Bewahret diese Kultur! Sie sei weiterhin maßgebliches Zeichen unserer Gesellschaft.
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Weihnachtszeit 2018
Gedanken und Bilder zur Weihnachtszeit 2018 und zu Neujahr
Weihnachten 2018
Blicke in das vorweihnachtliche Memmingen -- und, wie überall, viel zu früh "vorweihnachtlich". Sind dies alles, vor allem wenn man in die entsprechend drapierten Geschäfte blickt und auf all jene salbungsvollen Wörter aus Mündern hört, deren Träger nicht selten der fleischgewordene Widerspruch zwischen Reden und Tun, zwischen Täuschung und gespielter Gesinnung, nicht genau die Signale die eigentlich lauten, daß so Weihnachten nicht sein sollte, daß dies alles gerade nicht "Weihnachten" ist. Und da bietet das Jahr 2018 keine Ansätze, die auf Besserung hoffen lassen. Ganz im Gegenteil, Großspurigkeit, Verlogenheit, Mißachtung dessen, was unter Schöpfung gemeinhin verstanden werden sollte, Konsumorgien, gespielte Feierlichkeit, Unsinn, Entfernung von wirklichem Sein, Hirngespinste, Ausbeutung, Hatz und Hetze, Imponiergehabe, Gigantomanien, Irrsinn, um nur ein paar all jener negativen Orientierungen und Triebfedern zu nennen, sind weiterhin auf der Überholspur. Und sie fahren immer schneller. Aber es wird wieder so sein wie all die Jahre zuvor -- triefende Scheinheiligkeit, maskenhafte Mimik, große Belehrungen aus gesicherten Positionen und Ebenen an das "Volk". Welch gekünstelte Feierlichkeit! Welche Unehrlichkeit! Wie besonders schön dann für all diejenigen, welche an jenen nicht "stillen" Tagen tatsächlich Stille finden und leben, Menschen, die Genuß in der Einfachheit des Abgesondertsein von der lauten, hohlen Welt finden! Wie schön ist es da doch, dieses bei alldem nicht mitmachen zu müssen, es nicht zu brauchen, es als das zu sehen, was es letztlich doch nur ist -- Leere, Hilflosigkeit, Penetranz. Wie schön, wer statt dessen Entschleunigung lebt, sich an ein paar Lichtern und dem Lauschen auf den eigenen Atem und Herzschlag laben kann. Wer nur die dazu wirklich passende Musik und Worte vernehmen möchte. Wer dies vielleicht auch mit einem gleichgesinnten Gegenüber zu teilen vermag. Ja, trotz des "öffentlichen Weihnachten" gibt es das andere Weihnachten, man muß es nur suchen und finden wollen ... Und an all jene denken, die dergleichen gerne hätten, aber auf Grund der jeweiligen Umstände und Tragik, dies nicht leben dürfen. Vielleicht wächst dann die Dankbarkeit im Herzen noch mehr, der Dank dafür, es so im geschützten Raum und den gegebenen Möglichkeiten feiern zu können, dieses Weihnachten.
Weihnachtszeit, freilich nicht nur die, sollte auch Raum und Zeit geben, sich über das Alpha und Omega Gedanken zu machen. Wer sich dem stets zu entziehen bemüht, wer alles immer als selbstverständlich nimmt, darf sich nicht wundern, wenn er gänzlich unvorbereitet Widrigkeiten gegenüberzutreten hat. Für die Seele jedenfalls dann ein noch größerer Einbruch als es der Fall ohnehin schon ist, wenn man sich immer wieder des Memento mori eingedenk wird und sich dieser Zwangsläufigkeit stellt. In einer unmißverständlicher Weise habe ich diese (leider) zu leistende Aufgabe am Eingang eines jüdischen Friedhofes in Süddeutschland gelesen -- BESTELLE DEIN HAUS DENN DU MUSST STERBEN. Irgendwann ganz sicherlich. Doch wann ist jenes Irgendwann? Wie wird es sein, dieses Irgendwann? Die wohl einzig stets zutreffende Antwort, solange alles "normal" verläuft, dürfte jene lateinische Weisheit MORS CERTA, HORA INCERTA ausdrücken. Weniger trifft das freilich in dieser Deutung auf all jene zu, die in kriegerischen Auseinandersetzungen leben (müssen), die aus Verzweiflung flüchten (meist in das Unbekannte) und auf all jene, die unter irgendeiner schweren Krankheit leiden. Wir kennen die Aussage desjenigen, der einmal gefragt wurde, was er denn machen würde, wüßte er, daß schon morgen sein letzter Tag wäre. Er würde einen Baum pflanzen, war seine Antwort. Und irgendwie "pflanzen" wir doch tagtäglich "einen Baum" wenn wir die verkürzte Aussage des Carpe diem uns vor Augen halten, gehen dann wirklich "wertvoller" mit der Zeit, mit jeder Stunde, um. Aber was ist denn das -- so ein "wertvoller" Umgang mit der geschenkten Zeit? Je nach dem Ich und der persönlicher Verfaßtheit fällt die Antwort darauf häufig sehr unterschiedlich aus. Da mag einer stets dem Geld hinterherjagen, dies als "nützlich" empfinden, andere bekümmern sich um ihren Aufstieg, um Anerkung der vielfältigsten Art, Lob und Zuspruch, der wieder anderen gänzlich leer, schal und unnütz erscheinen mag. Wieder andere jagen von einem "Ereignis" zum nächsten, getreu ihrer Lebensmaxime, daß man ja nichts verpassen dürfe. Dann gibt es aber auch jene, die tun einfach "nichts". So zumindest das Urteil aus fremden Mündern. Aber vielleicht sind es gerade diejenigen, die nach dem Urteil Außenstehender "nichts" tun, die das meiste schaffen, nämlich ihr Leben einfach so zu gestalten, wie sie es selbst für richtig halten. Und dabei zufrieden sein können, ab und zu auch glücklich. Und was kann man denn auch mehr innerhalb einer gegebenen Zeitspanne des Alpha und Omega erreichen! Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, sich besonders in der Weihnachtszeit eines zu vergegenwärtigen -- die Vergänglichkeit. Und dabei den Augenblick so richtig und tief zu leben und zu genießen. Wesentlich sein.
Ein Teil der Wesentlichkeit ist, daß Weihnachten sicherlich einen bedeutsamen Anteil an unserer Kultur bedeutet. Dabei ist es nicht so entscheidend, ob die Weihnachtsgeschichte, wie sie immer wieder alljährlich erzählt wird, eine Wirklichkeit verkündet. Zudem werden all die Inhalte jener Erzählungen durch die immer noch mehr zunehmende Ökonomisierung von Weihnachten ohnehin konterkariert. Zweifellos muß man den ursprünglich Weihnachten zugeschriebenen Begebenheiten zumindest einen märchenhaften Charakter zuschreiben, eine Symbolkraft, die Authentizität auch außerhalb des nachweisbaren geschichtlichen Kontextes beanspruchen kann. Und das ist es dann, oder sollte es wenistens sein -- Weihnachten.
Mit ein paar wenigen Gedanken zu dem geschichtlichen Hintergrund möchte ich mich dennoch hier etwas auseinandersetzen, auch um zu überdenken, was an all den sicherlich überwiegend sehr schönen, weil Menschlichkeit und den Wert einfacher sozialer Begebenheiten zeigenden Geschichten, wahr, damit meine ich zweifelsfrei belegt, sein kann. Was jedoch stets ungeachtet des Wahrheitsgehaltes bei derartigen Erzählungen bleibt, ist die Möglichkeit, durch Glauben für sich selbst ein Stück (oder auch mehr) an subjektiver Wirklichkeit zu (er-)schaffen oder von außen sich gleichsam aufdrängen zu lassen. Für mich, der ich zumindest Agnostiker bin, spielt der Wahrheitsgehalt all jener religiösen Bezüge keine Rolle, schon gar nicht die Bemühungen all jener, welche sich als Statthalter von Weihnachten anbieten bzw. aufdrängen, aber das ändert nichts daran, daß eine gleichsam märchenhafte Symbolik aus alledem auch für mich, damit für all jene, die grundsätzlich religiös institutionalisierter Macht nichts abgewinnen können, abzuleiten ist. Damit aber auch so etwas wie Gestaltung und Festigung von Lebensmaximen!
Wenn es auch, gerade wegen der rasanten und sicherlich nicht immer erfreulichen Veränderung in unserem Lande, immer weniger ein weitverbreiteter fester Bestandteil ist, also die Botschaft des "Freuet euch!" verblasst, die Weihnachtsgeschichte ist immer noch ein doch recht fester Bestand christlicher Erzählungen zu Heiligabend, immer noch zahlreiche Menschen wachsen mit ihr auf. Dies heißt auch, viele Menschen glauben die Weihnachtsgeschichte so, wie sie geschildert wird, nehmen sie mit als Grundlage zum eigenen Glauben, zur Gestaltung des eigenen weiteren Lebens. Wer das nicht (mehr) so hält, wer sich, aus welchen Gründen auch immer, von Kirche und Glaube, damit auch von der Unmittelbarkeit der Weihnachtsgeschichte entfernt hat -- vielleicht diese gar überhaupt niemals näher zur Kenntnis genommen hat --, kann aus ihr dennoch viele wertvolle Gedanken, Leitlinien, Spiegelbilder für die eigene Zukunftsgestaltung erspüren. Eben diese tiefe Symbolik, wie sie allen märchenhaften Wiedergaben innewohnt und einem zur Reflektion dienen kann, sofern man sich dafür offenhält, sein Herz, sein Denken, sein Streben dafür nicht verschließt.
Blickt man in das älteste biblische Evangelium, das Markus-Evangelium, wird man erfahren, daß dort Jesus erstmalig mit seiner Taufe erwähnt ist. Also kein Hinweis auf Geburt und Umstände der Kindheit. Keine Weihnachtsgeschichte ist dort aufzufinden! Ebenso im Evangelium des Johannes beginnt die Erzählung über Jesus erst mit dessen Taufe. Nirgendwo eine Weihnachtsgeschichte! Nichts vom Stall in Bethlehem, von den Weisen aus dem Morgenlande, vom Kometenstern, von der Krippe, von der Einfachheit der Geburt, vor allem auch nicht von der Art des Gebährens und schon gar nich der des Zeugens.
Anders sieht es bei Matthäus und Lukas aus; dort wird die Geburt Jesu relativ übereinstimmend geschildert, danach wurde Jesus in Bethlehem zur Zeit Herodes geboren, seine Mutter ist Maria, die mit Josef verlobt ist.
Allerdings wird auch von zahlreichen Theologen und Geschichtswissenschaftlern bezweifelt, daß Bethlehem der Geburtsort von Jesus war. Jedoch meint der Neutestamentler Thomas Söding, sich auf die Tatsache, daß Lukas und Matthäus Bethlehem als Gebutsort berichten, berufend, daß deshalb "Bethlehem als Geburtsort zumindest nicht komplett aus(zu)schließen" sei. Was Söding hier jedoch außer Betracht läßt, ist die Tatsache, daß über die Qualität der vier Evangelien in Bezug auf ihre Qualität hinsichtlich geschichtlicher Wiedergabe füglich zu streiten ist. Vielmehr ist allein durch die Genese aller vier Evangelien (keine Unmittelbarkeit zum Leben von Jesus, nur die Übernahme mehrfach ausschließlich mündlich überlieferter Hinweise, Übertragung aus dem aramäischen Sprachraum in eine andere -- griechische -- Sprache; also eine Kette von sicherlich sehr wahrscheinlich auftretenden Fehlerquellen im Umgang mit sogenannten wahren Begebenheiten, eine Vielzahl von sprachlichen Stolpersteinen, hinzu kommen noch subjektive Wahrnehmungen und anzunehmende sehr verschiedene Deutungsmuster, etc.) davon auszugehen, daß sie nicht die Wirklichkeit beschreiben, die zu erfassen sie (beziehungsweise deren Exegeten) vorgeben. Daß Jesus als geschichtliche Gestalt tatsächlich gelebt hat, dürfte mittlerweile durch verschiedene Zeugnisse und Forschungsergebnisse unbestreitbar sein. Aber diese Suche nach historischen Fakten in der Bibel macht auch aus mancher theologischer Sicht keinen Sinn. So meint der Theologe Klaus Wengst, der christliche Glaube beziehe sich in erster Linie darauf, daß in der Geschichte über Jesus "Gott zu Wort und Wirkung kommt". Dieser Sichtweise zufolge, hat die Geschichte Jesu im Kern der biblischen Texte mit Gott zu tun, sie hat also keine historische Funktion. Wengst meint -- und da stimme ich ihm auch als Agnostiker aber nur hinsichtlich der Symbolkraft zu, komme dabei sehr wohl ohne "Gott" aus! -- es wäre wohl besser, die Weihnachtsgeschichte unter symbolischen Gesichtspunkten zu beleuchten.
Wenn Thomas Söding den Anfang des Lukas Evangeliums "In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl ..." mit Hinweis auf den Kaiser Augustus, die damals "politisch wichtige Figur -- im weltweiten Maßstab" aus seiner Sicht verweist und weiter folgert, damit habe Lukas von Beginn an klar gemacht "Jesu Geschichte geht alle Welt an", daß dies zudem durch die Erwähnung der Volkszählung des Statthalters Qurinius unterstrichen würde, dann mag das sicherlich eine mögliche Interpretation sein, jedoch eine aus meiner Sicht. sehr inhaltsschwache, denn irgendeine tatsächliche Beweiskraft in Bezug auf Allgemeingültigkeit vermag ich da wirklich nicht zu erkennen, Richtig ist, die Volkszählung ist historisch belegt, aber sie paßt zeitlich halt nicht zu den anderen geschichtlichen Bezügen bei Lukas, was der Neutestamentler Söding mit "Bestimmte Aspekte sind zusammengezogen und verdichtet" kommentiert. Freilich stellt sich hier dann die Frage, ob diese Verdichtung noch Raum für sachliche Evidenz läßt. Ich meine, dies ist eher zu verneinen. Da kann ich schon eher die Bewertung des Theologen Christoph Levin teilen, der feststellt, Lukas nute "pseudohistorisch den Zensus des Quirinius, um die Geburt Jesu in einen größeren weltgeschichtlichen Rahmen zu stellen." Gleichwohl sagt auch dies, sofern es so wirklich zutrifft, überhaupt nichts über die Richtigkeit des Inhalts der Weihnachtsgeschichte per se aus! In der Weihnachtsgeschichte spielen Hirten eine große Rolle; freilich hat nur Lukas jenen die heute bekannte bedeutende Rolle zugeschrieben; bei Matthäus findet man nichts über Hirten; er verweist vielmehr auf die Sterndeuter aus dem Osten, die dem Jesuskindlein ihre Huld bezeugen wollen. Wenn hier Söding feststellt, "Das waren Heiden. doch sie hatten Zugang zum Glauben, weil sie Wissenschaft betrieben", liegt er allenfalls mit seiner ersten Feststellung richtig; die Schlußfolgerung, daß ihre Wissenschaftsaktivitäten hinreichende Bedingung zum Glaubenszugang waren ("weil sie ..."; sic!), dürfte eher dem bekannten Trend vieler Vertreter der Religion(en) folgen, Theologie und Wissenschaft in ein eigentlich nicht aufrechtzuerhaltendes Wechselverhältnis zu bringen. Vielmehr ist es so, daß, wer intensiv Wissenschaft betreibt (da nehme ich konsequenterweise "Religionswissenschaft" aus, denn diese kann nur systemimmanent auf Stimmigkeit wirken, auch läßt sie keinen Zweifel an der Existenz Gottes zu, wehrt sich auch vehement gegen Plausibilitätserwägungen, die wesentliche Prämissen von Amtskirchen in Frage stellen!), gerade Wissenschaft mythischen, esoterischen oder gar abergläubischen Tendenzen gegenüber sehr kritisch eingestellt ist und in aller Regel wohl kaum zu der von Söding behaupteten Position gelangen. (Wer nun hier die sicherlich nachweisbare Gläubigkeit von einigen Wissenschaftlern an "Gott" als Gegenbeispiel für meine These heranzieht, der sollte sich erst auch einmal mit den jeweils individualpsyhologischen Aspekten, die ein Gedanke an Endlichkeit, an Endgültigkeit mit dem Tod, u.a.m. bereitet und vielfach zu entsprechenden Abwehrmechanismen bis hin zur Verdrängung führt -- von diesem Problem sind natürlich auch Wissenschaftler nicht frei, auch sie haben Furcht und Ängste zu bewältigen --, beschäftigen. Vielleicht ist "Gott" eben nur eine Projektion, die der Mensch sich mit dem Ergebnis der Existenz eines Absoluten erschaffen hat, Was ist an wirklicher Erkenntnis denn gewonnen, wenn man sich darauf beruft, der Evangelist Lukas ließ Josef für die Volkszählung nach Bethlehem ziehen? Josef wird als Nachfahre von König David gesehen, welcher laut Altem Testament in Bethlehem geboren worden war. Wer aber daraus gar noch den logischen Schluß ableitet, daß der Sohn des David-Nachfahren, Jesus, auch in Bethlehem zur Welt gekommen sein müsse, befindet sich auf extrem dünnen winterlichen Eis der Argumentation. Wunschdenken ist das bestenfalls, nicht mehr. Sind vielleicht auch deshalb die Hirten im Lukas Evangelium so prägnant, weil David -- nochmals: laut Altem Testament -- vom Hirtenjungen zum König aufgestiegen ist? Sehr zweifelhafte Verbindungen, welche da im Nachhinein, im Abstand von riesigen Zeiträumen, geistig geschmiedet werden ... Hier wird eine uralte Tradition, immer unterstellt, es habe sie in dieser Form auch tatsächlich gegeben, auf eine völlig andere Zeitschiene extrapoliert. Aber es ist wirklich nicht davon auszugehen, daß eine wie auch immer geartete Davidsche Tradition diese weitreichende Bedeutung für den weiteren Fortgang von Geschichte gehabt haben dürfte. Da sind wir schon vielmehr beim Märchenhaften angelangt, im Wunschdenken verfangen, von mir aus im Bemühen, eine aufrüttelnde, in sich stimmig erscheinende Geschichte zu erzählen, also fernab von sachlich zutreffenden Zusammenhängen. Warum denn überhaupt keine Hirten dann bei Matthäus? Warum bei ihm jene durch die Weihnachtsgeschichte berühmt gewordenen Sterndeuter aus dem Morgenlande? Jene exotisch anmutenden Könige? Gehen wir einmal davon aus, die Geschichte mit dem Kometen stimmt überhaupt, dann ist zu fragen, weshalb sie denn zunächst Herodes in Jerusalem aufsuchten, diesen fragten, wo denn der neue König (Jesus) geboren worden sei. Herodes wußte davon natürlich nichts, fragte seine Schriftgelehrten -- damals bei Nichtwissen durchaus ein üblicher Vorgang --, die jedoch nur aus dem AT die Vorhersage des Propheten Micha kannten. In dieser heißt es lediglich, aus Bethlehem werde einer hervorgehen, "der über Israel herrschen soll". Der Stern hatte also auf keinen Fall die drei sogenannten Weisen in einen Stall nach Bethlehem geschickt. Keiner der Evangelisten konnte Tatsachen verkünden. Der Theologe Söding stellt selbst fest, daß Rückbezüge zu Vorhersagen aus dem AT bei den Evangelisten üblich waren, dies auch deren Logik entsprach, denn in in ihren Texten sollen im Rückblick erkannte theologische Zusammenhänge "ausgeleuchtet " werden. Damit haben wir natürlich keinerlei Evidenz für die Inhaltlichkeit außer derjenigen, daß sie als Geschichte tradiert wurden, irgendwann tiefer aufgegeriffen und dann auch institutionalisiert wurden. Was bleibt also? Hier kann man durchaus dem Söding folgen, wenn er meint, die Weihnachtsgeschichte ist ein Teil eines Glaubenszeugnisses -- ein besonderer Teil, betrachtet man ihre Wirkung auf den Menschen. Und diese besondere Wirkung ist zumindest in unserem Kulturkreis, aber nicht nur da -- sie wirkt weltweit sicherlich nachweisbar auch --, von einer ganz besonderen Wirkung. Daß dies nicht nur für praktizierende und streng gläubige Christen so ist, ergibt sich für mich aus der festen Verankerung in unserer Kultur. Wenn Söding für sich persönlich feststellen kann "Sie geht mir zu Herzen, jedes Mal wieder. Ich finde sie äußerst kostbar. Es ist grandios, wie darin ein Sinn-Kosmos entsteht", kann ich seine Gedanken und das samit verbundene Fühlen sehr gut nachempfinden. Es ist sicherlich noch leichter, mit der Weihnachtsgeschichte etwas anfangen zu können, von ihr umschlungen zu sein, wenn man ein gläubiger Christ ist, aber, wie von mir schon angedeutet, eine notwendige Bedingung ist das nicht unbedingt. Ich denke, dieses Eintauchen in die Weihnachtsgeschichte, dieses innere und innige Miterleben steht auch für alle anderen offen, gerade auch für jene, die sich, wie ich, als Agnostiker sehen. Und was will man denn auch ehrlicher antworten auf eine Frage wie die nach der Existenz Gottes, die durch nichts zu beweisen ist, als mit einem "ich weiß es nicht". Es sind ja nicht die Agnostiker, die Gott oder etwas ähnliches "erfunden" haben, also gibt es für sie uach nichts zu widerlegen. Wir stehen hier nicht vor dem Problem, einer These (= Gott existiert) eine Antithese (=Gott existiert nicht) entgegenzustellen. (Übrigens ein Dilemma, dem sich so manche Atheisten seitens Gottgläubigen ausgesetzt sehen und dieses Spielchen folgerichtig nicht mitspielen sollten ...) Wir stehen nicht vor dem Problem, wissen zu müssen oder zu können. Wir stehen vor der schlichten Tatsache, daß es sich ausschließlich um eine Glaubensangelegenheit handelt. Dem einen mag so ein Glaube helfen, dem anderen mag er absurd erscheinen. Die Weihnachtsgeschichte ist jedoch als gewachsenes Kulturgut als Sinngebung und als sinnstiftende Möglichkeit einer guten Lebensgestaltung im hier und heute sicherlich etwas einzigartiges. Und wer das nicht so sehen kann oder will, der wird wohl im Vergleich mit anderen moralisch-ethischen Vorgaben, Geschichten, Parabeln, Philosphien eingestehen müssen, sie ist zumindest etwas, an dem man nicht so mir nichts dir nichts und als Ignorant vorbeigehen kann. Daß dies so ist -- ich wiederhole mich da sehr gerne und ganz bewußt -- hängt mir ihrer intensiven Verankerung in unserer Kultur zusammen. DieWeihnachtsgeschichte und die aus ihre entstandene Weihnachtszeit ist bei und für uns ein wesentliches Kulturgut. Und diese Kulturgut gilt es zu bewahren, auch wenn die Interessenlagen der jeweiligen "Bewahrer" häufig doch recht unterschiedlich sein mögen. Darüber dann im abschließenden Teil ...
