstück von Dickens bewegen sich die meisten von ihnen allerdings leider nicht in Richtung Läuterung. So nehmen wir uns besser in Acht vor all den Unverbesserlichen, Unbelehrbaren, begleiten jedoch die, bei denen noch irgendeine Hoffnung auf Besserung, auf Einsicht, auf Rückbesinnung besteht: den einen wirksam die Grenzen zeigen, mit den anderen zu reden versuchen ...
... es gibt sie: die Abwägung zwischen Reden und Schweigen, beides bisweilen jeweils ein sinnvolles Muß ...
... und natürlich gebührt dem Jahreswechsel eine gewisse Aufmerksamkeit an dieser Stelle:
Für viele ist Silvester der Augenblick der guten Vorsätze. Man plant, träumt, hofft. Glaubt im mehr oder weniger feuchtfröhlichen Moment selbst auch an gewünschte oder notwendige Veränderung. Kurz: auf ein besseres neues Jahr. Doch was bleibt dann meistens davon nur übrig? Das Warten auf ein neues Silvester, auf neue Vorsätze, auf Verbesserungen, eigentlich nur: auf irgendwas ...
In einem meiner Geburtstags-Lieder habe ich mir darüber Gedanken gemacht, inwieweit es Sinn macht, an »Schlüsseltagen« (so nenne ich einmal jene paar kalendermäßig verankerten Tage, die als »besonders« zu gelten haben oder auch tatsächlich für den einen oder die andere wirklich etwas Besonderes dann auch sind) so eine Art Bilanz zu ziehen und daraus dann die eigentlich notwendigen Schlüsse (für sich vor allem) zu ziehen. Und der Inhalt dieses »Geburtstags-Song« (2019) könnte durchaus fast uneingeschränkt auch auf Silvester zutreffen, nicht wahr? Somit also hier nun einen kurzen Blick darauf:
Schon wieder ist ein Jahr vergangen
Wie hat man es diesmal abgehangen
Weitgehend frei oder eher gefesselt
Von fremden Kräften eingekesselt
Oder geschickt auf eigenen Wegen
Empfunden gar ein vielfältig Segen
Was ist geschehen mit all den Lüsten
Womit tat man sich denn entrüsten
Ist man gefahren in den alten Bahnen
Konnte man Neues wenigstens erahnen
Oder ließ man sich oft gar verwüsten
War man mit jenen die stets verbüßten
Hat man beseitigt so manchen Riegel
Oder mutierte man zu einem Eulenspiegel
Was immer im Jahr auch ward geschehen
Allzu eng wird es zumeist dann nicht gesehen
Wie leicht und gerne man sich oft arrangiert
So manchen Unsinn damit stets ausprobiert
Wieviel Spiele hat man denn da so genossen
Sich meist beteiligt so gänzlich unverdrossen
Wie häufig ist man dem stetig Druck erlegen
Wähnte sich dabei jedoch vielmehr verwegen
Ach welch wirkend Zerren, Reißen, Beißen
Ein anödend Verfahren in den alten Geleisen
Ein Jahr nun mehr die Zeit sich zu besinnen
So manchen Zwängen dann fortan entrinnen
Wie wichtig doch der klare Blick in deinen Spiegel
Darauf gebe ich dir deutlich Brief und Siegel
Ja: Ein Jahr nun mehr die Zeit sich zu besinnen
So manchen Zwängen dann fortan entrinnen
Wie wichtig doch der klare Blick in deinen Spiegel
Darauf gebe ich dir deutlich Brief und Siegel
Ein Jahr nun mehr die Zeit sich zu besinnen
So manchen Zwängen dann fortan entrinnen
Wie wichtig doch der klare Blick in deinen Spiegel
Darauf gebe ich dir deutlich Brief und Siegel
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Ja: Ein Jahr nun mehr die Zeit sich zu besinnen
So manchen Zwängen dann fortan entrinnen
Wie wichtig doch der klare Blick in deinen Spiegel
Darauf gebe ich dir deutlich Brief und Siegel
Lebendig die Suche nach etwas mehr an Licht
Damit die Hoffnung nicht so ganz zerbricht
Nun endlich ändern was einem gar nicht behagt
Kraft zu richten wogegen man bisher verzagt
Geburtstag ja man hat es doch eh stets gewußt
Nur eine Folge aus anderer Leute tiefer Lust
Schlicht ist man daraus dann selbst geboren
Nur mehr oder wenig fürs Dasein auserkoren
Doch ist man halt einmal schon dazu gerichtet
Bleibt das Ziel daß man auch für sich gewichtet
Was ganz wertvoll und was voll von Nichtigkeit
Dies ernsthaft zu prüfen sei fürderhin stets bereit
Geburtstag mag in diesem Sinne ein Ansporn sein
Ob man ihn begeht in Kreisen oder auch ganz allein
Ein Tag wie jeder andere kann besonders wirken
Deshalb nicht noch einmal zu viel Zeit verwirken
Es heißt ungeliebter Einförmigkeit nun auszuweichen
Den Herzenswünschen hilfreich die Hand zu reichen
Und also aus tiefstem Herzen und mit großem Elan
Stoßt auf willkommen notwendige Veränderungen an
Dann läßt sich so der Blick in eigenen Spiegel ertragen
Und es gibt weniger Gründe sich immer stets zu beklagen
Happy birthday happy birthday nun in diesem Sinne
Auf daß mehr eigener Sinn endlich an Zukunft gewinne
Happy birthday O ja: Happy birthday Happy birthday
Happy birthday O ja: Happy birthday Happy birthday
(Fagusarua, September / Oktober / November 20199
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Nun, ja, wer sich der Wirklichkeit stellt, vor allem auch der eigenen und jener des näheren Umfeldes, wird verstehen, was ich damit meine: aus den meisten Vorsätzen wird: meistens nichts. Aus der Mehrzahl der »Erfahrungen« aus der Vergangenheit wird: vielleicht doch ein wenig, zumindest die Gedanken zunehmender Vorsicht, das (Be-)Streben sich selbst und seine Umwelt nicht allzu sehr zu überfordern. Eben, sich dem Möglichen mehr zu widmen als dem Unmöglichen. Das mag für alle Felder gelten: für beruflichen Ambitionen (Frage: Wie abhängig möchte man sich eigentlich denn machen?), für Unternehmungen (Frage: Ist weniger nicht wirklich besser als mehr, als immer weiter, immer schneller, u.s.w.?), für das nahe Umfeld, für die Spannung zwischen Ehrlichkeit und Zurückhaltung(en), für das Ausleben einerseits und dem Verweilen andererseits. Für: und, und, und ...
Aber vor allem zwei Aspekte sollten zusammen beachtet und umgesetzt werden: »multum non multa« und »carpe diem«.
Daß dies eventuell leistbar ist, wußten die Altvorderen schon längst, unter vielen anderen hat es ein Dichter für alle Zeiten zumindest denjenigen mitgegeben, die es hören, wissen, sich damit auseinandersetzen und für sich leben woll(t) en: »Ich saz ûf eime steine« (Walter von der Vogelweide) ... Da saß er nun, der Dichter und Sänger, auf einem Steine, machte es sich dort so bequem wie nur möglich und (be-)fragte sich nach dem Sinn des Daseins (»So grübelte ich lange: / Wozu auf Erden dient dies Leben? ... / Und konnte mir nicht Antwort geben, / Wie man drei Ding erwürbe, /Daß keins davon verdürbe.«)
Für Walter von der Vogelweide waren die drei Dinge die er »gern in einem Schrein« hätte »Ehr und irdisch Gut, das oft einander Abbruch tut« sowie »Gottes Segen, der allem überlegen (...)«. Und der Dichter kommt zu dem Ergebnis, daß er diese drei Dinge niemals ein dem von ihm so gewünschten Schrein sein würden: »Doch leider kann dies niemals sein, / Daß weltlich Gut und Ehre / Mit Gottes Gnade kehre / In ganz dasselbe Menschenherz. / Sie finden Hemmnis allerwärts; / Untreu hält Hof und Leute, / Gewalt geht aus auf Beute, / Gerechtigkeit und Fried ist wund, / Die drei genießen kein Geleit, /Eh diese zwei nicht sind gesund.«
Nun, man wird hier so vieles wiedererkennen, über das sich nachzudenken lohnt: vor allem über Hemmnisse, über die man immer wieder bei der Verfolgung von seinen Zielen und bei dem Versuch, Wünsche erfüllt zu sehen, stolpert.