Schwäbisches Adventssingen 2018 am 16. Dezember in St. Justina, Bad Wörishofen
Die "Weihnachtsbotschaft" besticht aus meiner Sicht vor allem durch den Fingerzeig auf Hoffnung, Liebe, Frieden, Gemeinsamkeit, unmittelbare Lebensweise, gibt ethisch-moralischen Zielen einen Inhalt und beinhaltet zudem das Wünschen als einen sehr wesentlichen Teil menschlicher Existenz. Sozusagen das Lebensgefühl des "O, wenn es doch so wäre, o wenn es doch so sein könnte" als durchaus zugelassenen persönlichen Ausdrucksmodus. Der Benediktinerpater Anselm Grün hat gerade den letzten Aspekt meines Erachtens einmal sehr zutreffend ausgedrückt: "In meiner Sehnsucht nach Liebe ist schon Liebe, in meiner Sehnsucht nach Licht ist schon Licht, in meiner Sehnsucht nach Frieden ist schon Friede." Der Wunsch, die Sehnsucht nach Liebe, nach Licht, nach Frieden als der Weg zum Ziel! So könnte man das durchaus auch verstehen. Im Wunsch wird das Denken in Zielen, in vielleicht vorhandene Möglichkeiten der Gestaltung der eigenen Existenz, sicherlich aber bei vielen auch das Verlangen nach sogenannten "ewigen" Antworten lebendig. Wunsch und Fragen als Mittel zur Durchdringung ungelöster Fragen und Aufgaben! Wer aus der Weihnachtsgeschichte dann noch das Phänomen der "Erlösung" herauszufinden vermag, dem sei diese Freude und Zuversicht gegönnt. (Es ist hier sicherlich nicht der Platz, die Frage nach dem "Erlösung wovon" oder eine nach dem "Erlösung wohin" oder gar die theologischen Aspekte von "Unsterblichkeit", "Allmacht", "Paradies, Fegefeuer und Hölle" oder ähnlich geartete zu erörtern.) Mir geht es in erster Linie darum, welche Botschaft und welches Gefühl die Weihnachtsgeschichte -- nochmals sei sie wahr oder auch nicht -- einer hoffentlich längst säkularisierten Gesellschaft vermitteln kann, damit aber auch stellt sich die Frage: macht es wirklich einen Sinn, entfaltet es überhaupt wirklich eine nennenswerte Wirkung, gegen die Weihnachtsgeschichte aus atheistischer (oder ähnlich positionierter) Perspektive aufzubegehren in einem -- faktisch eher untauglichen! -- Versuch, sich gegen einen derart starken und tief verankerten kulturellen Einfluß vielleicht gar massiv entgegenzustellen? Ich meine: Nein. Man könnte es bereits bei einer einfachen Überlegung belassen: Die Botschaft von "Weihnachten" ist, genauso wie beispielsweise die der Bergpredigt aus dem NT, durchaus eine anzustrebende, im besten Falle sogar: praktikable, Grundlage moralisch-ethischer Qualität für ein gesellschaftliches Miteinander, auch eine, die über Landes- und Volksabgrenzungen hinaus wirken kann (und sollte). Zum Überleben, zur gegenseitigen Achtung, zur Verwirklichung von Menschlichkeit sind sie eben unverzichtbar: Hoffnung, Liebe, Frieden, Gemeinsamkeit. Vielleicht mag so mancher -- wie ich auch -- die Demut des Menschen vor der Natur, also vor dem, was das menschliche Dasein nachhaltig gewährt, in der Weihnachtsbotschaft vermissen. Aber da hindert ja einen grundsätzlich nichts daran, seinen Teil zur Achtung vor der "Schöpfung" persönlich beizutragen und obendrein lautstark und überall seine Stimme entsprechend zu erheben! Und dieser Gedanke bringt mich erneut zu dem, was Weihnachten in seiner ursprünglichen Botschaft sehr stark gefährdet, dies im Sinne von: entwässert, entwertet, für "falsche" Zwecke funktionalisiert, nämlich die Konsumorgien, das Inanspruchnehmen eines eigentlich zutiefst emotionalen, religiösen und ursprünglich auch auf das Gefühl ausgerichteten Festes für kommerzielle Ausbeutung und Übermaß. Es bedarf hier wirklich keiner tiefschürfenden Abhandlung darüber, von welcher Qualität diese Kauf- und Geschenkeorgien sind, welche Triebkraft diesen Konsumorgien zu Grunde liegt! Von der eigentlichen "Weihnachtlichkeit" sind diese so weit entfernt -- und da wähle ich doch einmal, trotz meiner agnostischen Provenienz!, das biblische Bild: wie Gott vom Teufel. Übel daran ist leider auch, wer das alles bei diesem Weihnchtsentwertungsgetue so mitmischt, nämlich nicht selten auch jene Kreise, welche sich immer wieder auf die Weihnachtsbotschaft berufen! Sei es durchsichtig in den blödsinnigen Werbeaussagen versteckt, sei es aber auch aus diversen Mündern der Vertreter / Vertreterinnen aus Politik, Medienschaffenden und, ja auch das kann man bisweilen erkennen, aus der Glaubensecke. Wie oft kann man da Formen von Scheinheiligkeit, von falscher Distanzierung und ebensolchen Annäherungsformen, von Versuchen unedler Gesinnungsmassagen bis hin zum Schaffen von schlechten Gewissen, um nur einiges aus der Abkehr eigentlicher Weihnachtsgedanken hin zu einer fehlgeleiteten Weihnachtswirklichkeit feststellen. Schön ist das alles nicht! Leider aber geht der Trend eher weiter weg vom Ursprünglichen hin zu reiner Ausbeutung (und nichts anderes ist es, wenn die Weihnachtsgedanken letztlich derart pervertiert werden). Allein schon die Verlängerung der "Weihnachtszeit" in den Konsumtempeln (kaum hat man die Badehose ausgezogen, macht es in diversen Läden schon Klingelingeling ...) spricht Bände und verheißt nichts Gutes. Viele Medien bewegen sich da im Gleichklang, "stimmen" schon mal die Bevölkerung "rechtzeitig" ein. Nichts mehr von der kurzen "staden Zeit", nichts mehr vom Plätzchengenuß erst am Heiligen Abend, nichts mehr von alledem, was Weihnachten einmal ganz besonders gemacht hat. (Daß wir uns hier nur auf einem noch abschüssigerem Weg befinden, kann man sehen, wenn man die Gedanken Hermann Hesses zum Weihnachtsgetriebe aus dem Jahre 1927 liest -- siehe u.a. meine Weihnachtsgedanken zum Jahr 2006 --, aber es ist ja kein Trost, wenn man feststellen muß, daß es diesbezüglich weiter bergab geht. Es wird auch dieses Jahr nicht anders sein (schlimmstenfalls noch schlimmer ...): Wir werden erleben müssen / dürfen, wie sie wieder schwadronieren mit ihren Pseudoschalmeiengesängen, mit ihren Phraseologien, mit ihrer nach schwulsthaften gespielten (oder angelesenen) Tiefsinnigkeit, all das auch häufig an den Tag oder in den Abend gelegt mit einem häufig unerträglichem Gestus und Habitus von "Gutmenschgetue", natürlich wird auch die Besserwisserei nicht fehlen, Verdrängung oder gar Leugnen von Tatsachen wird bei vielen jener Redner und Rednerinnen und ihren festtagsbezogenen Läuterungs- und Bekehrungsversuchen als eine Art deformation professionelle als Unschuldsmäntelchen getragen, kurz: man wird wieder so tun, als sei -- vorausgesetzt man ist all den eindimensionalen Angeboten gegenüber folgsam oder gar hörig, befindet sich also im abverlangten Konsens, am besten vielleicht gar, man hat sich von der Bedienung des eigenen Verstandes längst verabschiedet und an dessen Stelle sich dem Fremdbestimmungs-Fanfarengetöse der vorgeblichen Richtigkeit und unantastbaren Weitsicht der sich häufig für sakrosankt haltenden Vorsänger und Vorsingerinnen -- alles bestens hier und um einen bestellt. Kurz: Mit der Weihnachtsgeschichte hat da das meiste nur sehr wenig bis hin zu überhaupt nichts mehr zu tun! Damit ist auch ein weiterer wesentliche Aspekt der Weihnachtsgeschichte immer mehr auf der Strecke geblieben, die Botschaft einer für das "echte" Leben in Selbstbestimmung und Mitmenschlichkeit notwendige Toleranz.
Die Entleerung von Weihnachten, die Entfremdungstendenzen finden viele Ursachen. Eine davon ist sicherlich unsere Wirtschafts- und Lebensweise, beide überwiegend auf Ökonomisierung mit Bezug auf Optimierung materieller Bereicherung angelegt. Es könnte stattdessen freilich auch Ökonomisierungsbestreben von anderer Lebensqualität geben, eine die auf Nachhaltigkeit, Entschleunigung, innere Werte, damit auch auf ein "inhaltliches Weihnachten", ausgelegt ist. Könnte. Gibt es aber (zumindes gegenwärtig) nicht. Nichts davon zu sehen! Allenfalls vereinzelte und sehr nischenhafte Bestrebungen. Diese allerding fortwährend dann im Kampf mit der Phalanx des "Immer-weiter-so", des "Immer-mehr", des "Immer-schneller", vor allem aber faktisch des: "Immer-oberflächlicher", der Wörterhülsen und Schwadronierei aus zahlreichen Kehlen der Scheinheiligkeit.
Daß wir hier in negativer Hinsicht allerdings auch ein großes "Vorbild" haben -- was uns freilich nicht vom Gedanken an eigene Schuld, nach dem Suchen von Ursachen im eigenen Hause befreien sollte! --, ist überdeutlich und leicht aufzeigbar: Die USA, und von dort kommt sicherlich eine ganz besondere und bereits sehr frühzeitig eingesetzt habende Form von Weihnachten als instutionalisierte Konsum- und Oberflächlichkeiteorgie, damit auch der Trend zur Verkitschung. Das mit dem dortigen, vielfach auch verantwortungslosem, Konsumverhalten, welches freilich leider immer zu uns relativ zeitnah herübergeschwappt ist (sowie auch weiterhin "schwappt") und bei uns nun in identischer Form zu sehen sein dürfte, bedarf sicherlich keiner besonderen Erläuterung mehr, vor allem erspare ich mir hier nähergehende Ausführungen an dieser Stelle. (Gleichwohl stellt sich auch in diesem Kontext aus meiner Sicht für uns die Aufgabe, etwas mehr und deutlicher auf Distanz zu vielen amerikanischen Einflüssen, Forderungen und Belehrungsversuchen zu gehen!) Ich möchte aber an dieser Stelle einen anderen Aspekt aufzeigen, der wohl sehr deutlich macht, wie "Weihnacht drüben" und "Weihnacht hier" sich viel früher bereits noch sehr unterschieden haben (mal vom Tag der Bescherung und der Funktion und Rolle des Santa Claus abgesehen!): durch die doch sehr unterschiedlichen Weihnachtslieder.
Unsere Weihnachtslieder strahlen das aus, was Weihnachten ursprünglich ausgemacht hat und weiterhin ausmachen sollte, sowohl was Text als auch was die Medolien angeht. Sie sind fast alle Sinnbild der Weihnachtsbotschaft, sowohl was den Text als auch die ihn jeweils tragenden Melodien angeht. Dagegen das, was an weihnachtlichem "Liedgut aus den Staaten" so alles kam (und immer noch kommt, wobei ich allerdings unsere weihnachtliche Gegenwarts"lyrik" und das entsprechende Gesäusel oder gar Gejaule ebenfalls als nur mehr hohl und peinlich bewerten kann!), zeigt deutlich, auf welche Art die "Besinnlichkeit", gar die "Kontemplation", oder "Weihnacht" dort in Liedern umgesetzt wurden und werden. Beispielsweise mag man vielleicht als Rock 'n' Roll Liebhaber das Lied "Rocking Around The Christmas Tree" (gibt es in unzähligen Versionen mittlerweile) ja ganz toll finden, als Weihnachtslied, sofern man "unser" Weihnachten zum Maßstab wählt, ist es mindestens nur peinlich. Nicht anders verhält es sich mit einem "I Saw Mommy Kissing Santa Claus". Aber auch dieses "Jingle Bells" deutet schon eher in die Konsumecke als in weihnachtliche Besinnlichkeit. Und so schön es als Lied ja auch sein mag: der Welthit "White Christmas" von Bing Crosby ist wirklich näher am Kitsch als an der Weihnachsgeschichte angesiedelt, nicht nur was den Text anbelangt. Natürlich gibt es einige Traditionals, die eng mit "Weihnachten" verknüpft sind (meistens dann auch durch Einwanderer in die USA fanden), eines der bekanntesten davon dürfte "We Wish You A Merry Christmas" sein.
Zugegeben, es gibt auch einige (wenige) Ausnahmen; damit meine ich nicht die in englische Sprache übersetzte deutschsprachigen Weihnachslieder, z.B. Silent Night, Holy Night, sondern durchaus angelsächsische Kompositionen wie den Little Drummer Boy, der wunderbar ein Stück der Geburt aus der Weihnachtsgeschichte erfaßt und versucht nachzuzeichnen, dies auch in ein nachhaltig wirkendes Arrangement gesetzt. Aber die große Masse der "amerikanischen Weihnachtslieder" geht meines Erachtens am Kern der Weihnachtsgeschichte gänzlich vorbei, berührt meistens nicht einmal einen Hauch deren Peripherie. Eine der wenigen Ausnahmen davon dürfte Harry Belafontes "Mary's Boy Child" sein.
Sicherlich, es gibt eine ganze Reihe von Liedern, eigentlich richtigerweise muß man sie als Pop-Songs bezeichnen, die mit der Weihnachszeit zumindest indirekt zu tun haben, bisweilen sogar auch tiefergehende Aspekte (auch Probleme, die es z.B. im Sinne von Mitmenschlichkeit, zu lösen gilt und die somit auf die christliche Weihnachtsbotschaft abheben) ansprechen, die mir gut gefallen -- aber Weihnachslieder in dem von unserer Kultur geschaffenen Sinne sind sie allesamt nicht. Stellvertretend seien einige hier genannt: Do They Know It's Christmas (Band Aid), Fairy Tale Of New York (The Pogues & Kirsty Mac Coll), Feliz Navidad (José Feliciano), Frosty The Snowman (Gene Autry), Jingle Bell Rock (Bobby Helms), Rudolph, The Red-Nosed Reindeer (Gene Autry), Santa Claus Is Coming To Town (fast unzählige Versionen gibt es davon), I'll Be Home For Christmas (Perry Como). Alljährlich aufs neue werden mittlerweile hüben wie drüben für den Musikkonsummarkt mehr oder weniger tralala-hafte "Weihnachts"-Popsongs produziert; diese stehen mit ihrer zumeist großen Plattheit und Kurzlebigkeit aber genau in eklatantem Gegensatz zum "klassischen" Weihnachtsliedgut. Also letztlich: untauglich für ein Weihnachtsfest im ursprünglichen Sinn!
Selbstverständlich ist diese obige Aufzählung allenfalls exemplarisch, jedenfalls völlig unvollständig. Jedoch geht es mir um das Fazit: Während "unsere" wirklichen, echten Weihnachtslieder mittlerweile als zeitlos gelten können, jedes Jahr erneut in einer selbstverständlich anmutenden Beständigkeit gesungen werden (können), dies in einem intensiven Zusammenhang zur der Weihnachtsgeschichte, kann man das bei den amerikanischen "Weihnachtsliedern" -- von einigen Ausnahmen einmal abgesehen -- wirklich nicht konstatieren. Zudem wirken all diese amerikanischen "Weihnachtsdauerbrenner" eher ohne emotionale Tiefe, abgedroschen und strahlen, wenn überhaupt, einen eher belanglosen Automatismus aus.
Diese oberflächliche Gefühlswelt (der amerikanischen Lieder) ist unseren Weihnachtsliedern offensichtlich fremd. Sie wirken statt dessen unaufdringlich tief, sind besinnlich und vor allem auch: fern jeglicher Kommerzialität. Man kann sie offenkundig schwerlich "mißbrauchen" -- auch wenn man in der durch Marktstrategien immer länger geratenen vorweihnachtlichen Zeit in Kaufhäusern und anderen Konsumecken (dazu gehören längst auch die vielfach eher künstlich als inhaltlich gerechtfertigten hochgepriesenen Weihnachtsmärkte, Gott sei Dank sind für deren Beginn wenigstens noch jahreszeitliche, vernünftige und Weihnachten angepaßte!, Öffnungsgrenzen gesetzt!) unschwer feststellen kann, daß sie sozusagen als konsumanstiftende Hintergrundmusik funktionalisiert werden. Aber den Liedern selbst schadet das alles bislang nicht, ihrer tatsächlichen Akzeptanz zur Besinnlichkeit ebensowenig, auch bleiben sie trotzdem (oder auch gerade deswegen?!) "frisch", also authentisch, was letztlich für ihre wahre Qualität spricht.
Von den vielen amerikanischen Weihnachtsliedern kann ich das nicht sagen, sie sind vielmehr Objekt eines überwiegend reinen (zunehmend zeitlich ausgedehnten) Konsumabschnitts innerhalt eines jeweiligen Jahres (oder haben sie wirksam dazu beigetragen? wohl so eine Art der Frage, was zuerst war, die Henne oder das Ei ...). Vielleicht gibt es da tatsächlich so etwas wie eine Wechselwirkung. Jedenfalls von Tiefgang, aber auch von ehrlicher Leichtigkeit und festlicher Besinnlichkeit keine Spur! Die allermeisten jener "Markt-Produktionen" passen vielmehr gut und stimmig zu einer künstlichen Plastikwelt, zum Lauten, zum Oberflächlichen, zur Verdichtung des Alltagsrummels im sogenannten Weihnachtsgeschäft. Mit der Weihnachtsbotschaft, mit dem christlichen Hintergrund, hat all das wirklich nichts mehr zu tun!
Wie anders dagegen beispielsweise all die zur Besinnung führenden, eine Entschleunigung unterstützenden und innere Wärme auslösenden Weihnachtslieder, wie wir sie aus unserer auf innere Werte gerichteten ursprünglichen Weihnachts-Tradition kennen. Nur einige möchte ich hier in Erinnerung rufen: Leise rieselt der Schnee (diese schöne Einstimmung auf eine als ruhig und besinnlich gedachte Weihnachtszeit, wenn auch das mit dem Schnee längst nicht mehr so gut funktioniert ...); Laßt uns froh und munter sein (dieses fröhlich gestimmte, durchaus eine authentische Lockerheit jenseits des auch gebotenen Ernstes vermittelnde Weise); O Tannenbaum, O Tannenbaum; Alle Jahre wieder; Es ist ein Ros' entsprungen; Ihr Kinderlein kommet; Süßer die Glocken nie klingen; Macht hoch die Tür, die Tor' macht weit!; O du fröhliche, o du selige (Weihnachtszeit); und besonders das wohl weltweit bekannteste deutsche Weihnachtslied "Stille Nacht, heilige Nacht".
Dieses "Stille Nacht, heilige Nacht" wurde übrigens von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Und dieses "immateriell" dürfte neben der hier vorgenommenen Klassifizierung in einem wohl eher nüchtern wirkendem Katalog eine darüber hinaus weiter reichende Bedeutung, einen noch wertvolleren Sinn entfalten, eben auch die Abwesenheit von Kommerz und Scheinheiligkeitsverrenkungen. Auch wenn sich bei diesem Lied bisweilen die "Geister" streiten, so die einen, welche es als Inbegriff von großem Kitsch sowohl in sprachlicher, musikalischer und auch religiöser Hinsicht sehen und bewerten gegenüber all den vielen anderen -- hier wohl eine überzeugende Mehrheit (wobei natürlich Mehrheit bekanntermaßen allein nicht schon immer ein Qualitätsmerkmal ausdrückt ...) --, die in dem Lied eine romatische Süße, den Ausdruck einer ländlichen Idylle sowie sicherlich eine Welt der Utopie, die genau das anspricht, was in und durch die Weihnachtsbotschaft ausgelöst und ersehnt wird: Frieden, Geborgenheit, gesunde Ruhe, Besinnlichkeit und Bescheidung, zuschreiben. Aber diese eher marginal wirksame Dichotomie in der Bewertung von "Stille Nacht, heilige Nacht" sehe ich eher als eine abstrakte Diskussion, denn längst ist Weihnachten -- auch weltweit -- ohne dieses Lied offensichtlich unvorstellbar geworden. Und der übergroße Erfolg dieses doch relativ alten und von großer Beständigkeit gekennzeichneten Liedes ist -- gerade vor dem Hintergrund der Weihnachtsbotschaft! -- leicht zu erklären.
Den Text des Liedes wurde 1816 von Joseph Mohr (Koadjutor / Hilfsgeistliche in Mariapfarr im damaligen Bezirk Lungau, heute Bundesland Salzburg) als Gedicht geschrieben. Das Gedicht aus den 1820er-Jahren besteht aus sechs Strophen. Mohr hat die eher nüchtern wirkende Geschichte des Lukas-Evangeliums überformt, den Rahmen bilden zwei Strophen, in denen das Geburtsgeschehen in Bethlehem geschildert wird, es ist die Rede vom "trauten heiligen Paar", das während "alles schläft" "einsam wacht", vom "holden Knaben im lockigen Haar", zuletzt werden dann auch die Hirten und die Hallelujah singenden Engel im Gedicht genannt. Dem geborenen Kind wird in der ersten Strophe zweimal ein "Schlafe in himmlischer Ruh!" gesungen, in der letzten wird dann betont "Jesus der Retter ist da!" Da liest / hört man in den Strophen von "Lieb' aus deinem göttlichen Mund", daß uns die rettende Stund' schlägt, es geht um "der Gnade Fülle", daß "sich heut alle Macht Väterlicher Liebe" ergoß und "als Bruder umschloß Jesus die Völker der Welt!". Auffallend im Gedicht auch diese Verbindung des Ereignisses im Stall von Bethlehem mit dem Alten Testament: "Als der Herr vom Grimme befreyt, In der Väter urgrauer Zeit, Aller Welt Schonung verhieß!" Und dieses Gedicht wurde dann von Franz Xaver Gruber (Dorfschullehrer und Organist) im Jahr 1818 vertont. Vielleicht wundern sich manche, daß die Melodie für Gitarre (und nicht, wie damals für Kirchenmusik üblich, für Orgel) geschrieben, auch dann mit Gitarre erstmals am 24. Dezember 1818 in der Schifferkirche St. Nikola zu Oberndorf bei Salzburg aufgeführt wurde. Was man in dem Lied sicherlich nicht findet: nicht ein Jota an Hinweis oder gar Aufforderung zu Konsum, zu Oberflächlichkeit, zu Tingel-Tangel-Gebaren, zu Heuchelei und Schönrednerei.
Das Lied entstand in einer Zeit, in der für weite Keise große Not, Krieg, Hunger, Krankheit und Naturkatastrophen herrschten. Dies betraf den damals von Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber überschaubaren "Großraum". Daß sich daraus die Sehnsucht nach Besserung der Verhältnisse ergab, ist sicherlich einleuchtend. Diese Sehnsucht beinhaltet sicherlich auch den Wunsch auf Erlösung von all dem Übel sowie nach Geborgenheit und Sicherheit. Und diese Botschaft strahlt das Lied zumindest in Bildern explizit aus, durch die einfache, einpräsame, von romantischen Einflüssen durchzogene Melodie werden diese Bilder noch verstärkt und durch gewiß auch fühlbare, implizite Botschaften erweitert -- durch auch eine sicherlich etwas auf Sentimentalität ausgerichtete Einbindung der Gefühlswelt ebenso. Und wer will das alles denn nicht, wer ersehnt sich das nicht, wer träumt nicht davon: von Frieden, Abwesenheit von Krieg, Freiheit, keine Unterdrückung, Eingebundensein in ein Größeres bei Beibehaltung von Individualität, innere Ruhe, Stille und Innehalten, Verkünden von Freude, Rettung vor Unbilden?! Auch in diesem Lied finden wir sie wieder: die eigentliche "Weihnachtsbotschaft"! Der heuer leider viel zu früh verstorbene Dirigent, fruchtbringende Geist und Umweltschützer Enoch zu Guttenberg hat einmal die Wirkung des Weihnachtsliedes "Stille Nacht, heilige Nacht" meiner Meinung nach sehr treffend beschrieben, als er sie auf dessen "Wahhaftigkeit" beruhend kennzeichnete. Dabei verwies er unter anderem auch auf die Begebenheit, als Freund und Feind im Ersten Weltkrieg zu Weihnachten kurz alle Feindseligkeiten einstellten und gemeinsam dieses "Stille Nacht, Heilige Nacht" zelebrierten. "Denken sie daran, daß sie (dieses Lied) in den Schützengräben gesungen und dabei geweint haben, weil sie eine Ahnung von Frieden empfanden." Eine Ahnung von Frieden, eine Ahnung von Menschlichkeit, eine Ahnung von Innehalten, eine Ahnung von Besinnung, eine Ahnung von Mitmenschlichkeit, eine Ahnung von Verantwortung -- all das möchte ich hier mit Blick auf dieses Lied ergänzen.
Was soll man denn aber noch davon halten, daß vor einem Fußballspiel im Stadium, wie unlängst geschehen, sozusagen einer auf "Weihnachten" gemacht wird, dort also die ganze Masse ein Weihnachtslied singt (oder trifft bereits zu: gröhlt?), und unmittelbar nach diesem "Absingen" (mehr dürfte es ja angesichts des Kontextes wirklich nicht sein ...) man wieder in das übliche Gegröhle und Gejohle, das offensichtlich bei derartigen Veranstaltungen längst unverzichtbar geworden zu sein scheint, verfällt? Hat das noch irgendetwas mit "Weihnachten" zu tun? Ist das nicht auch nur eine andere Form von Scheinheiligkeit und gepolter Massenhysterie fernab jeglicher Besinnlichkeit und Besinnung?
Hier wird ein eigentlich für andere Kontexte gedachtes Liedgut ähnlich funktionalisiert wie man es von den pseudoweihnachtlichen TV-Weihnachtsauftritten und diversen einschlägigen Shows aus der Unterhaltungsindustrie mit ihren seichten und schwulstigen Ausprägungen kennt. Das mag mit allem möglichen etwas zu tun haben, jedenfalls nichts mit "Weihnacht" und der durch sie getragenen Botschaften.