Die Ansicht über und Deutung von Ehre na ja, sie dürfte auch dem Wandel der Zeit ein wenig (oder gar: stark?) unterliegen. Rolf Hochhuth hat in seinem Stück »Soldaten« einem Apologeten während eines Streitgesprächs mit einem hohen Offizier (der genau zu wissen schien, was und wo Ehre ist ...) eine sehr (damals gewiß nicht unorthodoxe) Sicht von Ehre in den Mund gelegt. (Die Me-Too-Phalanx und die Genderistinnen / Genderisten würden hier sicherlich wieder einmal mehr abundant ihren Stoff für Entrüstungsarbeit finden können ...). Es dürfte eben eines geben: eine Vielfalt an Gedanken darüber, was »Ehre« ausmacht, wo sie sich manifestiert wiederfindet.
Nicht viel anders dürfte es wohl mit den Überlegungen über »weltlich Gut« ablaufen. Gerade in Zeiten, in denen es nicht zuletzt wegen der Gefährdung der Umwelt, der Natur, der Zerstörung von Lebensbedingungen, der vorherrschenden Ideologien eines ungebremsten Wachstums sowie der Nachhaltigkeitslügen einer Umorientierung bedarf, macht es durchaus einen großen Sinn, über die Anschaffung und den Umgang mit »weltlich Gut« eine andere, eine neue Perspektive einzunehmen. (Erich Fromm hat das einmal in seinem populär-gesellschaftskritischen Buch »Haben oder Sein« verdeutlicht, allerdings wie man gerade heutzutage leider unaufhörlich wahrnehmen muß, ohne eine wirksame Breitenwirkung ...)
Und wer mit »Gottes Segen« nichts anzufangen weiß, weil er / sie beispielsweise nicht an die Existenz eines Gottes glaubt, auch nicht an Unsterblichkeit und andere transzendentale Bezüge, wird sicherlich bei etwas Anstrengung und gutem Willen ein adäquates Substitut in einem der Humanität und somit auch der Natur / Umwelt verpflichteten anderen Wertesystem finden.
Entscheidend dürfte sein: sich die Zeit zu nehmen möglichst häufig: die Auszeit von all der Hektik, von dem Trubel, von der heteronom gesteuerten Anspruchsinflation für Gedanken, was denn der wirkliche Sinn für das eigene Leben sein kann / sollte, vor allem auch eine gut ausgewogene Sinnhaftigkeit, welche anderen nicht schadet. Sich nicht ausbeuten lassen, aber auch andere nicht auszubeuten versuchen das sehe ich als einen Pfeiler für ein Leben in Liebe und Verantwortung an. Sich für diese Überlegungen nach einem Inhalt fern der vielfach gepflegten Oberflächlichkeit, fern dem verlogenen Gutmenschengetöne, fern der Weigerung, sich der Wirklichkeit zu stellen, fern der Unfähigkeit zwischen wertvoller Nähe und notwendiger Distanz differenzieren zu wollen, immer wieder Zeit nehmen, endlos viel Zeit, nehmen: das ist das eigentliche Gebot, weil notwendige Voraussetzung zu Verantwortlichkeit, einer Verantwortung sich selbst und der Umwelt gegenüber. Also die Zeit nehmen: auf den besagten Steine sich setzen, nach Entspannung suchen, und zwischen all dem Grübeln über die zahlreichen Unwegsamkeiten und Hindernisse eine Lösung zu finden, die einen das Leben zumindest einigermaßen glücklich und zufrieden gestalten läßt ...