Ähnlich sehe ich auch all jene -- man wird sie auch dieses Jahr wieder getreu auch dem Motto "Alle Jahre wieder" erleben (sofern man nicht klugerweise entschieden ab- bzw. wegschaltet bzw. die entsprechenden Seiten in den Printmedien nicht aufschlägt!) --, die plötzlich ihr fiktives "lupenreines" Weihnachtsmäntelchen sich umhängen und mit einer Stimme, ähnlich der des im Märchen Kreide gefressen habenden Wolfes klingend, ihre Phrasen, Schwulstigkeiten sowie Leerformeln verkündend und sich dabei in Schönrednerei ergehend, in Position bringen und ihre Verkündungs- und Belehrungskaskaden an das Volk zu bringen versuchen. Natürlich funktioniert das in vielen Fällen auch. Leider. Vielleicht machen sich die meisten auch schon gar nicht mehr die Mühe, hinter jene Kulissen zu blicken, erleben das als ein Art unvermeidlicher Automatismus ... Wie kläglich und durchsichtig dabei auch die immer wieder zu beobachtenden
Versuche jener Verkünder beziehungsweise Reproduzierer, ihrer sonstigen aus dem Jahresalltag bekannten Körperhaltung, Gestik und Mimik entrinnen zu wollen, um dann eine Art von innerer Glaubwürdigkeit, Inbrunst und Feierlichkeit vorzuspielen. Sich sozusagen als Botschaftsverkünder oder Botschaftsverkünderinnen präsentieren. Wie offenkundig da doch allzu oft die Kluft zwischen Schein und Sein! Vielfach eher ein Jahrmarkt der Eitelkeit, gewiß aber nicht selten dieses So-tun-als-ob! Durchschaubar! Sofern man es durchschauen will, sich nicht (gerne) täuschen lassen möchte! Verräterisch durchaus die mit jenen Zeremonien gekoppelten Charaktermasken, ein Gesichtsausdruck in dem Güte, Gelassenheit, Zugewandtheit, Mitmenschlichkeit äußerlich sichtbar geronnen sind, jedoch dieser Zurschaustellung allzu häufig keine aäquate innere Substanz entspricht. Wie oft doch nur auch eines: die Erledigung einer tatsächlichen oder auch selbstsüchtig usurpierten Pflichtleistung! Trott der Wiederholung, was dies alles eher noch schlechter macht als es ohnehin schon ist! Befriedigung narzißtischer Bedürfnisse! All dies dann veranstaltet im Jubelchor aus Kreisen gleichgeschalteter (sich gewiß auch häufig gerne unterordnender!) intersubjektiver Übereinkunftsmarionetten. Wie in gewissen Kreisen oft auch Gestus, Habitus und Duktus als Ausdruck einer deformation professionelle! Das mag alles erklärbar sein, das mag alles auch ein Teil von gewachsener (allerdings dann aus meiner Sicht nicht positiv zu bewertender!) Kultur sein, das mag Hofierung fördern, das mag sicherlich auch so manchen Redenschreiber in Brot und Stellung halten -- mit Weihnachten hat es freilich nichts zu tun ... Es ist schon ein erheblicher Unterschied zwischen einer ehrlichen "Weihnachtsbotschaft" und dem weitverbreiteten Good-Will-Getue-Gesäusel, genau genommen sind das wirklich zwei völlig verschiedene Welten! Wer bei jenen genau hinhört und hinsieht, der wird leider sehr oft feststellen müssen, daß -- bei gezogener Zuversicht aus der Weihnachtsbotschaft -- die Wirklichkeit jener "Weihnachtsvertreter" und "Weihnachtsvertreterinnen" den Hoffnungen nicht standhält.
Wie wünschte ich mir da, daß jene von mir hier als "unweihnachtlich" Kritisierten, daß jene, die aus meiner Sicht "Weihnachten" zumindest oft bis hin zur Unkenntlichkeit verfremden oder gar mißbrauchen, einmal eine Läuterung erleben, wie sie Charles Dickens in seinem "A Christmas Carol" jenem Stooge, dem Protagonisten der Erzählung, widerfahren ließ. Aus einem eher mit "Kotzbrocken" richtig zu beschreibenden Menschen, für den alles nur Mittel zum Zweck für das eigene Wohlergehen war, dem er alles andere nur in ausbeuterischer (sowohl materieller als auch ideeller) Gesinnung unterordnete, vor allem auch die anderen Menschen, der also Egoismus und Oberflächlichkeit als Seinsmodus pflegte, der in Saturiertheit schwelgte, wurde durch die Konfrontation mit seinem eigenen möglichen Tod und durch drei ihm nacheinander begegnenden, ihm eine Art "Lebensspiegel" vorhaltenden, drei Geister ("the three Spirits"), es ihm dann möglich -- diese Umkehr zu einem fürderhin ehrlichen, verantwortungsvollen und um Nachhaltigkeit bemühten, liebenswürdigen und achtenswerten Zeitgenossen. Und was stellte er nach dieser erfolgten Läuterung unter anderem fest, als er wieder einmal seine altbekannten Wege beschritt: "He looked about in that very place for his own image; but another man stood in his accustomed corner, and though the clock pointed to his usual time of day for being there, he saw no likeness of himself among the multitudes that poured in through the Porch. It gave him little surprise, however; for he had been revolving in his mind a change of life, and thought and hoped he saw his new-born resolutions carried out in this." (Charles Dickens, A Christmas Carol, Walker Books London 2016; das Orginal wurde 1843 veröffentlicht) So mancher Zeitgenossin und so manchem Zeitgenossen möchte man so einen Einfluß von "Spirits" (oder ähnlich wirkender Kraft, woher dann auch immer zu verorten) wünschen, diese positive Wandlung, die Veränderung in ein authentisches, auf Wahrhaftigkeit gerichtetes Sein, auch mit dieser hehren Mischung von Erinnerung und kritischem Blickwinkel bezüglich des früheren falschen Weges. Sozusagen ein Fühlen von Unverständnis darüber, daß man einmal so gewesen ist, so gewesen sein konnte ... Dies dann jedoch mit einem von Einsicht gestützten Weg in eine andere, eine bessere Gestaltung der eigenen Lebenswegstrecke. In der Art wie Dickens sie eben Stooge in seiner Weihnachsgeschichte zugeschrieben hat. Und nach all seiner inneren als auch äußeren Umkehr kommt Stooge für sich selbst zu der Erkenntnis: "I will honour Christmas in my heart, and try to keep it all the year. I will live in the Past, the Present, and the Future. The Spirits of all Three shall strive within me. I will not shut out the lessons that they teach. (...)!" (S. 144)
So mag die Weihnachtsbotschaft mit all ihren durchaus greifbaren Vorstellungen auf eine bessere Welt und eine konstruktive Gemeinsamkeit in Verantwortung für das Gesamt von Welt, also vor allem auch für eine "gesunde" Natur, die Leben überhaupt erst möglich macht, wirksam werden. Dies erfordert notwendigerweise Einsicht und Verantwortung. Die Verlagerung oder der Versuch einer Delegierung auf transzendentale Konstrukte dürfte wenig hilfreich sein, allenfalls jenen aus psychologischen Gründen dienstbar werden, die mit dem Gefühl bezeihungsweise Wissen um Endlichkeit nicht leben und umgehen können; will man die "Weihnachtsbotschaft" wirklich umsetzen, oder zumindest den Versuch dazu wagen, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als selbst tätig zu werden! Hierzu gehört sicherlich auch: sich nicht täuschen zu lassen, die Suche nach Wahrheiten nicht behindern sondern aktiv zu betreiben und zu unterstützen. In diesem Sinn wünche ich allen eine besinnliche, fröhliche Weihnachtszeit, den "hellen" Umgang mit den "dunklen" Wirkmächten und ein gesundes Neues Jahr 2019!
Das Weihnachtsgedicht 2018:
In dem Gefilden der Überflüssigkeiten
(hic et nunc!)
Gott sei längst tot, läßt Nietzsche seinen Zarathustra tönen,
Es habe ihn überhaupt nie gegeben, ereifert sich der Atheist:
Und gerät darob in erbitterten Streit mit seinen Widersachern
In Kriegen bis zur völligen Unkenntlichkeit zerfetzte Leiber,
Von Unfällen zerteiltes Fleisch, Ende ehemaliger Körperlichkeit,
Von bösartiger Krankheit systematisch zerfressene Eingeweide;
Oder durch glückliche Umstände, von Zufällen letztlich geleitet,
Still und sanft eingeschlafen und tief versunken in ein Nichts:
Versuch in Logik: von Asche zu Asche und Staub zu Staub.
Vor alledem die Phantasie auf eine Wiederauferstehung
In ein Paradies mit Glanz und Gloria sich denken (können)?
In all den Wirrungen, Irrungen und Herausforderungen
von Alltäglichkeiten eine ferne, schützende Hand wähnen?
Den Gedanken an die höhere Macht, die lenkt und schützt?
Die einen bewahrt und sich dort aufgehoben fühlen läßt?
Die gedachte ferne Kraft im Abbild verdichteter Herrschaft
auf Erden und sehr irdischer Macht in bunter Herrschaft:
Feierlichkeitstreiben, Wörtergetöse, Sprachspielereien,
Buntheit der Zeremonienmeister als Vertrauensakrobatik?
Wie auch immer, jedenfalls für Zweifel eine solide Basis,
Gedanken an Verdrängungsstrategien, an Projektionen ...
Wie sinnlos und überflüssig all jene Betriebsamkeiten ...
Wirklich Seelenbalsam? Nachhaltigkeit? Trost? Hoffnung?
Verschlungene Pfade, um der Wirklichkeit zu entfliehen –
Augen und Sinne auf das Unerreichbare richten, starren
In eine gedachte Ewigkeit, Entropie leugnen und Spiele
Einer auf Träumerei ruhenden Monotonie? Leere. Öde.
Warum jedoch nicht die zarte Pflanze aus Botschaft und
Mahnung, als Wegweisung für Irdisches hegen, pflegen?
Und jenen Trost lassen, die sich dem So-tun-als-ob hingeben,
Die diese Brüchigkeit des Halts als festen Felsen erleben!
Aus jeweiliger Märchenhaftigkeit stets das für sich selbst
Nützliche ziehen, Leben in Verantwortung und Toleranz!
Dabei Machtgelüste in stets gebotene Schranken weisen,
Übertreibungen anprangern! Keines jener falschen Gelüste!
Keinen Beifall – weder diesen noch jenen. Einfach : leben!
(Fagusarua 21.12.2018)
... und (fast) alle Jahre wieder: am 24. Dezember in und um Hopfen am See ... (Obwohl dort längst leider alle Schwäne vertrieben wurden!)
Und nun noch eine kleine Nachlese zu Weihnachten 2018: (veröffentlicht am 02. Januar 2019)
Nun konnte man sie wieder hören, all die so schön (aber auch klug, aber auch ehrlich?) klingenden Weihnachtsansprachen. So viele fühlten sich in ihrer jeweils eigenen Sicht kompetent, der Bevölkerung Wesentliches zum Weihnachtsfest zu verkünden. Aus vielerlei Ecken und Enden konnte man da Bedeutsames, weniger Bedeutsames, aber auch eher Nichtssagendes vernehmen, es dann ja nach persönlicher Exegese und Empfindung auf- und übernehmen beziehungsweise aus dann gutem Grunde verwerfen. Aber das ist ja das Schöne an der Vielfalt: man kann vergleichen, man kann hinterfragen, man kann die (hier. die weihnachtliche) Spreu vom Weizen trennen, ja: man kann und sollte vor allem eines -- sich seine eigenen Gedanken zu alledem machen. Auffallend dürfte sicherlich einmal mehr sein: Das Weihnachtsfest wird leider einmal mehr auch mit viel Plattitüden, Phrasen und vor allem auch mit Oberflächlichkeit begleitet. Daß dabei der eigentliche Kern so eines Festes häufig auf der Strecke bleibt, dürfte einsichtig sein. Vielleicht wird Weihnachten bisweilen auch einfach nur benutzt, um eigenen Zwecken zu entsprechen, eigene Ideologien zu transportieren und sie gerade auf dem Boden der Besinnlichkeit als unangreifbar zu verkaufen. Wohl all jenen, die nicht dieser Versuchung erliegen, die stets im Kopf und im Herzen den Gedanken um die Suche nach Wahrheit und Tiefgang hegen (können).
Meine Sicht zur Weihnachtsansprache der Bundespräsidenten:
Da war einmal die des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (wir erinnern uns noch zu seiner früheren Kandidaturzeit für die SPD wollte er den zweiten Vornamen beiseite lassen, weil das eben zu lang war; aber schnell wurde dieses Vorhaben Opfer der Beständigkeit ...). Wie richtig er doch liegt, wenn er vor den politischen Gefahren der Verrohung der Sitten warnt und fordert, den stets notwendigen Kompromiss als Stärke anzusehen. Er erinnere daran, daß der Wille und die Fähigkeit zu Kompromissen Grundlage der Demokratie seien. Wörtlich: "Einen Kompromiss zu finden, ist keine Schwäche", es sei eine Stärke der Demokratie. Er appellierte an die Bürger des Landes, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen, um gemeinsam eine drohende Spaltung der Gesellschaft zu verhindern: "Lassen Sie uns dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft mit sich im Gespräch bleibt." Was passiere, wenn Gesellschaften auseinanderdrifteten, könne man in vielen Ländern beobachten: "Wir haben brennende Barrikaden in Paris erlebt, tiefe politische Gräben in den USA, Sorgen in Großbritannien vor dem Brexit, Zerreißproben für Europa in Ungarn, Italien und anderswo." Auch Deutschland sei gegen solche Entwicklungen nicht geschützt, es gebe auch hier im Lande Ungewissheit, Ängste und Wut. All dies mache, so der Bundespräsident, das Gespräch und die Suche nach Kompromissen wichtig. Dahingehend gebe es aber Mängel im Gefüge der Bundesrepublik. Und er klagt: "Ich habe den Eindruck, wir Deutsche sprechen immer seltener miteinander. Und noch seltener hören wir einander zu. Wo immer man hinschaut, erst recht in den sozialen Medien: Da wird gegiftet, da ist Lärm und tägliche Empörung." So empfiehlt der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nun: Wir müssen wieder mehr lernen, zu streiten, ohne Schaum vorm Mund, und lernen, unsere Unterschiede auszuhalten. Wer Streit hat, kann sich auch wieder zusammenraufen." In diesem Sinne wünschte er all seinen Landsleuten zu Weihnachten alles Gute und sprach deutlich auch seinen Weihnachtswunsch aus: "Sprechen Sie mit Menschen, die nicht Ihrer Meinung sind! Sprechen Sie ganz bewusst mal mit jemandem, über den Sie vielleicht schon eine Meinung haben, mit dem sie aber sonst kein Wort gewechselt hätten."
Klingt alles gut! Aber auch glaubwürdig? Aus meiner Sicht: eher Nein. Warum hat er diese Erkenntnis nicht all die Jahre zuvor, in der diesem Weihnachten 2018 vorangehender Zeit, vor allem auch seinen ihm sehr nahestehenden Mitstreitern nahegelegt und vor allem auch: abverlangt. Warum hat denn -- trotz derartig hehrer Einsichten -- die Programmatik einer Politischen Korrektheit sich immer mehr ausgebreitet? Weshalb findet statt mehr immer weniger Debatte mit allen Teilen der Bevölkerung statt? Warum geben sich so einige Zirkel und -- nicht nur poliitische -- Platzhirschen so sakrosankt? Hat der Bundespräsident denn sich nicht einmal das Gesprächsverhalten vieler Etablierter in diversen Talkshows und anderen öffentlichen Auftritten zu Gemüte geführt?
Es gäbe viele Felder, auf denen man ergründen könnte, was denn Ursache, was Wirkung, was Festigung und "Vervollkommnung" bestehender Auseinandersetzungmodi ist. Leider gehen gerade nicht diejenigen, welche gehörige Definitionsmacht im Staate haben, entsprechende den in Steinmeiers Weihnachtsbotschaft geforderten Inhalten und Werten um. Wenn der Bundespräsident meint, "Mehr noch als der Lärm von manchen besorgt mich das Schweigen von vielen anderen.", dann möchte ich ihm da gerne zustimmen, gleichwohl sollte er sich auch diesbezüglich einmal intensiv fragen, was denn die Ursachen für dieses -- leider auf die Masse bezogen auch zunehmende -- Schweigen "von vielen anderen" ist! Und die Antwort auf diese Frage dürfte unmittelbar an unserer sehr miesen Auseinandersetzungsweisen rühren, sie dürfte vor allem auch sehr deutlich aufzeigen, wie endlos weit wir von dem Ideal eines herrschaftsfreien Diskurses wir (noch) entfernt sind! Auf der einen Seite diejenigen, die sich anmaßen, den Stein der Weisen zu besitzen und die "richtigen" Antworten (längst, wohl auch dauerhaft ...) gefunden zu haben, auf der anderen dann jene, die wegen ihrer (als "falsch" deklatrierten) abweichenden Meinungen angefeindet, beleidigt oder gar völlig ausgegrenzt werden. Hier fallen immer wieder die Vertreter etablierter Parteien, zahlreiche Wissenschaftler (die dann im Umgang mit anderen Meinungen dann jedoch überhaupt keinen wissenschaftsgerechten Umgang pflegen, von Falsifikationsverfahren offensichtlich keine Kenntnis haben oder mit ihnen auf Kriegsfuß stehen), aber auch einige hohe Würdenträger aus dem religiösen Bereich (denen das Prinzip der Säkularisation anscheinend so gar nicht gefallen mag) auf. Daß dabei auch manche Medienschaffenden auf dogmatische Weise mitmischen, von blödsinnigen Stammtischlern und ihrem Gefolge einmal ganz abgesehen, macht die Realisierung der Bundespräsidenten-Weihnachtswünsche nicht gerade einfacher, ganz im Gegenteil: rückt sie in weite Ferne.
Ja, es ist unbestreitbar richtig, daß man gerade mit den Menschen, die eine andere Meinung haben, sprechen muß. Ebenso einsichtig ist, daß eine Demokratie vor allem auch die Fähigkeit zum Kompromiss sowohl als Stärke als auch als notwendige Bedingung für ihre Existenz kennzeichnen muß. Also nochmals die Frage: Warum arbeiten diejenigen, die es vorgeblich so wünschen und vorbildhaft umsetzen könnten, nicht mit deutlicher Vehemenz daran? Ich wiederhole hier seine Worte (Wörter?): "Lassen Sie uns dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft mit sich im Gespräch bleibt!" Bleibt? Ich denke, man muß eher erst einmal dafür sorgen, daß diese Gespräche überhaupt wieder stattfinden! Natürlich, Herr Bundespräsident, es stimmt schon: "Unsere Demokratie ist immer so stark, wie wir sie machen. Sie baut darauf, dass wir unsere Meinung sagen, für unsere Interessen streiten. Und sie setzt uns der ständigen Gefahr aus, dass auch der andere (Sic! d.V.) mal Recht haben könnte." Und wer über den Blick ins Ausland feststellt, daß es auch hierzulande "Wut" gebe, der darf dafür ruhig erst einmal nach den eigentlichen Ursachen suchen und diese anschließend benennen. Das mag in einer Weihnachtsbotschaft vielleicht bei einigen nicht ganz so gut ankommen, vor allem nicht bei jenen, die sich hier auf bisweilen geradezu abenteuerliche Garantien und Verfestigungen aus dem transzendalen Bereich berufen und das eigene Lebensfundament und das ihrer Gefolgsleute auf diesen wunschgenerierten Fundamenten verankern, in zahlreichen Bereichen wie selbstverständlich verbunden mit einem Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Ausschließlichkeit, was "Recht haben" angeht.
Aber gerade weil es um die Suche nach Wahrhaftigkeit, nach Wahrheit, nach einem von Kompormissen getragenen Miteinander geht, wäre eine solche Positionierung beim Verkünden von Botschaften und Maximen sehr angebracht. Ja, wie gerne folge ich ihm da (obwohl ich dafür längst schon keine Anregung mehr brauche!): "Sprchen Sie ganz bewusst mal mit jemandem, über den Sie vielleicht schon eine Meinung haben, mit dem Sie aber sonst kein Wort gewechselt hätten!" Ja, denn nur so kann man dazulernen, die eigene Position überprüfen, sich eine gewisse Offenheit und Sachlichkeit erhalten, auch Empathie nähren. Und es dürften wohl (fast) alle bei diesem Vorschlag in der Botschaft des Bundespräsidenten zustimmen; am meisten allerdings wohl auch viele aus jenen Kreisen, die seit Jahr und Tag genau diese Maxime unterwandern und in ihr Gegenteil verkehren und weiter bei ihrer ureigenen Tagesordnung bleiben ...
Hat Frank-Walter Steinmeier seine Erkenntnis, wonach wir "immer seltener miteinander" sprächen, gekoppelt mit der Beobachtung "Und noch seltener hören wir einander zu.", vielleicht -- neben zusätzlichen anderen Quellen -- aus seiner SPD-Heimat gewonnen? Möglich wäre es ja gewesen. Warum dann nicht schon längst entsprechende Verhaltensveränderung in jenen Kreisen? Diese Frage muß gestellt werden! (Die CDU, die CSU, die FDP, die Grünen vor allem auch, aber auch die sich so plötzlich als Alternative verstehende AfD sollten ob meiner Einlassung jetzt freilich nicht frohlocken ...; sie sind da nicht besser, allenfalls gibt es graduelle Unterschiede, leider nur die.) Und wie Recht er doch hat: "Sprachlosigkeit heißt Stillstand." Und weitgehenden Stillstand bzw. Rückschritt (in den Formen der Auseinandersetzung!) erleben wir doch genau genommen seit Jahren! Zumindest auf den Gebieten, wo Nachhaltigkeit, Besorgnis um die Entwicklung der Natur, erforderliche Bescheidenheit, all die vielen falschen Allmachtsphantasien und Diskussionskultur und umfassendes Verantwortungsbewußtsein als für Humanität wesentliche Bestandteile ernsthaft zu bewältigen wären.
Wo waren bei all diesen vagen Bundespräsidenten-Aussagen Hinweise oder gar Warnungen auf die Brüchigkeit von Schlagwörtern wie "Industrie 4.0" o.ä., Wörter die überwiegend Inhaltsleere transportieren denn strukturierte Aussagen mit allem Für und Wider ansprechen? Wo waren da differenzierende Aspekte, was Begriffe wie "Empörung", "Gaststatus", "Zusammenhalt", "Toleranz" (diese nur gegenüber jenem, was sich dazu privilegiert fühlende Gruppierungen ab- und auszugrenzen anmaßt?), wie steht es um -- berechtigte oder unberechtigte -- Furchtaspekte und Ängste (erstere freilich relativ gut konkretisierbar, letztere bleiben überwiegend weniger greifbar, weil häufig eher archetypisch verankert, gleichwohl jedoch sehr virulent!) und vielen anderen Wörtern, mit denen so gerne schlagwortartig umsich geworfen wird?
Warum kein Wort zu "Rüstung", zum auf diese ausgerichteten Gewinnstreben und dem im gleichen Atemzug genannten Totschlagargument Arbeitslosigkeit in der Rüstungsindustrie? Ist es so schwer, zu sehen, daß gerade auch Elend in Teilen der Welt und Migrationsproblematik durch Rüstungsexporte verstärkt oder gar erst hervorgerufen werden? Will man die Bevölkerung hierzulande damit nicht gerne konfrontieren? Soll der Eindruck bestehen bleiben, einige Probleme fielen nur so vom Himmel und haben keine hausgemachten Ursachen?
Warum kein Wort zum Verhältnis gegenüber dem "Weltpolizisten" USA? Trump selbst hat ja bei seinen Truppenbesuchen im Irak und in Deutschland im Dezember 2018 erklärt, die USA würden nicht länger den "Weltpolizisten" zum angeblichen (in einigen Fällen sicherlich auch: tatsächlichen) Nutzen anderer spielen. Es wäre durchaus angebracht, hier einmal etwas differenzierend zu urteilen und dies gerade in einer Weihnachtsansprache deutlich zu machen. Vor allem: Welchen Anteil hat amerikanisches Eingreifen im Nahen Osten und in (Nord-)Afrika daran, daß die Situationen derart eskalieren konnten?
Fragen über Fragen, die man hätte stellen können, Probleme die man hätte ansprechen können (und müssen), aber letztlich blieb es aus meiner Sicht eher bei einer vagen und "weihnachtlich verorteten" Ansammlung von Unverbindlichkeiten. Wer sich darüber beklagt, es werde zu wenig miteinander gesprochen, man würde zu wenig zuhören, es fehlten Respekt und Achtung vor anderen und anderer Meinung, der sollte sich schon bemüßigt fühlen, hier konkretere Aussagen zu liefern. Zum Beispiel diese: Was ist das eigentlich, Diskurs, was sind dessen notwendigen und hinreichenden Bedingungen, warum wird der Begriff derzeit so mißbräuchlich und gänzlich falsch, damit die Öffentlichkeit über dessen Inhaltlichkeit täuschend, verwendet?
Wer darauf keine Antworten geben kann oder will, der läuft Gefahr, nicht ernst genommen zu werden. Ich sehe die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten und die Reden von so manchen Kanzeln wirklich nicht als zielführend an, ist man an einer tiefen Verständigung innerhalb der Gesamtgesellschaft interessiert. Mir fehlt hier die fundamentale Basis.
Auf Wunschphantasien aber auch auf rein glaubensbezogener Herkunftsableitung von Postulaten läßt sich nichts Überzeugendes und Griffiges anbieten! "So sehr wir uns über andere ärgern oder sie uns gleich wegwünschen, eines gilt auch morgen noch: Wir alle gehören zu diesem Land -- unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe, von Lebensanschauungen oder Lieblingsmannschaft." Kann man das wirklich so allgemein(gültig) verankern? Daß es viel schwieriger ist -- darauf weist vor allem auch der doch eher populistisch und recht oberflächlich zu verstehende und eher populistisch wirkende Hinweis einer Verbundenheit mittels "Lieblingsmannschaft" hin --, wird in dieser Aussage wirklich nicht offenbart. Nein, es gibt sicherlich auch "Lebensanschauungen", die man durchaus etwas kritischer würdigen sollte und auch darf, vor allem vor dem HIntergrund unserer Rechtsordnung, erfolgter Sozialisation und Enkulturation.