Ich erinnere mich an früher, als dieser Satz durch viele Hirne und Gemüter geisterte: »Live fast, love hard, die young!« So eine Art Sponti-Spruch. So eine Art, Versuche einer Illusion zu manifestieren. So eine Art des »Ja-so-soll-so-muß-es-sein!«. Für manche wohl auch so eine Form von: »Heureka«!. (Ich glaube, es war sogar der Titel eines Liedes. Wenn ich mich richtig erinnere, ursprünglich ein Song von Eddie Cochran und später des Country Singers Faron Young.)
Nun hat das auch mit »guten« Vorsätzen zu tun? Irgendwie schon, denke ich. (Man kann bekanntermaßen auch ex-negativo lernen, sofern man es möchte!) Aber man sollte hier also nicht sogleich unkritisch in Euphorie überborden. Denn all das ist »easier said than done«, bisweilen auch besser zunächst wenigstens mit größerem Abstand zu betrachten.
Was mich persönlich angeht, ist dieses »die young« ohnehin obsolet (und ich hätte es auch in früherer Zeit nicht als Ziel sehen können!); und über dieses »love hard« dürften die Ansichten wohl auch weit auseinander gehen (so mancher, so manche, wird auch dieses »hard« als sehr schön und wörtlich nehmen können und wollen, ob dann mit anhaltendem Vergnügen oder auch nicht ist ohnehin den jeweils individuellen Präferenzen untergeordnet).
Wenn ich nun noch an dieses »live fast« denke, so wie es wohl gemeint sein könnte und von nicht wenigen auch immer wieder erläutert beziehungswiese propagiert wird, dann sehe ich das als das Gegenteil dessen, was Leben eigentlich sein sollte. »Live fast« befördert genau die Oberflächlichkeit, die Hektik, das Laute, das Hohle, also all das, was einem »multum non multa« völlig entgegengesetzt ist, da ist nichts von einem »Ich saz ûf eime steine«, nicht einmal im Sinne von Grübeln oder Nach- bzw. Überdenken, schon gar nichts von einem positiv gerichteten kontemplativen Zustand, nichts von einem Suchen, was man eigentlich will, was man eigentlich leben möchte, was dem Dasein einen tieferen Sinn verleiht, somit auch die Grundlage für Freude und Entspannung bereitet.
Silvester 2019 und das Jahr 2020? Eines dürfte gewiß sein: die allermeisten werden nur über blödsinnige Böllerei(en) und Lärm dem Ausdruck verleihen, was sie als »Freude« definieren, die allermeisten werden ihre Leerformeln dreschen, ihre Lügengeschichten auftischen, ihre Großspurigkeit zur Schau stellen, Nähe und Freundschaften suggerieren, treiben und sich treiben lassen, maskenhafte Fröhlichkeit generieren, mitklatschen, mitlaufen, mitgrölen, ihren Verstand sofern vorhanden extrem zu schonen trachten (da fällt mir doch dann auch die Kantsche Kritik an der selbstverschuldeten Unmündigkeit ein!), mitschwimmen und den unzulänglichen Status quo fortschreiben helfen. Und dies alles: ein ganzes neues Jahr hindurch, bis auch jenes dann wieder »das alte« sein wird und es dann selbstbetrügerisch heißt: »Auf ein Neues!« Prost. Krach. Elend.