Aber über all diese Schwierigkeit wird hierzulande lieber nicht gesprochen, die kehrt man offensichtlich einfacher unter den sprichwörtlichen Teppich und diffamiert zudem auch dann noch jene, die eine umfassendere Betrachtung von Problemlagen fordern. Ja, man kann so verfahren (und daß dies so geht, wird -- trotz vielfacher Ungereimtheiten! -- immer wieder bewiesen), darf sich aber dann nicht wundern, daß innerhalb der Gesellschaft eine Spaltung entsteht, daß sicherlich kritisierwürdige Begriffe wie "Gutmensch" und "Lügenpresse" entstehen und Verbreitung finden. Auch wer heute auf die (von mir in weiten Zügen überhaupt nicht geschätzten!) AfD einhaut, deren Politiker in toto in einen Sack haut, der oder die sollte zunächst einmal sich erinnern, wer und was zum Entstehen dieser AfD überhaupt maßgeblich beigetragen hat! Es war nämlich das, was der Bundespräsident heute -- leider viel zu spät -- kritisiert: das Nichtzuhören, die Sprachlosigkeit, die fehlende Achtung vor anderer Meinung oder zumindest die offene Bereitschaft, sich mit dieser diskursiv (und nicht nur demagogisch polternd!) auseinanderzusetzen!
Viel zu viele, vor allem im Lande politisch Maßgebliche haben nämlich zunächst damals das getan, was zu Recht kritisiert wird: "gegiftet", mit "Schaum vor dem Mund" sich empört, es wurde nicht zugehört, nicht richtig hingehört, und von Streitkultur keinerlei Spur und letztlich dies alles mit dem Ergebnis von "Stillstand" als Folge von "Sprachlosigkeit". Und da marschierten viele aus Politik, Medien, Kirchen und anderen sozialen Gruppierungen Hand in Hand, gemeinsam hin in Richtung: Ignorieren und gar Leugnung von Problemlagen mit der Folge von Spaltung ... Mit einer bzw. mit dieser Weihnachtsbotschaft wird man da wohl keine Besserung der Verhältnisse erreichen können. Leider.
Eine andere (und weitere) Kritik an Steinmeiers Weihnachtsbotschaft:
Eine sicherlich noch kritischere Bewertung dieser Steinmeierschen Weihnachtsbotschaft liefert TICHYS EINBLICK vom 25. Dezember 2018: "Rechthaber unterm Tannenbaum. Die Qual zum Fest: Weihnachtsansprache von Frank-Walter Steinmeier." Hier wird die gesehene Widersprüchlichkeit gleich zu Beginn sehr deutlich: "Der Präsident als erster Gesprächsverweigerer im Lande bittet uns, den Versuch zu unternehmen, an Weihnachten jene Debatten unterm Tannenbau zu führen, den seinesgleichen seit Jahren verweigert? Es klingt nach Rechthaberei unterm Tannenbaum."
Auch hier wird die Diskrepanz von Behauptung und Wirklichkeit angeprangert, dies mit dem süffisanten Vorwurf, als führe uns der Bundespräsident vor, wir würden "an einer 2018-Amnesie leiden", wenn er sein Wirklichkeitsverständnis uns mit einem "Ich finde: Wie gut, dass wir diskutieren; wie gut, dass wir miteinander reden! Wenn ich mir für unser Land eins wünschen darf, dann: mehr davon!" näherzubringen versucht. Dagegen hält TE (TICHYS EINBLICK) eine andere Sichtweise: "Nein, kein Husarenstück (diese Rede, d.V.), einfach eine Frechheit angesichts eines weiteren politischen Jahres, das uns hier bei TE erneut Artikel um Artikel dazu genötigt hat, eine Gesprächsverweigerung, eine Despektierlichkeit, eine Diffamierung und eine Diskreditierung nach der anderen anzuzeigen, indem wir darüber sprachen, indem wir aussprachen, was die Steinmeiers dieser Republik in alter Beharrlichkeit und bekannter Sturheit und Selbstherrlichkeit verweigert haben. Aber gut, von der bundespräsidialen Kanzel herab ist gut unken."
Steinmeiers Aufforderung zum Gespräch wird von TE als "Finte" bezeichnet, denn "was Steinmeier wirklich sagen, wozu er einen Teil der Deutschen ermuntern wollte, wenn man nicht aufhetzen sagen mag, ist sich einzureihen in die Front jener, die anderen den Mund verbieten wollen, indem sie sie zu „Rechtspopulisten“ und „Nazis“ machen: „Und mehr noch als der Lärm von manchen besorgt mich das Schweigen von vielen anderen.“ Das kann man durchaus so sehen, denn bereits durch die Pauschalisierung des "Lärm von manchen" einerseits und "das Schweigen von vielen anderen" zeigt sich allein schon wegen faktischer Praktikabilität eine Dichotomisierung: die Lauten sollen gefälligst bei und unter sich bleiben und die Schweigenden haben tunlichst gegen diese Position zu beziehen.
Nochmals, man kann es so sehen, dann darf man jedoch nicht davon ausgehen, daß eine vor diesem Hintergrund erhobene Forderung gar nach einem wirklichen Diskurs ernst zu nehmen ist. So manchen dürfte sich da sogar der Begriff von (beabsichtigter oder unbeabsichtigter) Pharisäerhaftigkeit aufdrängen. Und TE ist der Ansicht, daß es "kaum heuchlerischer" gehe, "wenn uns Steinmeier noch dazu im Sound der Weihnachtsbotschaft bittet": "Das ist das Schöne und das Anstrengende an der Demokratie zugleich. Wir müssen wieder lernen, zu streiten, ohne Schaum vorm Mund, und lernen, unsere Unterschiede auszuhalten. Wer Streit hat, kann sich auch wieder zusammenraufen. Das kennen wir von Weihnachten mit der Familie. Aber wer gar nicht spricht und erst recht nicht zuhört, kommt Lösungen kein Stück näher. Sprachlosigkeit heißt Stillstand." TE verweist da auf eine jüngste Hart-aber-Fair-Sendung, in dem der aus dem Iran stammende Moderator Michel Abdollahi äußerte, er spreche nur mit Leuten mit anderen Meinungen, wenn er das Gefühl hat, "die argumentativ zurückzubekommen". Und so stehe es auch um Frank-Walter Steinmeier: " Er hat einfach über die letzten Jahre hinweg die Wucht der Gegenmacht analysiert und möchte nun nicht etwa darauf einwirken, dass die Politik ihre Verselbstständigung aufgibt, nein, er möchte den Bürger einspannen, gegen den Bürger vorzugehen, ihn argumentativ zurückzuholen. Ein verbaler Bürgerkrieg unterm Tannenbaum. Aber mit welchen Argumenten befeuert? Die Argumente sind längst ausgetauscht. Nun müsste gemäß der dialektischen Auseinandersetzung aus These und Antithese die Synthese folgen. Wenn aber die These als reine linke Lehre zur Synthese werden soll, wird’s eng in Deutschland." Womit letztlich auf den tatsächlich vorherrschenden "Diskurs" (wohlgemerkt: es ist natürlich aufgrund dieser Grundlagen keiner, sondern bestenfalls "Gerede um Rechthaberei"!) mit linksideologisch orientierter Sicht- und Bewertungsweisen abgehoben wird. Und das ist natürlich das Gegenteil des von Steinmeier rein verbal verlangtem Bemühen um Objektivität in der (geistigen) Auseinandersetzung.
Hier hätte er, wollte er ein Mißverständnis hinsichtlich einseitiger Sichtweise vermeiden, deutlicher und vor allem akzentuierter formulieren müssen. Nicht überraschend, daß vor dem Hintergrund aller Ungereimtheiten TE zu folgendem Fazit kommt: "(...) der Dissens , der große Graben verläuft zwischen den Leuten und jenen, die sie regieren, zwischen den Bürgern und einer politischen Kaste, der hier Steinmeier in seiner Weihnachtsansprache erneut auf entlarvende Weise eine Stimme gegeben hat. (...) Ach was, aber was hindert den Bundespräsidenten daran, die Ursachen einmal ungeschminkt zu benennen? Was auf den Straßen und in den Ämtern passiert, ist doch längst bekannt! (...) Der Bundespräsident erdreistet sich allen Ernstes uns zu bitten, den Versuch zu unternehmen, an Weihnachten jene Debatten unterm Tannenbaum zu führen, den seinesgleichen uns seit Jahren verweigert? Sein Wunsch: „Und vielleicht ist all das auch ein Thema bei Ihnen heute Abend zuhause.“ Und hier erscheint dann selbst ein oberflächlich als sehr guter Wunsch betrachtetes "Ich bin zuversichtlich für das, was kommt im nächsten Jahr." seitens Frank-Walter Steinmeier dem Kommenatort von TE gar nicht mehr so unverfänglich und harmlos: "Und wir dürfen es niemandem übel nehmen, der findet, das klingt wie eine Bedrohung dessen, was uns wertvoll ist und uns wertvoll bleiben soll. Frohe Weihnachten all jenen, die widerstehen, die sich wehren, die sich energisch zur Wehr setzen auch gegen einen Blödsinn von höchster Stelle als Weihnachtsbotschaft verkauft."
(Anmerkungen: Hervorhebungen durch Fettdruck und Unterstrreichungen sofern nicht anders vermerkt jeweils durch mich. Dies gilt für alle Texte auf dieser Seite.)
Meine Sicht zur Weihnachtsansprache von kirchlicher Seite:
Laut "tagesschau.de" vom 24.12.2018 warnte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, vor dem Einzug einer "menschlichen Kälte", die "durch bestimmte rechtspopulistische Bewegungen, die ganze Gruppen pauschal abwerten" gefördert würden. Dabei vertrage sich "die christliche Kraft der Toleranz, der Liebe und der Überzeugung, dass jeder Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen sei", nicht mit dem Rechtspopulismus. (So Bedford-Strohm gegenüber dem "Mannheimer Morgen") Er folgert weiter: "Deshalb sind viele seiner Anhänger besonders kirchenkritisch. Das bedeutet aber auch, dass man gegenüber Auffassungen, die die Intoleranz zum Programm machen, klare Kante zeigen muss." Weihnachten sei nach Bedford-Strohm ein Wunder, mit dem Gott "einer Welt, in der es so viele Kriegserklärungen gibt, ein für alle Mal die Liebe erklärt". Und dann auch noch dies: die "Ungeheuerlichkeit der Botschaft" sei "schwer zu fassen. (...) Die Menschen, die auf das Christuskind in der Grippe treffen, können nicht anders, als sich demütig verneigen vor dem Geheimnisvollen".
Laut Pressestelle der EKD (Carsten Splitt) von 22. Dezember 2017 wird Bischof Bedford-Strohm vormittags am Heiligen Abend den Kälteschutz der Stadt München besuchen. Betreut wird dieses Zentrum vom Evangelischen Hilfswerk (Tochtergesellschaft der Inneren Mission München). Dieses Kältschutz-Programm "wendet sich primär an obdachlose Zuwanderer aus dem ost- und südosteuropäischen Raum, die sich in der Stadt aufhalten, ist aber nicht auf diese Gruppen beschränkt. Ziel ist: Niemand soll in München auf der Straße erfrieren." (ebd.) Die Pressestelle teilt in diesem Zusammenhang mit, daß Bedford-Strohm die Weihnachtsfreude als "die stärkste Medizin gegen den Virus des Nationalismus, der Fremdenfeindlichkeit und des religiösen Fanatismus" bezeichnet. (ebd.) Der evangelische Landesbischof wörtlich: "Weihnachten ist das Fest der Liebe. In Jesus kam Gott als Mensch in die Welt. Er wurde geboren in einer Krippe in Bethlehem. Jesus war Jude, aber seine Botschaft von Gottes Liebe hat alle Ländergrenzen übersprungen. Denn Gottes Liebe gilt jedem Menschen auf dieser Erde. Darum ist der christliche Glaube eine große Bewegung der Humanität und der Hoffnung. Gott wird Mensch. Er wird nicht zuerst Deutscher, Amerikaner, Russe oder Chinese. Er wird einfach nur Mensch. Und legt damit den Keim zu einer Revolution der Menschenliebe, der größten Revolution, die die Welt je gesehen hat. Die Weihnachtsfreude in so vielen Ländern der Erde, die von dieser Revolution der Menschenliebe zeugt, ist die stärkste Medizin gegen den Virus des Nationalismus, der Fremdenfeindlichkeit und des religiösen Fanatismus, mit dem wir es gegenwärtig zu tun haben." (ebd.)
Kirsten Fehrs, evangelische Bischöfin in Hamburg, betont eine integrierende Kraft des Weihnachtsfestes und berichtet, sie erlebe immer wieder, dass sich Einwanderer und Flüchtlinge von der Weihnachtsfreude anstecken ließen und meint wörtlich: "Vielleicht ist Weihnachten sogar das integrativste Fest überhaupt, das wir haben".
Da ergeben sich für mich viele kritische Fragen, die sich vor allem auf die Stimmigkeit all dieser angeblichen oder tatsächlichen Frohbotschaften beziehen. Den reinen Glaubensbezug vieler seiner Aussagen werde ich an dieser Stelle nicht näher kritisch betrachten (so das "Wissen", Gott sei Mensch geworden, "Gottes Liebe" habe alle Ländergrenzen übersprungen, den "Keim zu einer Revolution der Menschenliebe", "stärkste Medizin gegen den Virus des Nationalismus und des religiösen Fanatismus" -- also einige Werte, denen man sicherlich zustimmen kann, deren behauptete oder an- bzw. eingenommene Basis freilich einer ideologiekritischen Untersuchung offenstehen muß).
Aber einige Punkte bedürfen aus meiner Sicht sehr wohl gerade im Zusammenhang mit einer Weihnachtsbotschaft besonderer kritischer Beachtung. Wenn Bedford-Strohm vor "menschlicher Kälte" warnt, dann ist ihm da sicherlich zuzustimmen. Wer will sie denn schon -- jene menschliche Kälte. Ist es aber nicht auch bereits ein Akt menschlicher Kälte, wenn man pauschal und überhaupt nicht konkret den Begriff "rechtspopulistische Bewegungen" verwendet und ihn so in die Öffentlichkeit wirft? Es fehlt hier nämlich dann an Trennschärfe, womit wieder jeglicher Beliebigkeit der Auslegung, damit auch der Hatz und Diffamierung Tür und Tor geöffnet werden. Herr Bedford-Strohm täte besser daran, konkret Roß und Reiter zu nennen, damit auch seine Ansicht zu konkretisieren, welche Art von Fragen und Kritik er als zulässig erachtet, ohne daß sie sogleich von irgendwelchen Interessenlagen wieder als "rechtslastig" oder anderweitig als inopportun gesehen werden kann.
Oder kurz: Ist Bedford-Strohm für wirkliche Diskurs bzw. unterstützt er die Entwicklung zur Diskursfähigkeit (bitte im eigentlich Sinn der Begriffsdefinition "Diskurs" verstehen und nicht in dessen mißbräuchlicher, somit falscher Verwendung mit der euphemistischen Umschreibung von Oberflächlichkeit und Geschwätzigkeit!) oder steht er auf dem Boden all jener, die Politische Korrektheit als einzig zulässige Gesprächsgrundlage pflegen und vorantreiben? Eine Antwort auf derartige Problemlagen hätte mich interessiert. Mit Rundumschlägen und vagen (An-)Deutungen kann man als kritischer Mensch wenig bis hin zu gar nichts anfangen. Glaubt Bedford-Strohm eigentlich wirklich, daß es sehr häufig nur die christliche Werte und Vorgaben sind, welche Menschen als "besonders kirchenkritisch" erscheinen lassen.
Vielleicht resultiert die kirchenkritische Einstellung ja einfach aus der Tatsache, daß die für eine säkulare Gesellschaft notwendige klare Trennung von Kirche und Staat bei uns immer noch nicht vollzogen ist, vielleicht können viele ja auch nicht akzeptieren, daß Kirche sich beispielsweise mit durchaus seltsam anmutenden Konstruktionen wie "Kirchenasyl" sich faktisch außerhalb der vorgegebenen Rechtsordnung bewegt, vielleicht erinnern sich viele halt doch an all die Mißbrauchsfälle und Quälereien in Kinderheimen, deren Aufarbeitung immer noch allzu schleppend vorangeht, besonders was Entschädigungen anbelangt!
Kann es nicht auch sein, daß man -- wir werden ja immer wieder, gerade auch von Seiten der Kirchen, darauf hingewiesen! --, aus der Geschichte zu lernen hat, sie nicht vergessen darf und folglich sich an den Umgang Luthers mit den Juden (z.B. seine judenfeindlichen Schriften, vor allem: "Von den Juden und ihren Lügen", veröffentlicht 1543), der Positionierung von Teilen der Kirche im Dritten Reich und all den mit Glaubensrichtungen verbundenen kriegerischen Aktivitäten bis hin zu Mord und Totschlag u.a.m. erinnert und daraus zumindest eine Schlußfolgerung zieht: Wie vereinbar ist / war denn all dies mit der christlichen Botschaft? Haben sich da Institutionen von jener nicht offensichtlich verabschiedet? Wie war das denn -- der Umgang mit indigenen Völkern? Wie gerechtfertigt bzw. durch was zu rechtfertigen ist / war denn dieser missionarische Eifer?
Die Nazis haben jene Haltung Martin Luthers für ihre unsägliche Ideologie ebenfalls beansprucht, was sowohl institutionell nachweisbar ist, letztlich auch durch zahlreiche Äußerungen evangelischer Kirchenvertreter belegbar ist. So hat z.B. Hans Meisner, späterer bayerischer Landesbischof, mit seiner Schrift von 1926 "Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage" sich folgendermaßen geäußert: "Gott hat jedem Volk seine völkische Eigenart und rassische Besonderheiten doch nicht dazu gegeben, damit es seine völkische Prägung in rassisch minderwertige Mischlingsbildung auflösen läßt." (Quelle: Christian Pfeiffer, "Judenfeind Luther. Die dunkle Seite des Reformators", Cicero vom 20. Mai 2014)
Bereits am 12. Juni 1932 schrieb die NZZ (Neue Zürcher Zeitung), "viele führende Vertreter der Evangelischen Kirche Deutschlands, vor allem aber jüngere Pastoren, sympathisierten mit Hitler und betätigten sich in der NSDAP. In beinahe allen Landeskirchen bestünden nationalsozialistische Pfarrer-Bünde. 1933 bestätigte sich diese Einschätzung. Die mächtige Evangelische Kirche der Altpreußischen Union und ihr folgend bald auch die Rheinische Landeskirche beschlossen auf ihren Generalsynoden die Einführung des Arierparagrafen. Die Folge: Ausschluss aller jüdischstämmigen Christen aus dem hauptamtlichen kirchlichen Dienst." (ebd., S.5)
Gegen diesen judenfeindlichen Arierparagraphen hatte u.a. Dietrich Bonhoeffer vehement protestiert, leider jedoch ohne einschneidende Wirkung.
Bereits seit 1932 entstand eine zunehmend stärker werdende Strömung innerhalb der evangelischen Kirche (die "Deutschen Christen"), die bereits durch die Aufnahme des Hakenkreuzes in ihre Fahne den eigenen Standort deutlich machte ... Besonders linientreu auch der Landesbischof Martin Sasse aus Eisenach: er sorgte 1938 dafür, daß Luthers zweite Judenschrift in einer Auflage von 150.000 Exemplaren erneut veröffentlicht wurde. (Die Nazis hatte jenen Text bereits zuvor auch schon mehrfach drucken lassen.) Aufschlußreich auch Sasses Vorwort zur Publikation "Martin Luther und die Juden -- weg mit ihnen!": "Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen (...). In dieser Stunde muss die Stimme des Mannes gehört werden, der als der Deutsche Prophet im 16. Jahrhundert aus Unkenntnis einst als Freund der Juden begann, der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und der Wirklichkeit, der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider den Juden." (ebd., S.5)
In dieses Bild dann paßt auch die Erklärung von acht norddeutschen Landeskirchen der "Deutschen Christen", als im Jahr 1941 das Tragen des Judensterns für Juden obligatorisch wurde: "Als Glieder der deutschen Volksgemeinschaft stehen die unterzeichneten deutschen evangelischen Landeskirchen und Kirchenleiter in der Front des historischen Abwehrkampfes, der unter anderem die Reichspolizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden als der geborenen Welt- und Reichsfeinde notwendig gemacht hat. Wie schon Dr. Martin Luther nach bitteren Erfahrungen die Forderung erhob, schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen, und sie aus deutschen Landen auszuweisen." (ebd.) Ebenso verabscheuungswürdig ist sicherlich auch das Verhalten von Otto Bezzel aus Bayreuth, evangelisch-lutherischer Oberkirchenrat, der in einer Predigt 1937 forderte: "Die Juden sind die Zerstörer und gehören hinausgepeitscht." (ebd., S.6)
Ähnlich diffamierend und menschenverachtend, nur noch ausführlicher, auch der württembergische Landesbischof Theophil Wurm, der als Mitglied der "Bekennenden Kirche" am 3. Dezember 1938 ein Schreiben an den Reichsjustizminister mit folgenden Worten einleitete: "Ich bestreite mit keinem Wort dem Staat das Recht, das Judentum als gefährliches Element zu bekämpfen. Ich habe von Jugend auf das Urteilen von Männern wie Heinrich von Treitschke und Adolf Stoecker über die zersetzende Wirkung des Judentums auf religiösem, sittlichem, literarischem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet für zutreffend gehalten und vor 30 Jahren als Leiter der Stadtmission in Stuttgart gegen das Eindringen des Judentums in die Wohlfahrtspflege einen öffentlichen und nicht erfolglosen Kampf geführt." (ebd., S.6)
All diese Aussagen, hier stellvertretend für zahlreiche andere von ähnlicher Widerlichkeit, stehen natürlich eigentlich im krassen Widerspruch zu dem, wofür Kirche stehen sollte und zu stehen vorgibt: zu moralisch-ethischen Idealen, zu einem Humanismus, zu Völkerverständigung und Mitmenschlichkeit -- zu Achtung und Wahrung der Würde jedes einzelnen. Da ist es natürlich psychologisch erklärbar (aber: nicht zu akzeptieren!!!), wenn man versucht, solche Irrwege von führenden Glaubensmitkämpfern, weil der Sache insgesamt überhaupt nicht dienlich, zu verbergen. (Unsere Kirchen hatten bekanntlich ja schon immer Probleme mit der konsequenten Aufarbeitung von Fehlverhalten und Fehlern!) Vielleicht rührt die gegenwärtige Neigung einiger Kirchenvertreter, allzu vorschnell viel zu viel in die "rechte Ecke" bugsieren zu wollen und dabei den Pfad der Sachlichkeit zu verlassen von dieser Vergangenheit her. Das wäre dann eine sehr unselige Mischung aus Verdrängung und Projektion, gewiß auch ein Verlagern von Kraft und Energie auf ein falsches Feld. Natürlich gehören menschenverachtende und kriminelle Umtriebe angeprangert und bekämpft; freilich sollte man allein schon wegen des Bemühens um Objektivität das eigene Fundament, den eigenen Hintergrund, ja: auch die eigene Ideologie (Stichwort: Ideologiekritik betreiben!!!), dabei stets im Auge behalten. Das erfordert auch die Glaubwürdigkeit. Vielleicht kann es nicht oft genug erwähnt werden: der (geschichtliche) Jesus war übrigens Jude.
Wie sehr sich die Nazis an Luthers Judenhetze orientierten und sich mit ihr einvernehmlich zeigten, verdeutlichte Wolfgan Gerlach in seiner Dissertation von 1987, indem er die Tatsache belegte, daß sich die Nationalsozialisten immer wieder auf Luther als "Kronzeugen" ihres Antisemitismus bezogen; ganz besonders deutlich wurde dies auch in der Aussage von Julius Streicher, dem Herausgeber von "Der Stürmer", jenem berüchtigten Propaganda- und Hetzblatt der Nazis, vor dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen am 29. April 1946: "Dr. Martin Luther säße heute sicher an meiner Stelle auf der Anklagebank, wenn dieses Buch (Die Juden und ihre Lügen, d.V.) in Betracht gezogen würde. In dem Buch 'Die Juden und ihre Lügen' schreibt Dr. Martin Luther, die Juden seien ein Schlangengezüchte, man solle ihre Synagogen niederbrennen, man solle sie vernichten (...). Genau das haben wir getan!"
Und deshalb an dieser Stelle nochmals Martin Luther: "Wenn mir Gott keinen anderen Messias geben wollte, als die Juden ihn begehren und erhoffen, so wollte ich viel, viel lieber eine Sau als ein Mensch sein." (M. Luther, Von den Juden und ihren Lügen, 1543) Das ist eben auch hasserfüllt, das ist an Maßlosigkeit nicht mehr zu überbieten, das schafft auch "soziale Kälte". Und das ist "Schuld", eine Schuld, welche sicherlich auch eine Verpflichtung fordert, nämlich die, gegen derartige Menschenfeindlichkeit vorzugehen. Aber auch eine weitere Verpflichtung: Bei Vorhaltungen, bei Rundumschlagsversuchen, sich stets eingedenk bleiben, auf welch brüchiger Basis man selbst steht; und das ist eine Basis, die man nicht mit besonders intensivem Verweis auf ein Jenseits, auf eine Allmacht, auf irgendwelche Wunder, wegtäuschen kann, denn ihre zutiefst irdische Bezogenheit sollte stets auch Gegenstand von Betrachtung und Wertung sein ... Und diese Geschichtlichkeit ist nicht so mir nichts dir nichts auszuradieren, zu ignorieren. Sie ist eben unter anderem auch: ein Teil der Entwicklung der evangelischen Kirche, ja sie ist letztlich sogar ein Teil des Vermächtnisses ihres eigentlichen Gründers (auch wenn es heute nicht mehr gefällt und dieser genau genommen zutiefst unreligiöse Teil in Luthers Denken klar abgelehnt wird!).
Übrigens: es gibt einige Teile innerhalb der evangelischen Bewegung, die sich durchaus diesbezüglich kritisch mit Luthers Denken auseinandersetzen, freilich scheuen wesentliche Vertreter immer noch die umfassende und eindeutig öffentliche Distanzierung, vielleicht auch deswegen, weil sie dann das gesamte Glaubensgebäude wanken sehen könnten? Ich weiß es natürlich nicht, weshalb dieses doch immer noch recht weitverbreitete Schweigen vorherrscht. Die Gründe hierfür mögen vielfältig und je nach Position recht unterschiedlich sein. Aber gerade eine Weihnachtsansprache wäre eine gute Gelegenheit, mal so richtig "reinen Tisch" zu machen, vor allem auch: im eigenen Hause. Könnte ja sein, daß gerade eine derartige Offenheit neuen Zuspruch und Sympathien entfalten könnte. Wie so etwas geht? Das zeigen schon einige recht gut. So zum Beispiel auch Papst Franziskus. Ruhig mal da geistige und emotionale Anleihen nehmen und: Selbstkritik als Chance begreifen ...
Nun, man mag sich von evangelischer Seite heute damit von einer gewissen Schuld freizusprechen versuchen, daß man mit all den "früheren" Exzessen (z.B. die während der Nazi-Zeit) nichts zu tun habe, da dies alles lange vor den jetzt wesentlichen Teilen von Luthers Wirken für die evangelische Kirche gelegen habe. Freilich ist das ein untauglicher Versuch der Reinwaschung; schließlich ist man ja nicht sozusagen als Phönix aus der Asche in Unschuld entstanden.
Deshalb sei hier nochmals auch daran erinnert, daß die Institutionalisierung des evangelischen Glaubens mit dem Dreißjährigen Krieg und all dessen europaweiten Gräueltaten eng verknüpft ist. Zur Erinnerung: Der Dreißigjährige Krieg dauerte von 1618 bis 1648, endete in Deutschland am 24. Oktober 1648 mit dem Westfälischen Frieden als Ergebnis des Friedenskongresses von Münster und Osnabrück, der von 1641 bis 1648 dauerte. Und was war das für die Bevölkerung herauszuhebende Ergebnis jener durch religiöse Machtansprüche bedingten Auseinandersetzungen: Mord, Totschlag, Seuchen, Hungersnöte, Verwüstungen, Entvölkerung ganzer Landstriche; in Süddeutschland überlebte beispielsweise nur ein Drittel der Bevölkerung ...
Sind all die geschichtlichen Lasten wenigstens hinreichend aufgearbeitet? Hat man sich seitens Institutionsvertreter davon so distanziert, daß aus deren Munde wieder volle Glaubwürdigkeit in Bezug auf christliche Botschaften abzuleiten ist? Wozu rechnet man denn all jene, die während des Nazi-Regimes kooperiert hatten. Es ist wirklich nicht genug für Ehrlichkeit und Aufarbeitung, wenn man nur die (wenigen) standhaften und positiv herausragenden Personen (z.B. den über alle Zweifel erhabenden evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer) erwähnt und andere Fehlgeleitete (um es einmal ohne den Anspruch auf Gesamtwürdigung der jeweiligen Person so auszudrücken) eher schon mal unerwähnt läßt. Das mag funktionieren: bei Anhängern, die sich eher unkritisch verhalten und unhinterfragt all das, was offiziell verkündet wird, aufnehmen. Nicht funktionieren wird das allerdings bei all jenen, die sich um kritisches Geschichtsbewußtsein (über den angemessenen und zielführenden langen Zeitraum hinweg!) bemühen, um dieses dann auch zu behalten ... Mich hat es jedenfalls nach all meiner Kenntnisnahme über Martin Luthers einschlägiger Haltung nie verwundert, daß Uwe Sauerwein in "welt.de" am 28.10.2016 Luthers verachtenswerte Einstellung gegenüber dem Judentum auch mit Blick auf das Dritte Reich thematisiert hat und fragt: "Trägt Martin Luther eine Mitschuld am Völkermord?" Diese Fragestellung gefällt natürlich nicht jenen, die einen echten Diskurs nicht pflegen (können) und vielleicht durch eine einschlägige Aufarbeitung ihre eigene (Macht-)Position gefährdet sehen (könnten).
Mag die Weihnachtsbotschaft "zeitlos" sein, und in gewissen Teilen, die unmittelbar aus jener Geschichte (und mehr als eine Geschichte ist sie wohlweislich nicht) ableitbar sind, moralisch und ethisch wegweisend, so haben doch gerade einige Vertreter jener Institutionen, die selbst schon mal gerade gegen diese Prinzipien verstoßen haben, durchaus einen schweren Stand, was Glaubwürdigkeit angeht -- sofern man entsprechend kritisch ihnen gegenübertritt. Aber eine Frohbotschaft behält ihre Reinheit in erster Linie vor allem dadurch, indem man selbst diese Prinzipien vorlebt (und nicht nur verkündet) sowie Verstöße dagegen (besonders auch was "eigene Reihen" betrifft) ehrlich und deutlich benennt. Im Prinzip ist das nichts anderes, als jene Verfahrensweise, die es aus Gründen von Seriosität verlangt und sich dafür auch verbürgt, daß Hypothesen stets kritisch zu hinterfragen und einer Falsifikation offenzuhalten sind. Ich habe den Eindruck, daß gerade die Institution Kirche sich da immer noch überwiegend dem Dogmatismus verschreibt, was sie nicht unbedingt glaubwürdiger macht. Ich denke, hier sind vor allem die Ursachen zu suchen, weshalb sich immer mehr Menschen von den kirchlichen Institutionen abwenden. Zu dieser Distanzierung bzw. "kirchenkritischen Einstellung" tragen vielfach gewiß aber auch die häufig gepflegte Maskenhaftigkeit und die vielfach stereotypen Äußerungen einiger Repräsentanten der Kirchen in der Verkündung und Darstellung jeweiliger Botschaften bei.
Die Weihnachtsgeschichte ist vor allem: eine Geschichte. Inwieweit sie tatsächlich auch nur halbwegs authentisch ist, scheint unklar. In erster Linie ist das alles nämlich nur eines: Glaubenssache. Beweiskraft: Fehlanzeige! Ist bei "Glauben" bekanntlich auch nicht möglich. Gewißheit und Glauben schließen einander aus. Wer hier nun argumentiert mit der "Ungeheuerlichkeit der Botschaft", die "schwer zu fassen" sei und daß "Menschen die auf das Christuskind in der Grippe treffen, können nicht anders, als sich demütig verneigen vor dem Geheimnisvollen", zeigt allein sprachlich schon, worum es geht: positiv betrachtet um Hoffnung (freilich fern jeglicher Gewißheit!) und etwas kritischer gesehen allenfalls um vielfache Spekulationen. Man kann das Glauben oder auch nicht, man kann hineininterpretieren oder auch nicht. Was jedoch nicht sein sollte: daß man so eine Art Sicherheit oder gar Gewißheit suggeriert, dieses dann noch als allgemeinverbindlich behandelt sehen möchte. "Weihnachten" sei ein Wunder ... Wirklich? Woher diese Überzeugung? Woher gar eine diesbezügliche Gewißheit? Und vor allem: Wie soll dieses Wunder denn aussehen, wie will man die Bezüge dafür sichern? Mit Weihnachten erklärt Gott "einer Welt, in der es so viele Kriegserklärungen gibt, ein für alle Mal (sic! d.V) die Liebe"? Nochmals: Wirklich? Letztlich steht das auf den Beinen der Hoffnung, einer eher willkürlichen (freilich durch Tradtion verfestigten) Interpretation. Den Beweis dafür gibt es nicht, nicht einmal in semantischer Hinsicht.
Was "ein für alle Mal" Gültigkeit besessen hat und weiterhin besitzt, das erzählt uns die Entwicklungsgeschichte zur Genüge ...
Um nicht falsch verstanden zu werden: die tradierte Weihnachtsgeschichte hat für mich einen gewachsenen kulturellen Bezug und die durch diesen getragenen Inhalte sind durchaus als Handlungs- und Orientierungsmaxime wertvoll und für mich auch tragend. Wer aus dieser Geschichte "Friede", "Stille", "Bescheidenheit", "Verantwortung", um nur ein paar Attribute zu nennen, herausliest und dann sich daran orientiert, ist gewiß auf einem guten Weg. So ist es mit allen Geschichten, die eine Lehre aufzeigen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Bergpredigt: Deren Inhalte sind von hoher philosophischer Qualität und sollten Lebensgestaltungsorientierung sein; dafür ist es unerheblich, ob diese Bergpredigt tatsächlich stattgefunden hat, also in dieser Form "beweisbar" ist, oder auch nicht. Die Geschichte ist und bleibt somit Träger einer wertvollen Botschaft. Wer allerdings daraus mehr machen möchte, sollte sich stets bewußt bleiben, daß ein behauptetes Fundament, vor allem was dann Begriffe wie "Gott", "Heilige Geist", etc. betrifft, nicht mehr als Spekulation (ohne auch nur irgendeine Beweiskraft bzw. Beweismöglichkeit, vor allem nicht durch dafür häufig verwendete Quellen, die dann häufig auch noch als unwiderlegbar deklariert werden ...) ist. Daß diese Spekulationen und Hoffnungen Ausdruck menschlicher Furcht und Ängste (etwa "mit dem Tod darf doch nicht alles zu Ende sein, es muß doch weitergehen" -- oder so ähnlich) sind, ist psychologisch leicht aufzeigbar. Insofern sind jene Ängste nicht an einen bestimmten Bildungsstand gefesselt, sondern dürften alle Bildungsschichten umfassen. Wer beispielsweise also hier eine namhafte gläubige und naturwissenschaftlich erfolgreiche Persönlichkeit als "Beweis" für die Existenz Gottes bemüht, wählt einen falschen Ansatz. Wie überhaupt "Gott" nicht beweisbar sein kann (die versuchten sogenannten "Gottesbeweise" wurden allesamt widerlegt!) , wie zudem die ihm vielfach zugeschriebenen Eigenschaften im Widerspruch zu den von ihm aus menschlicher Sichtweise dann häufig vorgenommenen Bewertungen menschlichen Verhaltens stünden, und, und, und ...
Natürlich ist es einfach, immer dann, wenn man nicht weiter weiß, genauer: nicht weiter wissen kann, von "Wunder" zu sprechen, die "Ungeheuerlichkeit der Botschaft" zu zelebrieren versuchen, das "Geheimnisvolle" zu bemühen. Genauso einfach scheint es wohl, schon mal auf die "menschliche Kälte", die grassiert, zu verweisen. Im letzteren Fall könnte man jedoch zumindest konkret werden, bei all den abstrakten Bemühungen von Erklärungsmodellen kann man nur mehr als vage bleiben, vielleicht gerade bei hoffenden und notleidenden Menschen so tun als gäbe es diese schicksalhafte Erlösung von all dem Elend. Vielleicht sind es gerade all jene immer schon bemühten Abstraktionen, welche Karl Marx dereinst zu der Aussagen, wonach Religion "Opium für das Volk" sei, führten.
Reinhard Marx, der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, sieht in seiner Weihnachtsbotschaft in der gegenwärtigen Zeit steigende Unsicherheiten und Sorgen und befürchet, Religionen könnten hier als "Schwungrad für Fundamentalismus und für Freund-Feind-Denken, ja für Hass und Gewalt" mißbraucht werden. Und dies sei der Grund, weshalb einige Menschen Religionen eher als Teil des Problems betrachteten. Und er ergänzt, "ein Denken in den Kategorien Freund und Feind, Gewinner und Verlierer, Sieger und Besiegte" setze sich zunehmend stärker durch und meint, das könne am "selbst in unserem geordneten und doch überwiegend friedlichen und wohlhabenden Land" spüren. Und angesichts dieser Gefahr müssten auch die christlichen Kirchen stets demütig und selbstkritisch auf sich selbst blicken.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, sagte, Religionen könnten in der gegenwärtigen Zeit mit steigenden Unsicherheiten und Sorgen als "Schwungrad für Fundamentalismus und für ein Freund-Feind-Denken, ja für Hass und Gewalt" missbraucht werden. Deswegen betrachteten einige Menschen Religionen inzwischen eher als Teil des Problems. Kardinal Marx sagte weiter, "ein Denken in den Kategorien Freund und Feind, Gewinner und Verlierer, Sieger und Besiegte" setze sich immer stärker durch. "Selbst in unserem geordneten und doch überwiegend friedlichen und wohlhabenden Land kann man das spüren." Angesichts dieser Gefahr müssten auch die christlichen Kirchen stets demütig und selbstkritisch auf sich selbst blicken. (Quelle: tagesschau.de vom 24.12.2018) Auch hier hätte ich mir gewünscht, wenn Kardinal Marx das einmal genauer ausgeführt hätte: welche Religionen und wie können sie denn als "Schwungrad für Fundamentalismus" mißbraucht werden! Meint er mit dem Hinweis auf Demut und Selbstkritik auch fundamentale Züge innerhalb den von ihm vertretenden Organisationen, die es zu hinterfragen gilt? Hier gilt es dann die zahlreichen Mißbrauchsfälle endlich einmal radikal und umfassend aufzuklären und damit endlich die vollumfängliche Verantwortung zu übernehmen. Bislang sind da allenfalls nennenswert: unverbindliche Wörterfragmente ... Den Opfern all jener Geschehnisse dürfte das nicht genügen. Und wie steht es um die nachweisbare historische Schuld der Kirche? Diese Vergehen und Verbrechen sind zwar in dieser Form nicht mehr gegenwärtig, aber vergessen sind sie deswegen nicht. Auch hier muß die stets geforderte Maßgabe, aus der Geschichte zu lernen, sie nicht zu leugnen bzw. schönzureden, denk- und handlungsleitend bleiben.
Diese Mißstände sind eben auch Bestandteil von "Kirche" und "Religion" und aus meiner Sicht muß konsequenterweise gelten: so wie beispielsweise die Verbrechen des Dritten Reiches immer wieder als Teil unserer Geschichte mit den Ausflüssen kultureller Bewertungslagen wirksam sind, so kann sich auch "Kirche" nicht durch einen radikalen Schnitt von ihrer Vergangenheit abtrennen, so als wäre das alles nicht geschehen. Missionarischer Eifer bzw. (gefühlter) Verkündungsauftrag war / ist da nur ein Teil der Erklärungen neben machtpolitischen Gesichtspunkten, vor allem noch lange keine Legitimation für derartige Handlungsweisen. Sie waren für Betroffene häufig sehr, sehr konkret ...
Unterdrückung, Mord, Ausbeutung, Besessenheit, Wegnahme von Land und Kultur, Unterdrückung, Besserwisserei, Rechthabertum, Prunk und Protz -- das sind nur einige der Faktoren, die häufig zu Leid und Mißständen beigetragen haben. Immerhin sind vielfach auch die Nachwirkungen offensichtlich, man muß nur einmal die Situation indigener Völker (bzw. was von ihnen noch übrig ist ...) betrachten. Und wenn dies unter dem Vorwand des Glaubens umgesetzt wurde, dann ist eben auch das Bestandteil von "Kirche" und sollte bei aller Betrachtung und Bewertung von Gegenwart durch klerikale Stellen stets im Auge behalten werden; das Fundament auf dem Kirche ruht ist jedenfalls auch nicht frei von erheblicher Schuld. Damit auch nicht frei davon, gegen viele moralisch-ethischen Vorgaben, die eine jeweilige Religion fordert resp. anmahnt, selbst gravierend verstoßen zu haben. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, daß diesbezüglich Äußerungen kirchlicher Würdenträger immer wieder auf die Waagschale gelegt und entsprechend differenziert gewürdigt werden.
Es ist Fakt: Zumindest ein Großteil der Kirche hat in einem langen geschichtlichen Werdegang eine Menge von systemimmanten Widersprüchen erzeugt! Und dieser Tatsache hat sich Kirche, will sie glaubwürdig sein, immer wieder zu stellen. (Das hat übrigens überhaupt nichts mit einer Art von neurotisch anmutender Vergangenheitorientierung zu tun, sondern betrifft schlicht und einfach nur: entsprechendes Bekennen leisten, daraus Verantwortung als auch eine gewisse Bescheidenheit gegenüber Vollkommenheitsansprüchen ableiten und mit kritisierendem Fingerzeig auf andere angesichts eigener Mangelhaftigkeit etwas behutsamer umzugehen!)
Mir fällt immer wieder auf, daß die vielfach behauptete Harmonie sich vor allem im Zeremoniell, im Prunk manifestiert und nicht selten bereits in Gestik und Mimik so eine Art "Harmonie-Deformation-Professionell" hervorzubringen scheint. Oft wirkt das auf mich geradezu maskenhaft, damit unecht und abstoßend.
Es stellt sich für mich schon die Frage: Und ist Kardinal Marx da nicht etwas zu optimistisch (und vielleicht aus einer privilegierten Stellung heraus etwas weltfremd), wenn er die Situation in unserem Land doch überwiegend harmonisch beschreibt? Kann es denn schon "Harmonie" sein, wenn man eine solche zelebriert und danach alles wieder zur Tagesordnung übergeht? Wenn also "Harmonie", wenn schon nicht zu einem Dauerzustand, wenigstens zu einer permanenten Aufgabe und Verpflichtung als Zielvorgabe führt?! Wenn über "Harmonie" gleichzeitig faktisch Ausgrenzungen erfolgen? Nein, das ist aus meiner Sicht das Gegenteil von Harmonie! Kontraproduktiv, sofern man wirklich "Harmonie" möchte. Wer Gruppieren ab- und ausgrenzt, wer gar die eigene Hausmacht dazu benützt, auszuladen, also nicht am Gespräch zu beteiligen, und gegen andere gerichtete (Wahl-)Empfehlungen meint geben zu müssen, der muß sich schon fragen lassen, inwieweit Säkularisierung bei ihm überhaupt bereits Selbstverständnis geworden ist. Ausgrenzung ist jedenfalls kein Bemühen um sachliche Auseinandersetzung, befördert die Unsachlichkeit und führt zu einer Art von Freund-Feind-Denken. Gerade wer andere angreift, der sollte sich stets auch fragen, inwieweit man selbst in einem Glashaus sitzt respektive schon einmal gesessen hat.
Der Glaube mag sakrosankt sein, auch -- weil er eben "Glaube" ist -- gegenüber einschlägige (gar systemimmanente) Kritik. Die Institution "Kirche" ist es jedoch nicht, vor allem auch deswegen nicht, weil sie in ihrer Organisation und Struktur als allzu irdische Manifestation erscheint und wirkt.
Aber vielleicht hebt Kardinal Marx ja in seiner Weihnachtsbotschaft doch auch ein wenig auf diese Diskrepanz von Glauben einerseits und der durch bzw. aus diesem gewachsenen institutionellen Verankerung von Kirche ab, wenn er sagt, die "Weihnachtsbotschaft bedeutet Licht und Aufklärung". Ist dieser Gedankengang vielleicht doch auch in seiner Aussage: "Das große Ja-Wort Gottes zum Leben aller Menschen." verdichtet? (Quelle: dbk.de vom 24.12.2018, Weihnachtsbotschaft)
Für einen Atheisten bedeutet so eine Aussage freilich gar nichts, denn er sagt ja bekanntlich, es gibt keinen Gott, was jeglichen Bezug auf diese "menschliche Erfindung" erübrigt. Ein Agnostiker mag das wiederum schon eher als zwischen den Polen "möglich" und "unmöglich" pendelnd sehen und so eine derartige Aussage zumindest nach einer Kernbotschaft abtasten, dies mit der Folge, für sich vielleicht ohne eine Antwort auf die tatsächliche Existenz Gottes und der damit verknüpften Weihnachtsgeschichte abzuverlangen, eine Art von Praktikabilität für eigene Lebensorientierung und -gestaltung zu finden. Viele Christen dürften diese Aussage einfach unhinterfragt übernehmen, kritischere allerdings zumindest eine nähere Erläuterung einfordern.
Aber wie soll man das mit dem "Ja-Wort Gottes zum Leben aller Menschen" denn verstehen, ohne in eine Plattitüde zu verfallen? Laut Reinhard Marx "manifestiert" sich im "Kind von Bethlehem" jedenfalls "das große Ja-Wort Gottes zu meinem Leben und zum Leben aller Menschen". Und mit Blick auf diese Botschaft könne man "keine fundamentalistische Religion aufbauen, kann der Glaube nicht reduziert werden auf ein Traditionschristentum oder zur Dekoration werden für eine verloren gegangene Identität".
Ist denn Religion nicht immer auch (zumindest in Teilen) fundamentalistisch? Und wie transzendiert man denn ein "Traditionschristentum", damit es nicht getreu dieser Begrifflichkeit in sich verharrt? Vielleicht mit einer -- sicherlich alles andere als allgemeingültigen oder gar allgemeinverbindlichen -- Akzeptanz von "Gott" mit einer über eine bloße Metapher des Begriffs hinausreichenden Bezug? Sicherlich: jede Geburt ist irgendwie auch ein Ja zum Leben, sonst gäbe es dieses Ereignis bekanntlich nicht. Inwieweit von Dauer, inwiefern aber von über die reine Individualität hinausreichende Bedeutung, das sind letztlich völlig offene Fragen.
Letztlich bleibt man da hängen: Glaubt man an den von einigen Religionen proklamierten / behaupteten Gott oder glaubt man an diesen nicht ... Inhaltlich helfen derart abstrakte Aussagen allenfalls streng Gläubigen oder Personen, die Gefallen daran finden, Leerstellen mit dem eigenen Gedankengut, der eigenen Orientierung (damit auch: den eigenen Ab- und Ausgrenzungsstrategien) auszufüllen.
Eine von Rationalität getragene Diskussion ist jedenfalls auf dieser Ebene über Sachbezogenheiten nicht möglich; was jedoch möglich bleibt, ist, sozusagen bei einer (vorläufigen, damit die Prämisse jedoch nicht stützenden oder sie gar als bewiesen haltenden, und zur Überprüfung systemimmanenter Widersprüche eingenommenen) Akzeptanz jener von Reinhard Marx gesehenen Voraussetzungen um des weiteren Gesprächsfortgangs willen, herauszufinden, ob a) das darauf aufbauende System in sich überhaupt stimmig ist und b) inwieweit man auf dieser Basis doch zu einer Antwort etwa im Sinne von Kants Kategorischen Imperativs für Handlungsmaximen gelangen kann. Im letzteren Fall ist es allerdings -- egal wie dann so ein Diskussionverfahren ausgeht, welche Ergebnisse es hervorzubringen vermag -- unerheblich auf eine Existenz oder Nichtexistenz Gottes zu rekurrieren.
Ist es wirklich so verwunderlich, daß (nicht nur heutzutage) vielfach "manche Religion eher als Teil denn als Lösung des Problems" betrachtet wird? Ich meine, wenn es denn so ist, dann liegt das eher daran, daß in solchen Fällen die jeweilige Religion keine Antworten geben kann bzw. will oder nur die "falschen". Es liegt daran, daß statt Diskurs doch häufig Dogmatismus vorherrscht. Es liegt daran, daß Religion viele Menschen faktisch ausgrenzt, häufig allein schon durch die Vorgaben durch Politische Korrektheit in der Artikulation. Wenn ich jedoch auf der einen Seite Macht im Staat beanspruche und auszuleben versuche, ich dann andererseits von dieser Position Menschen und Gedanken ausgrenze, gar gegen kritischere Positionen durch beispielsweise oberflächlich und verkürzt dargelegte Positionierungen faktisch zur Hatz gegen Andersdenkende beitrage (kurioserweise damit das betreibe, was ich anderen oft als inakzeptabel vorwerfe ...), dann darf ich mich doch nicht wundern, daß viele Menschen Religion als (zusätzliches) Problem und nicht als Lösungsangebot betrachten. Wer häüfig oder gar immer im Mantel der Rechthaberei aufkreuzt, dürfte bestenfalls bei Gleichgesinnten auf Gefallen stoßen.