Was bleibt also für diejenigen, die da nicht mitmachen wollen, »for the time being«? Eben: auf dem Steine sitzen und nach Oasen Ausschau halten. Irgendwie und irgendwo gibt es da (zumindest noch) immer welche ... Und dann auch: tun! Und sicherlich danach auch: Jene Wege immer wieder suchen und gehen, die einem jeweils als die richtigen, die erholsamen, die wertvolleren dünken. Denn letztlich sollte dies Denk- und Handlungsmaxime sein, somit zumindest weitestgehend dann auch zutreffen: "Ein jeder gibt den Wert sich selbst." (Friedrich Schiller, Wallensteins Tod 4. Akt, 8. Auftritt)
"Die größte Weltklugheit besteht darin, den Preis der Dinge zu kennen."
(François de la Rochefoucauld
"Wenn du das Gefühl für deinen eigenen Wert verlierst, wirst du kaum irgend etwas anderes finden können, das wertvoll sein könnte."
(Pavek Kosorin, tschechischer Aphoristiker, Leiter eines Zentrums für soziale Dienste, er hat Theologe studiert )
Besonders an jenen "Schlüsseltagen" mit denen die Allgemeinheit besonders um- und begriffen wird -- oder zumindest so getan wird als sei es so ... --, kann man sie immer wieder deutlich hören: die üblichen "großen Wörtern" aus dafür mehr oder weniger berufenen Mündern (oder aus solchen, die sich dafür prädestiniert halten oder qua positione dazu gedrängt werden beziehungsweise sich entsprechend berufen fühlen). Es geht hier vor allem um Weihnachtsbotschaften, um die "Abrechung" mit dem vergangenen Jahr und -- natürlich und unvermeidbar -- um die gleichermaßen salbungsvollen Wörter (meistens ja leider nicht: Worte!) zum "Neuen Jahr", eben zu jener Jahreswende, bei der sich "Freude" und "Innerlichkeit" ganz besonders laut, untermalt vom Gestank und Lärm einer eigentlich sinnentleerten Böllerei (was man mit diesem im wahrsten Sinn des Wortes verpulvertem Geld an wirklich guten Taten bewirken könnte!!!), begleitet von den diversen Formen aus Gelagen und rücksichtslosen Auffälligkeiten, letztere bis hin zu Übergrifflichkeiten ... Ja, es geht um das, was vielerorts fälschlicherweise und in Verkennung von Tatsächlichem als "Gemeinsamkeit" und "Lebensfreude" ge- und bewertet wird, wo dann sich eben vielfach auch Exzesse breitmachen, die natürlich unter dem Deckmantel von "Tradition" nahezu grenzenlos sich austoben dürfen -- dies dann im öffentlichen Bekunden ausschließlich als reiner Ausdruck von Feiern, von Feierlichkeiten, von Nähe, von Gemeinsamkeit definiert und verkauft ... Eher doch eine Orgie aus Scheinheiligkeit, nicht wahr? Eine Lüge. Ein So-tun-als-ob! Sozusagen die Versammlung von Schwestern und Brüder im Geiste ...
Ein Geist, den allerdings eine Gott sei Dank stetig zunehmende Anzahl von Menschen so nicht mehr und nicht länger zu teilen vermag, also jene Menschen, die unter Innerlichkeit und Verbindung schon eher sich an Nachhaltigkeit -- und dies nicht nur in persönlichen Bereichen! -- orientieren wollen und sich darum bemühen!
Andere hervorzuhebende einschlägige Ereignisse für abundante Abläufe und Gelegenheit zum Phrasendreschen sind da unter anderem Geburtstage, Beerdigungen, die zahlreichen medial inszenierten "Wichtigkeiten" wie beispielsweise "Traumhochzeiten" (und dann natürlich auch: "Traumscheidungen") -- dies vor allem dann, wenn es um Personen geht, die meist aus irgendwelchen nichtigen Gründen von der Masse künstlich heraus- oder abgehoben werden oder selbst immer wieder (nicht selten ohne entsprechende Penetranz) dafür sorgen, zu jenen Kreisen der "Auserwählten" dazuzugehören ... (Natürlich gibt es auch dabei -- immer wieder und wie bei allem -- jene wertvollen Ausnahmen, die dann eben nur "die Regel bestätigen" oder so ähnlich ...) Na ja, und wer gerne sich als so eminent "wichtig" gerieren möchte (und es eigentlich de facto so gar nicht ist respektive wäre), der oder die findet immer wieder ziemlich schnell und zielführend in intersubjektiver Übereinkunft die entsprechenden Leute, Gremien und Foren -- mediale Unterstützung und Oberflächlichkeit garantiert...