Wenn Kardinal Marx in seiner als kritisch konzipierten Weihnachtsbotschaft feststellen kann, daß "etwa beim Weltgebetstreffen 1986. zu dem Papst Johannes Paul II. die Weltreligionen einlud, noch der Optimismus (herrschte), dass der Glaube an Gott Menschen friedlich zusammenführen könne" und dagegen die heute mißlichere Situation beklagt, dann ist auch zu fragen, ob seine Einschätzung und Bewertung des damaligen Weltgebetstages nicht eine falsche Verallgemeinerung zugrunde liegt. Es war damals nicht friedlich, es ist es auch heute nicht! Religion war damals beides: beliebt und verbreitet einerseits und unakzeptiert und argwöhnisch beäugt andererseits. Das ist heute nicht anders! Es gibt hier keinen Grund zum Optimismus, auch keinen zu übergroßem Pessimismus, aber es gibt jede Menge Gründe, Bewertungen auf eine sachliche Grundlage zu stellen, zu analysieren, worin Fehler bestehen und worauf Irrwege gründen. Auch die eigenen. Das könnte man ruhig auch in einer Weihnachtsbotschaft deutlich(er) sagen, dabei aber auch den Blick in den (eigenen) Spiegel nicht meiden. Kardinal Marx hat jedoch explizit auch auf diese Notwendigkeit hingewiesen, wenn er sagt: "So müsse sich auch das Christentum immer wieder der Selbstkritik stellen" und die Realität der Kirche brauche "immer neue Aufklärung im Licht der Botschaft von Weihnachten." Das ist ja schon mal ein guter Blick und ebensolcher Vorsatz. Es bleibt zu hoffen, daß diesen Worten umfassende Taten folgen werden. (Dies dann hoffentlich in allen Religionen, Weltanschauungen, aber auch in allen gesellschaftlichen und individuellen Bereichen!) Sein Geheimnis dürfte jedoch bleiben, inwieweit da die "Begegnung mit Jesus von Nazareth" bei der "Unterscheidung der Geister" eine unmittelbare Hilfe sein kann, wie sie "zu einer Quelle des Mutes und der Kraft, gegen jeden Missbrauch der Religion aufzustehen" werden kann. Ich sehe hier eher, daß es zum Gehen eines solchen Weges anderer Quellen des Mutes bedarf ...
Es dürfte an sehr vielen Menschen, durchaus jeweils begründbar, vorbeigehen und sie nicht oder nur wenig berühren, wenn Kardinal Marx verkündigt, daß die Kirche mit Blick auf die Weihnachtsbotschaft "glaubwürdig Brücken bauen" und zeigen könne, "dass in diesem Kind von Bethlehem Gott der Bruder aller Menschen geworden ist und wir deshalb zueinander gehören, trotz aller Unterschiede und Interessengegensätze". Diese Sprache verstehen, wenn überhaupt, nur jene, die ohnehin sich in den Kirchen aufgehoben fühlen, denen Gott eine Realität ist, die auch das kirchliche Zeremoniell noch wertschätzen können. Allen anderen dürfte dies ein fremde Sprache sein: inhaltsleer, überflüssig und vor allem alles andere als hilfreich für eine eigene fruchtbringende Lebensgestaltung. So mancher wird hier -- bei derartigen Weihnachtsbotschaften und dem damit zur Schau gestellten Zeremoniell -- sich oft nicht des Eindrucks erwehren können, daß es sich vielmehr um eine Art von Eigen-Werbung und Legitimationsversuche zur Wahrung der Eigenexistenz handelt denn um das, was gemeinhin unter Seelsorge und Antworten-für-praktikables-Leben-geben verstanden wird.
Kardinal Marx verspricht, den Mut und die Kraft all das zu leben und zu bezeugen, "können wir wiedergewinnen, wenn wir zunächst in Demut selbstkritisch zur Krippe kommen, uns hinknien und von diesem Kind Licht und Aufklärung empfangen. (...) Dann können wir und müssen wir aufstehen und reden und handeln, einladen und ermutigen, Hoffnungen machen und trösten -- eben den Glauben an den Mensch gewordenen Gott in die Welt tragen." (Quelle: Pressestelle Erzbistum München und Freising;dbk.de, Aktuelle Meldung | Nr. 022 vom 24.12.2018)
Wer denn wird mit derartigen Bezügen für sich und sein konkretes Leben wirklich etwas anfangen können, wer kann das gar als Versprechen, als eine Art Gewißheit empfinden und daraus auch wirklich Kraft, Mut und Zuversicht ziehen? Sind das brauchbare Handlungsanleitungen oder wenigstens Orientierungsweisen? Kann damit wenigstens Seelenstärke gewonnen werden. Ich habe da erhebliche Zweifel. Die Wirklichkeit lehrt, wie häufig gerade die sich besonders in den Vordergrund begebenden Prediger -- manche müssen diesen Vordergrund ja auch qua professione einnehmen, das sei konzidiert --, sehr schnell wieder in eine Alltäglichkeit verfallen, die ihre einst so "hohen" Worte in der konkreten Wirklichkeit wie Seifenblasen zerplatzen lassen.
Diesen Eindruck habe ich allerdings nicht beim derzeitigen Papst, Papst Franziskus. Was hat(te) er uns zu Weihnachten zu sagen?
Ich vermisse sowohl bei Bedford-Strohm als auch bei Reinhard Marx den Mut, einige herausragende Probleme beim Namen, dies dann mit Bezug zu deren Verursachern, zu nennen. Man könnte hier sehr wohl einmal die immer noch fehlende Nachhaltigkeit (damit den verlogenen Umgang mit dieser Begrifflichkeit) ansprechen, eine Hinwendung zu Versuchen, einen herrschaftsfreien Diskurs zu fördern, wäre sicherlich gerade mit Blick auf demokratische Entwicklung zielführend, auch gehörte vor dem Hintergrund des stets postulierten "Wahrung der Schöpfung" endlich ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur, also mit Fauna und Flora als letztlich unserer existentiellen Lebensgrundlage) eingefordert. Auch sollte, wer fordert, bereit sein, praktikable Lösungsansätze zu benennen, damit auch deutlich machen, wo die Grenzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit verlaufen. Daß man dabei natürlich auch so manchen Kreisen unmittelbar auf die Füße treten muß, ist unvermeidbar, will man konkret werden und sein. Daß man sich dabei nicht überall zum Liebkind machen dürfte, ist auch einleuchtend. Aber vielleicht wäre weniger an Zeremoniellem, an Künstlichkeit, an positionierter Starre,und mehr an Unmittelbarkeit, an Direktheit dienlicher, ist man an konkreten und nachhaltigen Lösungen interessiert. Wer da überwiegend oder gar nur auf Bildhaftigkeit und Metaphorik verweist, geht an der eigentlichen Problematik der Verbesserung der Verhältnisse wohl vorbei.
Vielleicht kann man da ein paar Anleihen bei Papst Franziskus nehmen. Er kritisiert bei seiner traditionellen Christmette die menschliche Gier nach Konsum und meint wörtlich: "Der Mensch ist gierig und fresssüchtig geworden." und für viele sei "das Anhäufen von Dingen" zum eigentlichen Lebensinhalt geworden. Dabei hätten andere nicht einmal "Brot zum Leben." Es gehe gerade angesichts der Einfachheit in Bethlehems Stall nicht um "fressen und hamstern, sondern um teilen und geben", so Franziskus. Sein Weihnachtswunsch sei generell "der nach Geschwisterlichkeit, zwischen allen Nationen und Kulturen, allen Religionen und allen Ideen (sic! d.V.)" Auch er sieht die Verschiedenheit unter den Menschen nicht als Gefahr, sondern sie sei "vielmehr ein Reichtum". (Quelle: EPOCH TIMES, Papst ruft an Weihnachten zu Frieden und Brüderlichkeit in aller Welt auf, 26. Dezember 2018)
Wenn Papst Franziskus gegen die um sich greifende Gier und Maßlosigkeit predigt, dann wirkt er sehr glaubwürdig, verzichtet er doch konstant auf ihm eigentlich zustehende Privilegien, bescheidet sich in seinem Alltag. Er darf somit als Beispielgebender das Wort auf Verzicht und Verhaltensveränderung sehr wohl an andere richten und entsprechende Forderungen erheben. Nochmals der Papst: "Nicht verschlingen und hamstern, sondern teilen und geben!" Und er gibt dem Blick in die Krippe ein für die Vielzahl unterschiedlicher Glaubens- und Einstellungsprovenienzen durchaus akzeptableres Bild: "Wenn wir auf die Krippe schauen, verstehen wir, dass das, was das Leben nährt, nicht der Besitz, sondern die Liebe ist; nicht Gier, sondern Nächstenliebe; nicht der Überfluss, den man zur Schau stellt, sondern die Einfachheit, die man bewahrt." Und nochmals sehr konkret: "Das Haben, das Anhäufen von Dingen scheint für viele der Sinn des Lebens zu sein. (...) Eine unersättliche Gier durchzieht die Menschheitsgeschichte, bis hin zu den Paradoxien von heute, dass einige wenige üppig schlemmen und so viele kein Brot zum Leben haben." Wäre es denn keine anzustrebende Haltung, was Franziskus, an alle Gläubigen gerichtet, in seine Frage kleidet: "Schaffe ich es, auf viele überflüssige Nebensächlichkeiten zu verzichten, um ein einfacheres Leben zu wählen?" Wie schon gesagt: aus seinem Munde sehr glaubwürdig, wo er doch selbst Verzicht übt, also auch das tut, was er selbst predigt; zudem ist er für seinen Einsatz für Arme und Ausgegrenzte bekannt, lädt immer wieder Obdachlose oder Flüchtlinge in den Vatikan ein und besucht auch Häftlinge. Ich betone nochmals: er lebt das, was er selbst predigt! Das Gegenteil dieser Haltung erlebte ich selbst einmal während des Jugoslawien-Krieges als ein Geistlicher Rat (Pfarrer, also ein Glaubensbruder von ihm) in mittelgroßer Runde, jeden einzelnen fixierend, anmahnte, man müsse sofort etwas für die zahlreichen obdachlosen Flüchtlinge tun. Ich meinte da zu ihm sofort nur, er habe ein sehr großes Haus mit einigen leerstehenden Zimmern und er könne sogleich mit gutem Beispiel vorangehen. Sozusagen meine "Weihnachtsbotschaft" mitten im Jahr, abgeleitet aus den Ideen aus und um "Weihnacht" ... Das Ergebnis? Jener mit den Wörtern doch so edel klingende und umspringende Herr wurde böse und verließ sogleich, vor sich hin schimpfend, den Raum. Überflüssig wohl festzustellen, daß jener in der Folge seinen "Edelmut" in keinster Weise einschlägig konkretisierte. Ob ihn wenigstens die Worte von Papst Franziskus eines Besseren hätten belehren können? Ich habe da meine Zweifel.
Und wenn Papst Franziskus zu Recht feststellt "Der Mensch ist gierig und unersättlich geworden.", dann ist dies zugleich auch (s)ein Appell an Nachhaltigkeit, an einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur, mit der Umwelt, mit Pflanze, Tier und Mensch. Diese Orientierung hat er umfassend in seiner Umwelt-Enzyklika, ENZYKLIKA LAUDATO SI', vom 24. Mai 2015 dargelegt. Damit hat er sicherlich kein apostolisches Neuland betreten, denn auch seine Vorgänger haben diese Problematik erkannt und deutlich benannt, wie Papst Franziskus selbst feststellt.
So Johannes XXIII. in seiner Enzyklika 'Pacem in terris', in der "er sich nicht damit begnügte, einen Krieg abzulehnen, sondern einen Vorschlag für den Frieden unterbreiten wollte", dies mit der Botschaft an die gesamte 'katholische Welt', wobei er hinzufügte "und an alle Menschen guten Willens". (a.a.O., unter 3.) Franziskus betont nun, er möchte der Aufforderung seines Apostolischen Schreibens 'Evangelii gaudium', endlich den Reformprozess (gefordert durch 'Pacem in terris', d.V.) in Gang zu setzen und "Angesichts der weltweiten Umweltschäden (...) in Bezug auf unser gemeinsames Haus in besonderer Weise mit allen ins Gespräch kommen." (ebd.)
Franziskus verweist dann (a.a.O., unter 4.) auf Papst Paul VI., der acht Jahre nach 'Pacem in terris' "die ökologische Problematik an(gesprochen habe), indem er sie als Krise vorstellte, die 'eine dramatische Folge' der unkontrollierten Tätigkeit ds Menschen ist. 'Infolge einer rücksichtslosen Ausbeutung der Natur, läuft er Gefahr, sie zu zerstören und selbst Opfer dieser Zerstörung zu werden." Auch vor der FAO habe er "von der Möglichkeit einer 'ökologischen Katastrophe als Konsequenz der Auswirkungen der Industriegesellschaft' gesprochen und 'die Dringlichkeit und Notwendigkeit eines radikalen Wandels im Verhalten der Menschheit' (betont)." Er hatte festgestellt, "die außerordentlichsten wissenschaftlichen Fortschritte, die erstaunlichsten technischen Meisterleistungen, das wunderbarste Wirtschaftswachstum wenden sich, wenn sie nicht von einem echten sozialen und moralischen Fortschritt begleitet sind, letztlich gegen den Menschen." (ebd.)
Ebenfalls beachtenswert Johannes Paul II. der in seiner ersten Enzyklika schrieb: "Der Mensch scheint oft keine andere Bedeutung seiner natürlichen Umwelt wahrzunehmen, als allein jene, die den Zwecken eines unmittelbaren Gebrauchs und Verbrauchs dient." (a.a.O., unter 5.) Er rief später dann zu einer 'ökologischen Umkehr' auf. Dabei betonte er, "dass man sich viel zu wenig 'für die Wahrung der moralischen Bedingungen einer glaubwürdigen <Humanökologie> engagiert. Die Zerstörung der menschlichen Umwelt ist etwas sehr Ernstes, denn Gott vertraute dem Menschen nicht nur die Welt an, sondern sein Leben selbst ist ein Geschenk, das vor verschiedenen Formen des Niedergangs geschützt werden muss. Alle Bestrebungen, die Welt zu hüten und zu verbessern, setzen vor allem voraus, „dass sich die Lebensweisen, die Modelle von Produktion und Konsum und die verfestigten Machtstrukturen [von Grund auf] ändern, die heute die Gesellschaften beherrschen.' (ebd.) Aus meiner Sicht besonders beachtenswert auch folgende Aussage von Johannes Paul II.: "Die echte menschliche Entwicklung ist moralischer Art und setzt die vollkommene Achtung gegenüber der menschlichen Person voraus, muss aber auch auf die Welt der Natur achten und „der Natur eines jeden Wesens und seiner Wechselbeziehung in einem geordneten System […] Rechnung tragen“ (Hervorh. d.V.) Daher muss sich die Fähigkeit des Menschen, die Wirklichkeit umzugestalten, auf der Grundlage der ersten Ur-Schenkung der Dinge von Seiten Gottes entwickeln." (ebd.)
Das Eintreten für die Umwelt durch Benedikt XVI. (Vorgänger von Papst Franziskus) hebt Franziskus ebenfalls hervor: "Mein Vorgänger Benedikt XVI. erneuerte die Aufforderung, „die strukturellen Ursachen der Fehlfunktionen der Weltwirtschaft zu beseitigen und die Wachstumsmodelle zu korrigieren, die allem Anschein nach ungeeignet sind, den Respekt vor der Umwelt […] zu garantieren“.[10] Er erinnerte daran, dass die Welt nicht analysiert werden kann, indem man nur einen ihrer Aspekte isoliert betrachtet, denn „das Buch der Natur ist eines und unteilbar“ (Hervorh.jeweils d.V.) und schließt unter anderem die Umwelt, das Leben, die Sexualität, die Familie und die sozialen Beziehungen ein. Folglich hängt „die Beschädigung der Natur […] eng mit der Kultur zusammen, die das menschliche Zusammenleben gestaltet“. Papst Benedikt XVI. legte uns nahe anzuerkennen, dass die natürliche Umwelt voller Wunden ist, die durch unser unverantwortliches Verhalten hervorgerufen sind. Auch die soziale Umwelt hat ihre Verwundungen. Doch sie alle sind letztlich auf dasselbe Übel zurückzuführen, nämlich auf die Idee, dass es keine unbestreitbaren Wahrheiten gibt, die unser Leben lenken, und deshalb der menschlichen Freiheit keine Grenzen gesetzt sind. Man vergisst, dass „der Mensch […] nicht nur sich selbst machende Freiheit [ist]. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur“. Mit väterlicher Sorge lud er uns ein zu erkennen, dass die Schöpfung geschädigt wird, „wo wir selbst die letzten Instanzen sind, wo das Ganze uns einfach gehört und wir es für uns verbrauchen. Und der Verbrauch der Schöpfung setzt dort ein, wo wir keine Instanz mehr über uns haben, sondern nur noch uns selber wollen“. (a.a.O., unter 6.)
Franziskus weist darauf hin, "dass auch außerhalb der katholischen Kirche andere Kirchen und christliche Gemeinschaften -- wie auch andere Religionen -- eine weitgehende Sorge und eine wertvolle Refelxion über diese Themen, die uns alle beunruhigen, entwickelt haben" (a.a.O., unter 7.) und sieht es als eine dringende Herausforderung und übergreifende Aufgabe an, "unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können." (a.a.O., unter 13)
In einem Beispiel (unter vielen anderen möglichen) verweist Franziskus auf den von ihm sehr geschätzten Patriarchen Bartholomäus, denn er "hat besonders von der Notwendigkeit gesprochen, dass jeder Einzelne die eigene Weise, dem Planeten zu schaden, bereut, denn „insofern wir alle kleine ökologische Schäden verursachen“, sind wir aufgerufen, „unseren kleineren oder größeren Beitrag zur Verunstaltung und Zerstörung der Schöpfung“ anzuerkennen." (a.a.O., unter 8.) Man müsse die Sünden gegen die Schöpfung endlich eingestehen: "Dass Menschen die biologische Vielfalt in der göttlichen Schöpfung zerstören; dass Menschen die Unversehrtheit der Erde zerstören, indem sie Klimawandel verursachen, indem sie die Erde von ihren natürlichen Wäldern entblößen oder ihre Feuchtgebiete zerstören; dass Menschen anderen Menschen Schaden zufügen und sie krank machen, indem sie die Gewässer der Erde, ihren Boden und ihre Luft mit giftigen Substanzen verschmutzen – all das sind Sünden." (ebd.) Will man Zerstörung beseitigen bzw. verhindern, dann setzt das eine "Veränderung des Menschen (voraus), denn andernfalls würden wir nur die Symptome bekämpfen." (a.a.O., unter 9.)
Papst Franziskus benennt die Gefahren für die Zukunft von Natur und Menschheit, nicht zuletzt deshalb lädt er zu " einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle. Die weltweite ökologische Bewegung hat bereits einen langen und ereignisreichen Weg zurückgelegt und zahlreiche Bürgerverbände hervorgebracht, die der Sensibilisierung dienen. Leider pflegen viele Anstrengungen, konkrete Lösungen für die Umweltkrise zu suchen, vergeblich zu sein, nicht allein wegen der Ablehnung der Machthaber, sondern auch wegen der Interessenlosigkeit der anderen. Die Haltungen, welche – selbst unter den Gläubigen – die Lösungswege blockieren, reichen von der Leugnung des Problems bis zur Gleichgültigkeit, zur bequemen Resignation oder zum blinden Vertrauen auf die technischen Lösungen. Wir brauchen eine neue universale Solidarität." (a.a.O., unter 14.)
Völlig zu Recht kritisiert Franziskus "die ständige Beschleunigung" sowie die "intensivierung der Lebens- und Arbeitsrhythmen", die durch die "Dynamik der komplexen Systeme" aufgezwungene Geschwindigkeit, die "im Gegensatz zu der natürlichen Langsamkeit der biologischen Evolution" steht. Er spricht aus gutem Grunde von "einer Zeit irrationalen Vetrauens auf den Fortschritt und das menschliche Können", eine Irrationalität, die ich vor allem auch in ihrem Mangel an Berücksichtigung des Gesamtsystems Erde sehe: fast immer stehen irgendwelche aus einer Gesamtschau abstrahierende (Gewinn-) Interessen, Gigantomanien der Machbarkeit und menschliche Hybris im Zentrum von Denken und Handeln. Diejenigen, welche das deutlich ansprechen und kritisieren, die auf daraus resultierende Gefahren verweisen, werden dann nicht selten als "Ewig-Gestrige", als "fortschrittsfeindich" oder gar als ignorant verunglimpft und bekämpft. Wie man mit Menschen umgeht, die noch ein (relativ) ungetrübteres und naturgemäßes Verhältnis zu ihrer Umwelt haben, zeigen schon wieder zu Beginn des Jahres 2019, wie der neue konservative Präsident Brasiliens mit den Rechten der dortigen indigen Volksgruppen umzugehen gedenkt: der Rodung von Natur und der Ausbeutung durch Landwirtschaft wird absoluter Vorrang vor den Bedürfnissen der Ureinwohner eingeräumt; für deren Raumzugeständnisse (im Klartext: Reduzierung derer Territorien und Verschlechterung derer Lebensgrundlagen!) ist auch noch die Landwirtschaftsministerin zuständig ... Da hat man, was Not, Leid und Bedürfnisse der Ureinwohner angeht, den Bock zum Gärtner gemacht. Das ist leider kein Einzelbeispiel! Wir erinnern uns noch an die Landausbeutungsvorhaben der Trump-Regierung, die ohne Rücksicht auf indianische Interessen ihre ökonomischen Ziele umzusetzen sich anschickt. Da spielen Kult und "Heiligkeit der Orte" schon gar keine Rolle, Gewinnmaximierung geht über alles. Umso wichtiger, daß ein einflußreicher Mann wie der Papst hier immer wieder deutlich seine Stimme erhebt. So ganz einfach kann man über dessen Aussagen nicht hinweggehen, dazu ist seine weltweite Reputation doch -- Gott sei Dank! -- zu groß.
Sehr deutlich und wirklich unmißverständlich spricht Franziskus in seiner Umwelt-Enzyklika all das an, was uns zunehmend gefährdet und Lebensgrundlagen entzieht: die derzeitigen Veränderungen gehen mit einer "Verschlechterung der Welt und der Lebensqualität eines großen Teils der Menschheit" einher (ich persönlich denke, daß letztlich die gesamte Menschheit früher oder später davon betroffen sein wird, nicht nur ein großer Teil!), die "Abfall- und Wegwerfkultur", Verschmutzung der Natur, vor allem auch der Gewässer durch "Müll", "Überschwemmung der Landschaften durch Müll", Effekte durch "Bioakkumulation", Trinkwasserproblematik, Intensivierung der Landwirtschaft, Abholzung von Wäldern, Zerstörung der Regenwälder, Klimawandel und Anstieg der Meeresspiegel, Zerstörung der Polarregionen, Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen von hausgemachten klimatischen Veränderungen gegenüber darunter leidenden Menschen, Tieren und Pflanzen, Verlust der Biodiversität, und, und, und ... Nichts von den Bedrohungsszenarien läßt der Papst in seiner Betrachtung aus, immer wieder verweist er auf gangbare Wege! Man müßte sie nur gehen wollen, man müßte sich nur endgültig von Raubbau und Ausbeutung sowie von exzessiver Ausbeutung von Natur und Mensch verabschieden. Das mag zu weniger materiellem Reichtum führen, würde aber zu großem Reichtum an anderer, tiefergehender Lebensqualität führen -- und vor allem: nachhaltig sein.
(Es lohnt sich wirklich für alle, die am Wohlergehen von Mensch und Umwelt -- beides hängt bekanntlich ja miteinander zusammen und voneinander ab! -- interessiert sind, diese Enzyklika von der ersten Zeile bis hin zum letzten Quellenverweis zu lesen, durchzuarbeiten. Sie hebt sich vor allem durch ihre sachliche Tiefe, ihre große Ehrlichkeit sowie Kenntnisreichtum hinsichtlich Bedingungen der Möglichkeiten einer Umkehr wohltuend von der üblichen Geschwätzigkeit, Verkürzung als auch Unverbindlichkeit herkömmlicher Äußerungen aus Politik und Wirtschaft ab!)