Es ist doch jedes Jahr immer wieder dasselbe, gehört offensichtlich zu einer Art ritualisierter Abläufe ... Inwieweit man denen dann glauben schenken kann (oder möchte), inwieweit man jene "Münder" ernst nehmen kann (oder möchte) obliegt selbstverständlich dem jeweils individuellen Naturell. Glaubwürdig oder nicht, aus tiefstem Inneren ehrlich oder nur so dahin gesagt, Mitgefühl oder Maskerade, aufgedonnerte Theatralik oder bescheide Einsicht in das Notwendige, in das Unvermeidliche, Nähe mit Betroffenheit oder Erledigung einer Art von Pflicht, Ausdruck der Manifestation von Helfersyndrome -- zu hinterfragen, zum Abtasten von Schein und Wirklichkeit, gibt es da so allerhand. Zumindest für all diejenigen, welche sich gerne der Frage nach Schein und Wirklichkeit stellen wollen, für all jene, die trennen wollen zwischen Aufrichtigkeit und Lüge, zwischen Dahergerede und Ehrlichkeit, zwischen wirklicher Nähe und tatsächlicher Ferne.
Wer entscheidet denn, was "wichtig" ist? Soll es bei dieser Frage eher Autonomie oder Fremdbestimmung geben? Ich denke, die Antwort ist hier eigentlich klar: man selbst entscheidet, nicht andere! Natürlich gilt dies unter der Vorgabe von Beachtung des Aspekts, anderen nicht zu schaden. Natürlich hat die Egozentrik auch ihre Grenzen, die es stets verantwortlich zu untersuchen und dann auch zu beachten gilt. Hierzu gehört selbstverständlich der (eigen-)verantwortliche Umgang mit Ressourcen als notwendiger Lebensgrundlage. Gerade hier darf es kein "tertium non datur" geben. Wer die Umwelt zerstört, wer Gewinnmaximierung als Primärziel setzt, wer dem "Immer-schneller-immer weiter-immer höher" huldigt, geht den kontraproduktiven Weg für eine gesunde, nachhaltige Lebensplanung. Es gibt schon einige (allerdings viel zu wenige, vor allem zu wenige in unseren gesellschaftlichen Schaltstellen), die an Schlüsseltagen hier die richtigen, die klaren und verantwortlichen Worte (wohlgemerkt: nicht Wörter!) finden. Jenen soll man zuhören, jene Worte soll man als Leitlinie achten und für sein eigenes Leben in die Tat umzusetzen versuchen. Im gleichen Atemzug heißt es aus meiner Sicht dann jedoch auch: all die Geschwätzkgkeit, all die Schwätzerinnern und die vielen Schwätzer, die letztlich eo ipso unverbindlich ihre Münder an solchen Tagen weit aufreißen, dies mit der entsprechenden mimischen und gestikulierenden Form von Theatralik ummänteln als das zu kennzeichnen, was es tatsächlich ist. Hier sollte man schon ruhig häufiger etwas deutlicher nachfragen und dann dort, wo es besonders notwendig ist, die Charaktermaske auch schon mal von deren Gesichter entfernen, sodaß der Kaiser, die Kaiserin schlicht und einfach nur "nackt" dasteht. "Hebe Deinen Blick und verweile!" Richtig. Notwendig. Dabei aber dann auch das Resultat des Blickhebens und des (hoffentlich mit wachen Sinnen) Verweilens kundtun, unmißverständlich und -- wo und falls nötig -- mit entsprechender Konsequenz. Sich kein X für ein U vormachen lassen und auch zeigen, daß man dazu nicht bereit ist, dazu auch nicht mißbraucht werden kann. Eine Aufgabe, die eigentlich eine fortwährende Verpflichtung ist, die sich nicht auf ein paar wenige Stunden (gar der Selbsttäuschung?!) eines Jahreswechsels (oder sonstiger bisweilen allzu der Rührseligkeit geopferter Schlüsseltage) begrenzen sollte.
Wir werden sie ja wieder hören: die (meist überflüssigen) Reden nun für 2020, die (oft nicht ganz so überflüssigen) Jahresrückblicke (wovon einige ja schon zu hören waren), vielleicht mache ich dazu dann -- wenn alles vorbei ist -- ein paar (sicherlich nur sehr) persönliche Anmerkungen mit dem entsprechend relativen Anspruch auf Gültigkeit: für mich wohl wichtig, für die Umwelt gewiß kaum oder überhaupt nicht. Alles eine Frage der Relevanz. Relevant eben für wen?
Zunächst jedoch heißt es für den 31. Dezember 2019 jedoch: sich dem Lärm, dem Gestank, der Nichtigkeit so gut wie möglich entziehen (die Tiere, die Natur haben es da zweifelsohne nicht ganz so einfach wie der Mensch ... Aber das schert ja jene in ihren Böllerorgasmen offensichtlich überhaupt nicht!). Das mag zu Silvester besonders deutlich erscheinen, aber man sollte sich nicht allzu sehr täuschen lassen, denn Lärm, Gestank und Nichtigkeit werden sich auch durch das ganze kommende Jahr wieder ziehen. Aufgabe ist es somit eben, sich Nischen zu suchen, Oasen für sich (und mit jenen, die einem wirklich nahe sind) aufzuspüren, soweit als möglich die Slalomstangen auf der Lebenswegpiste selbst zu stecken (und nicht andere stecken zu lassen), so manchen Anfängen zu wehren, das Gute zu suchen, am Bleibenden zu arbeiten -- vor allem: vollumfänglich wach zu bleiben. Oder wie der Kabarettist Urban Priol es alljährlich in seinem Jahresrückblick mit leicht pessimistischem Anflug stets mit Bezug aufs jeweils kommende Jahr fordert: Machen wir halt das beste draus ...
Kommunikation
Antworten auf nicht gestellte Fragen
aus verquollenen Weihnachtsmündern
Verkündung von Segensreichtümern
mit Appellen an fremde Bescheidenheit
Erwartungshaltung aus Verlangen diese
jene Kreise unbeschädigt zu lassen
Töne billiger Lyrik aus Maskenfratzen
jeweils dem Jahreszeitenwechsel angepaßt
Flexibilität in Scheinheiligkeit und Lug
Trug und Täuschung als Erfolgserleben
Andere in Selbstsucht als Schachfiguren
mißbrauchen ...
Pretending things are the way as you tell
Keep on pretending pretending pretending
endlessly with words decaying getting meaningless
Parole parole parole parole parole toujours
Les affairs tres ordinaire et tout à fait artificiel
jouer avec de confiance dévaluer la vie et l'amour
Warum Antworten auf ungestellte Fragen
Vor allem denn warum keine Fragen mehr
Weil Schweigen besser als Belogenwerden
Herzen und Seelen nicht in Engen treiben
Sich so den Spieltriebwiesen armseliger
Verstellungsversuche entziehen und so tun
Als seien sie einfach nicht erkennbar und
könnten weiterhin als Wahrheit gedeihen
(Thomas Fagusarua, 2020)
Amantis ius iurandum poenam non habet.
(Publilius Syrus)
Trahit sua quemquen voluptas.
(Vergil)
... und noch die zahlreichen anderen Wünsche sowie Wege ...
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