Nochmals Papst Franziskus wörtlich: "Wenn die Umweltverträglichkeit irgendeines Unternehmens geprüft wird, achtet man gewöhnlich auf die Auswirkungen auf den Boden, das Wasser und die Luft, doch nicht immer wird eine sorgfältige Untersuchung über die Wirkung auf die biologische Vielfalt eingeschlossen, als sei der Verlust einiger Arten oder Gruppen von Tieren oder Pflanzen etwas von geringer Bedeutung. Schnellstraßen, Neukultivierungen, Drahtzäune, Talsperren und andere Konstruktionen ergreifen Besitz von den Lebensräumen, und manchmal zersplittern sie diese derart, dass die Tierpopulationen nicht mehr wandern, noch frei pendeln können, so dass einige Arten vom Aussterben bedroht sind. Es gibt Alternativen – wie die Schaffung von biologischen Korridoren –, welche die Wirkung dieser Bauten zumindest abschwächen, doch eine solche Umsicht und Vorsorge ist nur in wenigen Ländern zu bemerken. Wenn einige Arten kommerziell genutzt werden, erforscht man nicht immer die Weise ihres Wachstums, um ihre übermäßige Reduzierung und das daraus resultierende Ungleichgewicht des Ökosystems zu vermeiden." (a.a.O., unter 35.) "Die Pflege der Ökosysteme setzt einen Blick voraus, der über das Unmittelbare hinausgeht, denn wenn man nur nach einem schnellen und einfachen wirtschaftlichen Ertrag sucht, ist niemand wirklich an ihrem Schutz interessiert. Doch der Preis für die Schäden, die durch die egoistische Fahrlässigkeit verursacht werden, ist sehr viel höher als der wirtschaftliche Vorteil, den man erzielen kann. Im Fall des Verlustes oder des schweren Schadens an einigen Arten ist von Werten die Rede, die jedes Kalkül überschreiten. Darum können wir stumme Zeugen schwerster Ungerechtigkeiten werden, wenn der Anspruch erhoben wird, bedeutende Vorteile zu erzielen, indem man den Rest der Menschheit von heute und morgen die äußerst hohen Kosten der Umweltzerstörung bezahlen lässt." (a.a.O., unter 36.) Wenn hier nur die Rede von "egoistischer Fahrlässigkeit" ist, dann möchte ich ergänzen, daß es viele Kreise gibt, die durchaus grobfahrlässig oder gar mit voller Absicht gegen Nachhaltigkeitsprinzipien handeln, um ihre Gewinnmaximierung zu gewährleisten. (Motto dann bisweilen: Nach mir die Sintflut ...)
Der Papst sieht natürlich auch, daß sogenannte Ausgleichsmaßnahmen häufig wenig bis nichts bringen: "Der Ersatz der wilden Flora durch Flächen, die mit Bäumen aufgeforstet werden und im allgemeinen Monokulturen sind, ist gewöhnlich auch nicht Gegenstand einer angemessenen Analyse. Denn das kann einer biologischen Vielfalt, die von den neu angepflanzten Arten nicht angenommen wird, schwer schaden. Auch die Feuchtgebiete, die in Kulturland verwandelt werden, verlieren die enorme biologische Vielfalt, die sie beherbergen. In einigen Küstenzonen ist das Verschwinden der durch Mangrovensümpfe gebildeten Ökosysteme besorgniserregend." (a.a.O., unter 39.)
Franziskus fordert einen "anderen Lebensstil", einen der sich vom "zwanghaften Konsumismus", welcher letztlich "das subjektive Spiegelbild des techno-ökonomischen Paradigmas" sei, verabschiedet. Und dieser Konsumismus hängt auch mit dem Prinzip der Gewinnmaximierung zusammen, denn ohne entsprechte Konsumtion gäbe es keine Gewinnmaximierung. Wie kontraproduktiv diese jedoch gegenwärtig auch hinsichtlich Nachhaltigkeit umgesetzt wird, spricht der Papst klar an: "Das Prinzip der Gewinnmaximierung, das dazu neigt, sich von jeder anderen Betrachtungsweise abzukapseln, ist eine Verzerrung des Wirtschaftsbegriffs: Wenn die Produktion steigt, kümmert es wenig, dass man auf Kosten der zukünftigen Ressourcen oder der Gesundheit der Umwelt produziert; wenn die Abholzung eines Waldes die Produktion erhöht, wägt niemand in diesem Kalkül den Verlust ab, der in der Verwüstung eines Territoriums, in der Beschädigung der biologischen Vielfalt oder in der Erhöhung der Umweltverschmutzung liegt. Das bedeutet, dass die Unternehmen Gewinne machen, indem sie einen verschwindend kleinen Teil der Kosten einkalkulieren und tragen. Als ethisch könnte nur ein Verhalten betrachtet werden, in dem die wirtschaftlichen und sozialen Kosten für die Benutzung der allgemeinen Umweltressourcen offen dargelegt sowie von den Nutznießern voll getragen werden und nicht von anderen Völkern oder zukünftigen Generationen." (a. a. O., unter 195.) Aber wie sieht es denn tatsächlich bei all dem vorgeblichen oder tatsächlichen Mühen um Analysen und Lösungen bei Wirtschaft und Politik in aller Regel denn aus? Da wird Franziskus wiederum sehr deutlich: "Die Politik und die Wirtschaft neigen dazu, sich in Sachen Armut und Umweltzerstörung gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Was man jedoch erwartet, ist, dass sie ihre eigenen Fehler erkennen und Formen des Zusammenwirkens finden, die auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind. Während die einen nur verzweifelt nach wirtschaftlicher Rendite streben und die anderen nur besessen darauf sind, die Macht zu bewahren oder zu steigern, haben wir als Ergebnis Kriege oder unlautere Vereinbarungen, bei denen es beiden Teilen am wenigsten darum geht, die Umwelt zu schützen und für die Schwächsten zu sorgen.“ (a.a.O., unter 198.) Man sieht hier leider nur allzu oft, daß handlungsleitend ist: "Die Einheit steht über dem Konflikt!"
Indem der Papst "die Aufgabenstellung von internationalen Organisationen und Vereinigungen der Zivilgesellschaft, welche die Bevölkerungen sensibilisieren und kritisch mitwirken – auch unter Einsatz legitimer Druckmittel –, damit jede Regierung ihre eigene und nicht delegierbare Pflicht erfüllt, die Umwelt und die natürlichen Ressourcen ihres Landes zu bewahren, ohne sich an unehrliche lokale oder internationale Interessen zu verkaufen." als "anerkennenswert" wertet, spricht er meines Erachtens zugleich eine Verpflichtung eines jeden Individuums aus, auf Politiker und Regierung als auch auf Wirtschaft entsprechenden -- legitimen! -- Druck auszuüben." (a.a.O., unter 38.) Daß es hier Möglichkeiten über Wahlbeteiligung hinaus gibt, dürfte bekannt sein ... Und daß man mit Konsumverhalten auch Wirtschaft zumindest zu einem gewissen Teil steuern kann, ist auch keine Neuigkeit. Freilich: von diesen Möglichkeiten wird immer noch viel zu wenig Gebrauch gemacht. So wäre es schon mal sinnvoll, all jenen Politikern und Politikerinnen, welche seit Jahren immer nur von Umweltschutz reden, faktisch jedoch kaum etwas dafür tun (häufig sogar eher entgegen ihren Versprechungen und Ankündigungen handeln!), einmal auch dann die "rote Karte" zu zeigen, wenn sie plötzlich (vor Wahlen meist dann ja ...) das Blaue vom Himmel herunterversprechen. Hier sollte man ruhig nach der Devise verfahren: Du hast all die Jahre nichts Entsprechendes geleistet, also glaube ich Dir auch heute nicht, wirkst ja eher wie der Wolf aus dem Märchen, der nun Kreide gefressen hat und plötzlich so sanft und verständnisvoll auftritt ... Die Wahrheit zeigt sich vor allem in der Politik durch gelebte bzw. nichtgelebte Praxis. Und wenn Franziskus mit Blick auf Wirtschaft und Konsum sowie Lebensgestaltung feststellt, "Das Kaufen (ist) nicht nur ein wirtschaftlicher Akt, sondern immer auch eine moralische Handlung.", dürften ihm viele Menschen da zustimmen. Als Stichworte seien in diesem Zusammenhang genannt: Niedriglohn, kurzlebige Waren, große Transportwege, umweltschädliche Materialien, Kompensation eigentlicher Bedürfnisse, etc. Es trifft sicherlich zu: "Eine Änderung der Lebensstile könnte dazu führen, einen heilsamen Druck auf diejenigen auszuüben, die politische, wirtschaftliche und soziale Macht besitzen. Das ist es, was die Verbraucherbewegungen erreichen, die durch den Boykott gewisser Produkte auf das Verhalten der Unternehmen ändernd einwirken und sie zwingen, die Umweltbelastung und die Produktionsmuster zu überdenken. Es ist eine Tatsache, dass die Unternehmen, wenn die Gewohnheiten der Gesellschaft ihre Rendite gefährden, sich genötigt sehen, ihre Produktionsweise zu ändern." (a.a.O., unter 206.)
In seiner Enzyklika geht Franziskus ausführlich auch auf "Erziehung zum Bündnis zwischen der Menschheit und der Umwelt" (a.a.O., unter II.) ein, spricht das Spannungsverhältnis von gewordener bzw. etablierter Marktmacht und deren Einflüsse auf der einen Seite sowie seelisch-psychologischen Aspekten, welche nach tieferer Verankerung im Dasein verlangen an. Er verweist auf kulturelle Bedingtheiten, auf notwendiges Veränderungspotential, welches jedoch als notwendige Bedingung für ökologisch orientiertes Verhalten, für umfassende Verantwortung, nicht nur formale Ausprägungen (Verordnungen, Gesetze) aufweisen darf, sondern tiefe Verankerung im Bewußtsein eines jeden einzelnen finden muß. Ansonsten dürfte eine neue, andere, nachhaltig orientierte Positionierung nicht zu erzielen sein. Welche Wirkmächte allerdings gegen diese neue Form von Individualität mit Ausrichtung auf kollektives Handeln ankämpfen werden und würden, dürfte leicht ausmachbar sein ... Ich fürchte, daß gerade diese (notwendige!) Neuorientierung in der Erziehung in unserer gegenwärtigen Erziehungslandschaft kaum aufzuzeigen ist. Es herrschen da vielmehr mehr oder weniger gut gelungene Versuche mit Euphemismen und anderen Taktiken, über die Wirklichkeit hinweg zu täuschen, vor. Bislang sind es -- relativ gesehen -- leider nur wenige Menschen, die hier eine neue Verantwortung leben und ein materiell bescheideneres Leben gestalten wollen. Das Geschrei all jener, die etwa mit "Industrie 4.0" oder "Digital first, Bedenken second!" und immer wieder mit dem Totschlagargument "Verlust von Arbeitsplätzen" (bei Versuchen von Umstrukturierungen / Neuorientierung) ähnlich oberflächlichen und wenig durchdachten die Öffentlichkeit zu täuschen versuchen, dürfte immer noch Oberhand behalten. (Man muß sich da ja nur einmal die Geschwätzigkeiten in den diversen Talk-Show-Formaten vergegenwärtigen, vor allem wenn Personen aus der Politik und Wirtschaft zugegen sind!)
Hier nun abschließend noch ein sicherlich -- angesichts der Fülle dessen, was Franziskus uns mit seiner Enzyklika aufgegeben hat -- bestimmt etwas zu kurz greifender Versuch einer Zusammenfassung seiner Gedanken und (impliziten respektive expliziten) Forderungen.
1. "Niemals haben wir unser gemeinsames Haus so schlecht behandelt und verletzt wie in den letzten beiden Jahrhunderten." -- Wer wollte das bestreiten? Mit welchen Argumenten? Mit welchem Geist? Mit welchem Wissensstand?
2. "Die Erde, unser Haus, scheint sich immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln." -- Man sieht und erfährt es tagtäglich: in und aus den Medien, wohl auch im (eigenen) Nahbereich ...
3. "Der Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der Umwelt hat die Kapazität des Planeten derart überschritten, dass der gegenwärtige Lebensstil nur in Katastrophen enden kann." -- eine realistische Prophetie!
4. "Die Unterwerfung der Politik unter die Technologie und das Finanzwesen zeigt sich in der Erfolglosigkeit der Weltgipfel über Umweltfragen." -- Hier stehen Aufwand und Ertrag in einem extremen Mißverhältnis! Immer wieder zu sehen ...
5. "Das Bündnis von Wirtschaft und Technologie klammert am Ende alles aus, was nicht zu seinen unmittelbaren Interessen gehört." -- So ist es, der Dieselskandal, das Ringen um Nikotinoide, um Kunstdüngung, Spritzmittel, und, und, und ...
6. "Wir wissen, dass das Verhalten derer, die mehr und mehr konsumieren und zerstören, während andere noch nicht entsprechend ihrer Menschenwürde leben können, unvertretbar ist." -- Sollte bekannt sein, Migration belegt es spürbar!
7. "Darum ist die Stunde gekommen, in einigen Teilen der Welt eine gewisse Rezession zu akzeptieren und Hilfen zu geben, damit in anderen Teilen ein gesunder Aufschwung stattfinden kann." --- siehe meinen Schlußsatz hierzu!
8. "Die wirkliche Weisheit, die aus der Reflexion, dem Dialog und der großherzigen Begegnung zwischen Personen hervorgeht, erlangt man nicht mit einer bloßen Anhäufung von Daten, die sättigend und benebelnd in einer Art geistiger Umweltverschmutzung endet." -- die Trumps dieser Welt, aber nicht nur diese, dürften hier dem Pontifex widersprechen, womit sie freilich falsch liegen, denn auch hier hat der Papst die Erfahrungswerte auf seiner Seite des Arguments.
Alle hier vorgenannten Punkte sind nachprüfbar, nicht nachprüfbar sind allerdings die Wahrscheinlichkeiten zukünftiger Ausprägungen; es scheint mir aber eher so, daß außer hochtrabenden Worten der von diesen Statements angesprochenen Menschen keine wesentliche Änderung in die notwendige, auch vom Papst erkannte und angemahnte, Richtung erfolgen werden. Denn viel zu träge sind die wenigen Maßnahmen in ihrer Wirksamkeit, zu rapide dagegen das Fortschreiten des Unheilvollen, des Zerstörerischen! Hier geht die Kluft eher noch weiter auseinander! Vor all habe ich meine Zweifel, daß die in Punkt 7 geforderte und eigentlich unbedingt notwendige Herabsetzung unseres gegenwärtigen Lebensstandard zugunsten ärmeren Menschen umgesetzt wrird; ich fürchte, sie wird nicht einmal in geringen Teilen angegangen ... Dabei hätten wir bei entsprechender Einsicht da nur Vorteile: anderen ginge es endlich auch zumindest etwas besser, uns aber auch, da wir uns auf andere als überwiegend materielle Werte besinnen und endlich wieder ein Stück wenigstens näher zur Nachhaltigkeit gelangen könnten.
So richtig der Papst liegt, so gut und ehrlich und notwendig seine klaren Worte hier und zu Weihnachten sind, so schnell dürften sie zu meinem großen Bedauern auch wieder im Alltagssumpf materieller und moralischer Trägheit der Massen und der Mächtigen versiegen. Leider! Schade! Und, vor allem auch: irgendwann wird es dafür eine Rechnung zu bezahlen geben ...
Wenn die stille Zeit vorbei ist, dann wird es auch endlich wieder ruhiger.
(Karl Valentin zugeschrieben)
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Karl Valentin wird folgende Aussage zugeschrieben: "Wenn die stille Zeit vorbei ist, dann wird es auch endlich wieder ruhiger." (Andere Variationen sind: "Ich bin froh, wenn die staade Zeit vorbei ist, dann wird's vielleicht wieder ruhiger." oder auch "Wenn die stade Zeit vorbei is', werd's a wieda ruhiga.")
Ich gehe vor dem Hintergrund meines Valentin-Verständnisses nicht davon aus, daß Valentin mit dieser Aussage ausdrücken wollte, daß die Zeit abseits von Weihnachten generell eine "ruhige" oder auch nur "ruhigere" Zeit gewesen ist. Im Gegenteil: ich denke, daß durch dieses Kontrastieren von "Weihnachten" (und dem eben dort überhaupt nicht zutrefffenden "staade Zeit"!) mit dem ansonsten ohnehin stets präsenten Trubel und der herrschenden Unruhe sowie Geschäftigkeit im übrigen Jahresrhythmus nur die Kluft zwischen dem Schein und dem Sein von Weihnachten hervorgehoben werden sollte. Moderner ausgedrückt könnte man sagen, daß mit dieser Festestellung die vielfach euphemistische Beschreibung von Weihnachten ad absurdum geführt wird.
Kurze Anmerkungen: Zu der Verwendung von Valentin-Zitaten darf ich ergänzen, daß grundsätzlich bis 70 Jahre nach dem Ableben in Deutschland der Urheberschutz währt. Valentin starb 1948, so daß bis Ende 2018 im Grundsatz dieser Schutz besteht. Den Nachlaß verwaltet seine Enkelin Anneliese Kühn, ihre Rechte nimmt Anwalt Gunter Fette seit 1970 wahr. Fette: "Wir verbieten nicht alles und jeden." Es gehe schlicht um die Frage, ob das Zitat in einem "werblichen Zusammenhang" stehe. "Wenn Sie als Privatmann auf ihrer Homepage Valentin zitieren, ist das okay." (Quelle: Merkur.de vom 10.11.11, entnommen 25.12.2018) Vor diesem Hintergrund verwende ich das o.g. Valentin-Zitat, trotz allem jedoch erst zu Beginn des Jahres 2019. Übrigens gilt die Ablauffrist nicht für die Werke, an denen Liesl Karstadt beteiligt ist, da die am 12. Dezember 1892 in München geborene Frau Karstadt erst am 27. Juli 1960 (in Garmisch-Partenkirchen) verstorben ist.
Karl Valentin (geboren am 4. Juni 1882 in München, gestorben am 9. Februar 1948 in München) hieß mit bürgerlichem Namen Valentin Ludwig Frey und wurde als Komiker, Volkssänger, Autor und Filmproduzent bekannt. In München kann man im Valentin-Museum sich gut über sein Schaffen näher informieren.
Und wieder in ein Neues Jahr!
Schon wieder und immer noch ...
... ganz schnell hinein ins Neue Jahr
mit sattsam bekannten Bekehrungstönen.
Belehrungsorgien und Phrasenhaftigkeit:
möglichst laut, grell, oft schön besoffen.
Trunkenheitsgelage und Freßekstasen,
Umarmungen als Verlegenheitsgesten,
Schöngetue und Scheinwelten pflegen.
Falsche Versprechungen, billige Töne:
Vortäuschung von Gemeinsamkeiten.
Trennendes nicht erkennen können.
Trennendes nicht erkennen wollen.
Trennendes nicht wahrnehmen dürfen.
Spiele verlogener Gemeinschaftlichkeit!
Kein Blick in die Spiegel und zurück:
Vermeiden von Erkenntnissen aus dem
Jahreswechsel vor einem Jahr und früher.
Augenblicksoptimismus ja nicht stören!
Ehrlichkeit vermeiden, Wörter versüßen!
Euphemismusattacken! Gleichschritt!
Der Gleichklang aus Trotthaftigkeit:
Schon wieder und immer noch das alte
Leben aus Selbsttäuschung und falschem
Trost fortschreiben – für ein weiteres
Jahr fern jeglicher Einsicht und Erkenntnis.
Vielleicht ist es manchem doch gegeben:
Das Bemühen, ohne Lüge recht zu leben.
Sich mühen, töricht’ Treiben zu entfliehen.
Dem stumpfsinnig’ Lauten sich stets entziehen!
Die richtigen Reime suchen und nähren:
Falsches nicht in Richtiges verkehren!
Durchaus ungereimt und deutlich leben
Und den Irrenden gar nichts vergeben!
Bescheidene Schritte zum Jahreswechsel
Versuche aus Einsichten ernsthaft wagen,
Ignorierend das Laute, Leere und Öde –
Und statt Dogmatik bessere Seelenklänge.
(Fagusarua 27.12.2018)
Wird’s besser? Wird’s schlimmer? fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich!
Erich Kästner
Wenn’s alte Jahr erfolgreich war, dann freue dich
aufs neue. Und war es schlecht, ja dann erst recht.
Albert Einstein
Nachlese zu Silvester 2018
Jedes Silvester diese üble Wiederholung: Millionen werden verpulvert, Geld, das man sicherlich sinnvoller verwenden könnte. Dann die Belästigung von Tierwelt und Natur. Feinstaubausstoß bis zum Exzess. Verletzungen vielfältiger Art. Aber viele glauben, eben sich nur auf diese Art bemerkbar machen zu können, nur so ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Freude Ausdruck verleihen zu können.
Jedes Silvester dann auch immer wieder: die Kritik an dieser (sinnlosen) Böllerei auf der einen Seite, Rechtfertigungsversuche auf der anderen.
Die Deutsche Umwelthilfe hat den Stopp von Feuerwerken in belasteten Innenstädten gefordert, Der Deutsche Städtetag hat dieses Verlangen sofort zurückgewiesen. (Meine Zwischenfrage: warum eigentlich nur ein Verbot in belasteten Innenstädten? Sind andere Bereiche denn nicht durch diese Knallerei belastet? Vor allem: Haben wir ein Recht, der Tierwelt derartige Schrecken zuzumuten, bei ihr Ängste auszulösen, Fluchtverhalten auch noch zu einem Zeitpunkt auszulösen, zu dem Tiere äußerst sparsam mit ihren Reserven umgehen müssen? Klare Antwort von mir: NEIN!)
Helmut Dady, Hauptgeschäftsführer des Städtetages, räumt da zwar ein, daß Umwelt und Gesundheit durch Feuerwerk "in einem gewissen Umfang belastet" würden, meint aber ergänzend: "Daraus die Forderung abzuleiten, Silvesterfeuerwerk an den Stadtrand zu verlagern, geht mir jedoch zu weit." Weiter sagte er gegenüber Handelsblatt: "Die Menschen stehen ganz unterschiedlich zu Feuerwerk, viele aber erfreuen sich Silvester daran, wenn es verantwortungsvoll gehandhabt wird. (...) Mit einer Verlagerung an den Stadtrand würde man vielen Menschen diese Freude nehmen." Für ein Feuerwerk-Stopp aus Sicherheitsgründen zeigt er sich jedoch offen: "Einige Städte untersagen das Abfeuern von Feuerwerk und Raketen in bestimmten Teilen der Innenstädte, um die Sicherheit der feiernden Menschen zu erhöhen. (...) Die städtischen Feierzonen sind zu schützen vor Unfällen und Gefährdungssituationen, die leider zum Teil auch mutwillig herbeigeführt werden.", aber das regelten die Städte vor Ort unterschiedlich, "weil sie anhand der lokalen Situation am besten einschätzen können, inwieweit in Teilen der Städte Feuerwerksverbote notwendig sind." Dabei verwies er darauf, daß es in mehreren "Innenstädten" zu Silvester in den vergangenen Jahren Vorfälle gegeben habe, in denen Menschen durch Feuerwerkskörper gefährdet worden seien.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, spricht davon, daß Polizisten zum Jahreswechsel "viel Aggressivität und Respektlosigkeit" wahrnehmen würden und dies beträfe sowohl die Polizei, aber auch Rettungskräfte und Feuerwehr. Wörtlich sagte er: "Da werden Böller beispielsweise gezielt auf Menschen geworfen und Raketen verantwortungslos in Richtung von Häusern abgeschossen." Hunderte von Menschen würden jedes Jahr durch die Silvesterschießerei verletzt. Dennoch sieht er ein Verbot skeptisch, allerdings wohl aus einem anderen Grund als Helmut Dedy: "Die derzeitige Diskussion um ein Verbot von Silvesterfeuerwerk in eng besiedelten Stadtgebieten sehe ich skeptisch, da die Polizei die hierzu notwendigen Kontrollen personell überhaupt nicht leisten kann."
Auch Umweltschützer und Mediziner sehen das Silvesterfeuerwerk kritisch. Es sei vor allem für Menschen mit Atemwegserkrankungen kritisch, so die Mediziner, da die Feinstaubbelastung durch die Böller explosionsartig ansteige. Weitere medizinische Gefährdungen: Eindringen der Partikel in den Blutkreislauf, Entzündugen der Atemwege, Gefahr von Thrombosen und Herzstörungen. Hier Daten zur Feinstauberzeugung: 4.500 Millionen Kilo Feinstaub zu Silvester (das sind 15,5% der Jahresfeinstaubbelastung durch Autoverkehr!).
Das Umweltbundesamt regt deshalb an, wegen der hohen Feinstaubbelastung auf das private Silvester-Feuerwerk zu verzichten, denn so könne man einen Beitrag zur Verringerung der silvesterlichen Feinstaubbelastung leisten und zudem werde dann auch weniger Müll auf den Straßen und in der Umwelt verursacht. In diesem Sinne äußerte sich die Chefin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger.
Gegen strengere Vorschriften spricht sich u.a. auch Julia Klöckner (CDU-Vize) aus und nennt den Vorstoß der Umwelthilfe "bevormundend". Er würde das "Verantwortungsbewusstsein" der Bürger beeinträchtigen, so die derzeitige Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" ; es könne nicht angehen, dass diejenigen, die sich fehlverhalten, das Leben derer bestimmen, die sich ordentlich verhalten". Letztere Aussage bezieht sie auf ihre Einlassung, wonach es immer wieder "Deppen" gebe, die ihre Mitmenschen in Gefahr brächten, und dies käme leider auch in anderen Bereichen des Alltags vor. Ich verstehe, daß eine ehemalige Weinkönigin zum Feiern eine besondere Affinität haben dürfte, freilich verstehe ich nicht, weshalb Frau Klöckner die eigentliche Hauptproblematik zumindest an dieser Stelle außer Betracht läßt: es geht um den Schutz der Umwelt, es geht um das Wohl der Tierwelt und es geht darum, inwieweit diese Formen des "Feierns" (die Freude der einen, die Belästigung der anderen) auch im Zusammenhang mit der Ressourcen- und Geldverpulverung noch zeitgemäß ist! Es geht um die Abwägung von Sinn und Unsinn ... Und die Wechselwirkung von etwaigen Verboten und dadurch sich ergebender Beeinträchtigung des Verantwortungsbewußtseins von Bürgern sollte sie nochmals überdenken und dann diskursiv (nochmals. wirklich diskursiv!) erörtern; zwingend ist diese ganz gewiß nicht!
Positiv gegenüber dem Silvestergeknalle zeigt sich auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, gegenüber der "Passauer Neuen Presse": "Wir sollten Feuerwerk als Brauchtum respektieren. In Deutschland ist es langjährige Tradition, das neue Jahr mit einem Feuerwerk zu begrüßen. Die Menschen bringen damit ihre Lebensfreude, aber auch ihre Hoffnung auf ein glückliches neues Jahr zum Ausdruck. Das sollten wir akzeptieren." Auch von dieser Seite werden einschlägige schärfere Vorschriften oder gar Verbote abgelehnt.
Lebensfreude? Ausdruck der Lebensfreude? Auch Hoffnung so zum Ausdruck bringen? Eine tolle Lebensfreude, die sich mit Krach und Gestank und mit Belästigung äußert. Was ist das denn für ein Brauchtum, welches eher unzeitgemäß ist, vielmehr eine noch immer mehr zunehmende Gigantomanie von "Gemeinsamkeit" generiert, eine Gemeinsamkeit, die sich im Alltag meistens blitzschnell wieder als sehr trügerisch erweist. Nein, keine Perpetuierung von Brauchtum scheint mir das mittlerweile mehr zu sein (da sollte man sich einmal erinnern, was der ursprüngliche Sinn dieses Treibens gewesen ist; aus jener Zeit des Götzen- und Geisterglaubens sollten sich aufgeklärte Leute mittlerweile doch verabschiedet haben ...), sondern ein Automatismus, dessen Fortführung eigentlich längst als sinnlos zu erkennen sein sollte. Nein, Herr Landsberg, das sollten wir (Frage: und wer ist damit eigentlich gemeint, mit diesem "wir"?) nicht so sang- und klanglos akzeptieren. Wie wohltuende da der Aufruf seitens Kirche: "Brot statt Böller!" Diese Forderung ist nicht neu, aber sie findet immer mehr Zuspruch. Längst nicht mehr eine ungebändigte Mehrheit findet es zielführend, dorthin zu rennen wo Krach, Qualm. Gegröhle, Enge eine ganz besondere Form des "Miteinanders" generieren, immer mehr werden es auch, die das Geballere auch im eigenen Nahbereich nicht mehr praktizieren. Gut so. Aber es sind noch viel zu wenige, die sich hier entziehen, die Vernunft walten lassen. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick meinte, man solle an "Brot statt Böller" denken bevor man Raketen für Silvester kaufe und erinnerte auf Twitter und Facebook gleichzeitig daran, daß mehr als 800 Millionen Menschen hungern: "Mit dem Geld für unnötigen Krach und Luftverschmutzung könnt Ihr Menschen vor dem Hungertod retten. Caritas und Diakonie leiten Eure Spende weiter." Auch das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" fordert unter dem Motto "Brot statt Böller" zu Spenden auf und diese Aktion sei "eine Einladung an alle, denen Silvester-Feuerwerk mit Böllern und Krachern eher Unbehagen bereitet", so Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. Da kann man sich als jemand, der dieses Unbehagen teilt, nur wünschen, daß man die "Freude" des kurzen "Glitzern und Krachen am Nachthimmel" auf breitester Basis durch langanhaltende Freuden und echte Mitmenschlichkeit zu ersetzen lernt ... 137 Millionen Euro sollen Silvester 2017 für Feuerwerksartikel ausgegeben worden sein! Unglaublich! Einfach in die Luft gepulvert. Dafür hat man offensichtlich dann Geld ...
Bestimmt sind mittlerweile all die Meldungen über mehr oder weniger schlimme Unfälle bis hin zu Todesfällen im Rahmen von Silvester 2018 vernommen worden. Und das alles im Kontext von "Ausdruck der Freude"? Ist das Freude, wenn immer wieder dann das Ergebnis Verstümmelung, aggressive Akte (Randale, Schlägereien, Schießen auf Personen z.B.) bis hin zu Todesfällen ist?
Sollte und will man doch besser nicht annehmen! Also, was soll das Ganze denn dann heutzutage noch? Damit ein Ende finden, den Versuch wagen, oberflächliches Freudengetue durch tiefe, echte, anhaltende Freude ersetzen! Mensch, Tier, Natur -- sie alle haben eigentlich zielführendere Ausdrucksformen für Freude und gute Vorhaben verdient ...
Ein besonders schlimmer und tragischer Fall wird aus Schönberg bei Kiel berichtet. Dort verstarb eine 39-Jährige, Mutter von drei kleinen Kindern, durch eine Schußverletzung. Die Frau ging mit ihrem Ehemann ins Freie um das Silvesterfeuerwerk anzuschauen. Wenig später war sie plötzlich zusammengebrochen und mit tödlichen Kopfverletzungen ins Krankenhaus gebracht worden. Unfaßbar diese Tragik für diese Familie. Drei kleine Kinder nun ohne ihre Mutter, der Ehemann ohne seine Frau! Unfaßbares Schicksal. Bei der Notoperation wurden im Kopf Metallsplitter gefunden. Zunächst nahm man an, diese rührten von einem unsachgemäß gebauten Feuerwerkskörper her. Weitere Untersuchungen ergaben jedoch, daß die Frau an einer Schußverletzung starb. Der Tod der Mutter geht also nach neuen Erkenntnissen nicht auf ein illegales Feuerwerk zurück. Bei den gefundenen Metallsplittern handelt es sich um Teile eines Projektils bislang unbekannten Kalibers. Die Oberstaatsanwalt Kiel ermittelt nun.
Manche werden sich erinnern: Letztes Jahr wurde während des Silvesterfeuerwerks in Bayern auf ein kleines Mädchen geschossen. Nicht besonders verwunderlich, daß es immer wieder Menschen gibt, die einen "Feier-Rahmen" zum Anlaß für ihre eigenen illegalen und kriminellen Aktivitäten zu nehmen. Ob dieses Problem mit der Klöcknerschen Nachsichtigkeit wirklich sinnvoll zu behandeln ist? Ich jedenfalls habe da meine erheblichen Zweifel.
Aus Freisen wird gemeldet, daß ein Storch eine Flügelverletzung durch einen Feuerwerkskörper erlitten hatte und dies letztlich nicht überlebte. Der Storch wurde am frühen Neujahrsmorgen zunächst gesehen, als er auf der A 62 umhergeirrte. Ein Verkehrsteilnehmer hatte dann angehalten, den Storch eingefangen und ihn auf der angrenzenden Wiese im Bereich der Anschlußstelle Freisen abgesetzt. Das Tier war wegen der schweren Flügelverletzung nicht mehr flugfähig. Die hinzugezogenen Polizeibeamten informierten telefonisch eine Tierpflegerin des Naturwildparks Freisen, die den verletzten Storch in Obhut nahm. Leider waren die Verletzungen jedoch so gravierend, daß der Storch nicht überlebte. (Quelle: breaking-news-saarland.de vom 1. Januar 2019)
Ich habe immer wieder aus Berichten und Gesprächen erfahren, wie rücksichtslos einige Menschen gerade mit Feuerwerkskörpern in der Nähe von Tieren und (Storchen-)Nestern umgehen. Auch ist bekannt, daß mehrfach auch gezielt auf Großvögel geschossen wurde. Für derart naturfeindliche oder -abstinente Personen helfen sicherlich keine Mahnungen, Bitten und relativierende Reden. Hier sollte stets geprüft werden, ob man nicht besser die Grundlagen für mögliches Fehlverhalten einschränkt oder beseitigt. Das geht natürlich nicht in allen Fällen, jedoch bei den zeitlich längst überholten Silvesterfeuerwerken und anderen "Krach-Veranstaltungen" wäre dies durchaus möglich, Naturverständnis und entsprechen guten Willen vorausgesetzt.
Ich könnte hier zahlreiche Vorfälle benennen, die negative Folgen von der diesjährigen "Silvesterfeierei" belegen (hierzu gehörten dann auch die exorbitanten Aufräumkosten, sicherlich allerdings sind das die noch relativ harmlosen Auswüchse ...), aber die Meldungen dürften ohnehin bereits bekannt sein ... Es bleibt nur die Hoffnung, daß doch (ich gebe zu: ich bin da eher pessimistisch!) immer mehr Menschen den Unsinn dieser Knallerei einsehen und daraus fruchtbringende Konsequenzen ziehen.
Was bleibt noch alljährlich im Zusammenhang mit dem Jahreswechsel zu erwähnen? Ja, ja, diese stets wiederkehrenden Reden, botschaftenartig wie langweilig und unverbindlich, diese ewige Jagd nach Leerformeln mit dem Versuch, diese in girlandenhafte Verzückungsversatzstücke zu kleiden. Alljährlich letztlich doch immer wieder überwiegend das: Sich selbst erhöhen, sich selbst mit einer scheinbaren Aura der Weisheit bemänteln, vor allem aber auch: fern jeglicher Selbstkritik, fern jeglichen Eingeständnisses vom eigenen Versagen, von eigener Unzulänglichkeit. Insofern sind es jene Reden kaum oder gar nicht (mehr) wert, beachtet zu werden. Man könnte es sich da leicht machen: sie einfach ignorieren. Aber da ist ja auch die leise Hoffnung, daß vielleicht da doch einmal noch wenigstens ein Hauch von Substanz erscheinen könnte -- also hört man hin, liest und nimmt zur Kenntnis. Und dann doch dies: es gibt hin und wieder Bemerkungen, welche aufhorchen lassen ...
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat da einen meines Erachtens äußerst bemerkenswerten Satz gesagt: "Ich habe in diesem Jahr viel gelernt. Vor allem eines: dass wir in der Politik einander besser zuhören sollten -- trotz der Hektik des Alltags." (Quelle: BR24.de vom 1.1.2019)
Da hält man doch etwas verwundert inne ... Nicht, daß man diese Aussage auch nur zu geringem Teil in Frage stellen möchte! Ganz im Gegenteil: in diesem Satz zeigt sich die Essenz jeglicher Auseinandersetzung in ihrer notwendigen Bedingung. Ohne Zuhören geht es einfach gar nicht, jedenfalls sofern man an Gespräch, Debatte, Diskussion oder gar Diskurs interessiert ist! Was verwundert mich dann dennoch an Söders Aussage? Richtig, daß jemand, der seit Jahrzehnten in der Politik ist, dessen Aufgabe es jedenfalls stets auch sein sollte, (besser) zuzuhören, der nach anderen Argumenten und Gegendarstellungen geradezu lechzen sollte, Gelegenheiten, die eigenen Positionen zu überprüfen, wahrzunehmen, daß ein solcher Mensch das erst jüngst gelernt haben sollte, diesen Wert des Zuhörens ... Schon sehr verwunderlich, nicht wahr?
Hat er das wirklich nicht schon früher wissen können? Warum denn erst all das "in diesem Jahr gelernt"? Nochmals: hier handelt es sich um die Grundlagen von Meinungsbildung überhaupt, nicht um ein Opportunitätsprinzip, "gelernt" nur aus schlechtem Wahlergebnissen. Wer erst dann derart elementare und banale Einsichten lernt, wenn Wahlen dies einem nahelegen, wenn also beispielsweise Machtverlust droht, der hat sicherlich das Wesentliche in Auseinandersetzungsoptimierung nicht begriffen. Nochmals für Herrn Söder und alle anderen: Ohne beständigem Zuhören, ohne Aufgreifen von Gegenargumenten, ohne sein Wissen auf eine breitest mögliche Basis zu stellen, ohne all dies und anderen Gesprächsgrundsätzen und Bedingungen kann sachliche Auseinandersetzung nicht stattfinden! Das ist auch essentiell für Demokratie ...
Ich gehe einmal davon aus, daß -- vor allem auf der Grundlage seiner Bildung und Lebenserfahrung -- es sich hier nicht unbedingt um eine neue Erkenntnis von Söder handelt, sondern daß diese "Neuorientierung" eher einen Bezug zum Erstarken derjenigen Gruppen herstellt, die Zulauf wegen schlechten Zuhörens, wegen des Ignorierens bestimmter Ansichten und Forderungen, haben. Und diese Erkenntnis dürfte Söders Betonen des "Zuhörens" zumindest sehr beflügelt haben ... Also doch ein Stück Machtkalkül? Zumindest nicht auszuschließen. Denn allumfassend Zuhören hätte er sicher schon früher praktizieren können, wäre ihm dies opportun und geboten erschienen. Aber man dachte halt, bestimmte Anliegen der Bevölkerung nicht besonders ernst nehmen zu müssen. Sollte diese "neue" Erkenntnis Söders nun bei ihm und seinen Mitstreitern sowie Mitstreiterinnen zu nachhaltiger Positionierung mit entsprechender Wahrnehmung der Bevölkerungsinteressen führen, wäre dies selbstverständlich zu begrüßen und eine Belebung demokratischer Meinungsfindungsprozesse.
Nicht viel anders ergeht es mir, wenn ich nun erfahre, "Söder ruft zum Kampf gegen Klimawandel auf". (ebd.) Die "Umweltschutzthemen (im) Mittelpunkt seiner Ansprache zum neuen Jahr". Aber weshalb diese Schwerpunktsetzung nicht schon vor langer und gebotener Zeit? Weshalb dieses Hickhack um das Riedberger Horn dann? Warum diesbezüglich nicht eine alpenfreundlichere, eine dem Umweltschutz angemessene Orientierung beizeiten? Warum erst nach massivsten Widerständen eine (allerdings sehr verhaltene) Umkehr? Jetzt plötzlich in der Neujahrsansprache die Betonung von "gesunde Luft", von "sauberes Wasser", von "Lebensraum für Tiere und Pflanzen" als Erbe, das "unsere Generationen" bewahren und weitergeben müssen. Warum erst jetzt diese Deutlichkeit: "Es ist nicht Frage, ob der Klimawandel kommt, sondern ob wir bereit sind, uns zu verändern (sic! d.V.), um ihn zu verlangsamen."? Hat es zu dieser begrüßenswerten Veränderung seiner Position wirklich erst der vielen "Auswirkungen des Klimawandels im vergangenen Jahr auch in Bayern" -- Dürre, Wasserstände, Not der Landwirtschaft -- bedurft, hätte man all das nicht auch schon vor Jahren erkennen und entsprechend politisch umsteuern können? Natürlich hätte man das! Die Grünen haben es ja seit vielen, vielen Jahren vorgemacht, vorausgesehen, entsprechende Prioritäten im Umgang mit Umwelt eingefordert. Warum aber der bayerische Ministerpräsident nun erst so spät? Könnte das vielleicht gar mit dem hervorragenden Wahlergebnis der Grünen bei der letzten bayerischen Landtagswahl zusammenhängen? Hat Söder nun gemerkt, daß beim Wahlvolk so langsam ein (auch fordernderes) Umdenken sich vollzieht? Sieht man die eigenen politischen Felle und damit einige Parlamentssitze davonschwimmen, wenn man nun nicht endlich dagegenhält, sich den Anforderungen der Zeit ernsthaft stellt? Der Verdacht drängt sich mir zumindest auf! Damit auch die Frage, ob es sich bei diesen nun neu proklamierten Zielen wirklich um tiefsitzende Einsicht oder um eher populistisch ausgerichtete Programmatik handelt. Glaubwürdiger gerade beim Versprechen, mit Fauna und Flora zukünftig besser umzugehen, wäre es meines Erachtens, wenn man zugleich zeigt, wo und wem man künftig Grenzen ziehen wird! Zum Beispiel der intensiven Landwirtschaft, den Subventionen von Großbetrieben und Agrarindustrien, dem Flächenfraß ... und, und, und. Nachdem dies jedoch unterblieben ist, sehe ich die Inhalte seiner Neujahrsbotschaft eher auf sehr tönernen Füßen ruhend. Wir werden es ja sehen, wie Söders "Schwerpunkte Klimaschutz und Europa", wie sein "stärkerer Fokus auf den Umweltschutz", wie seine "euphorische Europapolitik" (ein Europa, das er durch Populisten bedroht sieht) aussehen wird, Bis dahin,als bis zur Belehrung durch Besseres, halte ich es mit dem Dichterwort "Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." (Goethe, Faust I)
Und weil es so schön ist, hier doch sogleich nochmals: "Ich habe in diesem Jahr viel gelernt. Vor allem eines: dass wir in der Politik einander besser zuhören sollten – trotz der Hektik des Alltags." (Markus Söder)
Es ist eben bestimmt nicht nur die "Hektik des Alltags", die vom besseren Zuhören abhält; gerade sie sollte immer -- rechtzeitig! -- mahnen ...
Natürlich gibt es alljährlich auch die Erkenntnisweisheit aus dem Munde des Bundeskanzlers. Hier erfahren wir jedoch auch in aller Regel nicht gerade berauschende Wiederholungen. So schaue ich mir trotzdem an dieser Stelle einmal kurz das an, was uns die Bundeskanzlerin Angela Merkel (mittlerweile in ihrer vierten Amtsperiode) so mitzugeben hat.
Da haben wir dann auch -- Deutschlands Astronaut Alexander Gerst macht's möglich -- Bilder von weit oben gesehen, "Bilder, die uns immer wieder eine neue Sicht auf unseren Planeten geben. Auf Naturgewalten wie Hurrikans - mit denen wir Menschen leben müssen, auf unsere mitteleuropäischen Landschaften, die in diesem ungewöhnlich trockenen Sommer aus dem All ganz braun statt grün aussahen, und immer wieder sind es auch Bilder von der überwältigenden Schönheit unserer Erde." (A. Merkel, Quelle: tagesschau.de vom 31.12.2018) Da macht man sich doch Hoffnung auf eine neue, verantwortungsvollere Umweltpolitik, auf ein Umsteuern weg von reiner Wachstumsideologie, weg von intensiver Landwirtschaft, weg vom Flächenfraß, hin zu allergrößter Achtung von Flora und Fauna, nicht wahr? Man stellt sich sofort aber hoffentlich auch die Frage, warum das alles längst nicht schon geschehen ist! Immerhin regiert Frau Merkel eine gefühlte Unendlichkeit, in der man hätte entsprechend handeln können! Und jetzt, auf dem angesägten Ast sitzend, ihren nahenden Abschied von allen politischen Ämtern proklamierend, diese Zukunftstöne ... Auch hier gilt: allein mir fehlt der Glaube. Überwiegen da nicht die leeren Versprechungen? Ist es vielleicht hier erneut derselbe Wirklichkeitsruck, der Frau Merkel nach Fukushima durchfuhr und angeblich deshalb zur Politikänderung in Sachen Kernenergie führte (so als hätte es Jahre zuvor Tschernobyl nie gegeben ...)? Oder gilt gar einmal mehr: I'm so far behind, I think I'm first."?
Es wurde uns nun mitgeteilt, unsere Lebensgrundlagen seien verletzlich, der Klimawandel gehöre zu den Schicksalsfragen, man müsse da auch die Interessen anderere mitbedenken und durch solche Gewißheiten seien wir unter Druck geraten. "In einer solchen Situation müssen wir für unsere Überzeugung wieder stärker einstehen, argumentieren, kämpfen. Und wir müssen im eigenen Interesse mehr Verantwortung übernehmen." (A. Merkel, ebd.)
Und weil uns das völlig entgangen ist, sagte es uns endlich die Kanzlerin: das politische Klima habe sich auch in Deutschland verändert, aber / und die Bundesregierung ringe zwar um die besten Lösungen in der Sache, "immer häufiger aber auch um den Stil unseres Miteinanders, um unsere Werte: Offenheit, Toleranz und Respekt. Diese Werte haben unser Land stark gemacht, für sie müssen wir uns gemeinsam einsetzen, auch wenn es unbequem und anstrengend ist." (A. Merkel, ebd.)
Und für alle Aufgaben wünsche sie sich Mut für diesen Einsatz, blickt auch zurück auf ein überaus schwieriges, ernüchterndes Jahr, durchaus unbefriedigend für sie und andere. Im Originalton: "Ich weiß, viele von Ihnen haben sehr mit der Bundesregierung gehadert. Erst haben wir lange gebraucht, um überhaupt ein Regierung zu bilden, und als wir sie hatten, da gab es Streit und viel Beschäftigung mit uns selbst. Es ist mein Verständnis als Bundeskanzlerin, dass unsere Demokratie von der mehrheitlich getragenen Übereinkunft lebt, dass ihre Staatsdiener alles in ihrer Macht stehende für den inneren Frieden und den Zusammenhalt unseres Landes tun. Dass sie sich immer wieder prüfen, was sie auch ganz persönlich dazu beitragen können. Das habe ich getan" (ebd.) Sie habe auch deshalb einen Neuanfang eingeleitet. In diesem Zusammenhang erfahren wir aus dem Kanzlerinnenmunde auch eine Binsenweisheit: "Die Demokratie lebt vom Wechsel und wir alle stehen in der Zeit“ und Staatsdiener müssten sich "immer wieder prüfen", was sie persönlich für den Zusammenhalt des Landes tun könnten. Das habe sie getan. Ist das nun eine neue Form von Einsicht, der Neuanfang? Neuanfang ohne genaues Benennen der zahlreichen Versäumnisse und Irrwege? Warum nur der Hinweis auf "die Lehre aus zwei Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts"? Warum nicht noch mehr Fokus auf all die hausgemachten gegenwärtigen Probleme, die dringendst einer Lösung harren? Warum nur all die Allgemeinplätze und Andeutungen distanzierter Verantwortung?
Wirklich? Sie, den Neuanfang eingeleitet? Mit einem mehr durch die normative Kraft des Faktischen bedingten dann vollzogenen und einem angekündigten Personalwechsel? Neues haben wir m.E. aus dieser "Botschaft" wirklich nicht erfahren. Auf mich wirkt sie eher peinlich, frei von Tiefsinn und voll von viel Déjà vu ... Nicht richtungsweisend, trotz gegenteiliger Beteuerung kein Neuanfang. Mein Fazit: Solche Ansprachen braucht man wirklich nicht.
Der Kabarettist Urban Priol (einer von den wenig guten Kabarettisten in Deutschland!) hat sein "Tilt !" auch dieses Jahr wieder mit seinem Standardrückblicksatz, der zugleich die Zukunft miteinbezieht, beendet: "2019 wird mit Sicherheit wieder genauso bescheuert wie 2018. Machen wir das Beste draus." Ja, wie richtig er damit liegt: Allzu viel in 2018 war wirklich (oft mehr als) "bescheuert", vom kommenden Jahr ist wirklich nichts sensationell Besseres zu erwarten, vor allem eines nicht: ein "Neuanfang" ...
Der zweite Satz mag ja für viele allzu pessimistisch klingen, richtig, von Optimismus ist da eher nix zu spüren. Gleichwohl, wer Urban Priol gut zuhört, wird sehen, daß er sich fast ausnahmslos auf weite Bereiche der (politischen) Öffentlichkeit bezieht und dort viel Schlechtes findet. Damit ist jedoch gleichzeitig eine ganze Anzahl von Bereichen ausgeklammert, Felder auf denen man ganz persönlich durchaus Freude und Gewinn (nicht materiell hier gemeint!) für sich und die einem Nahestehenden ziehen kann. Es gibt also keinen Grund für ausschließlichen Pessimismus: jeder kann (und muß) seinen jeweils eigenen MODUS VIVENDI finden und unverrückbar gesetzte Slalomstangen, die einem eben nicht gefallen, geschickt umfahren ... Das ist doch mal ein Anfang, eine Aufgabe, eine Möglichkeit. Mehr sog i ned.
Eine hervorragende Würdigung der Merkelschen Neujahrsansprache entnehme ich ZEIT ONLINE vom 2. Januar 2019: "Kiyaks Deutschstunde / Neujahrsansprache: Das Olle von Zwoachtzehn" eine Kolumne von Mely Kiyak. Wirklich sehr, sehr lesenswert! Und diese Kolumne dürfte auch sehr vielen gefallen. Vielleicht auch wegen ihrer Wirklichkeitsnähe ...
Dort heißt es kritisch: "Der Auftritt der Kanzlerin nach einem Jahr allgemeiner politischer Niedertracht verfolgte bloß ein Ziel: das fehlerfreie Ablesen eines Texts von gestern." Kann man es denn schöner und treffender ausdrücken? Fast möchte ich sagen: Nein -- aber in diesem Moment fällt mir zugleich schon wieder eines der Kanzlerin Lieblingswörter, nämlich "alternativlos", ein und das erinnert mich dann unverzüglich daran, daß auch dieser Begriff zu meiner weiteren inneren Abwendung zur Bundeskanzlerin beigetragen hatte. Denn: "alternativlos" ist (fast) nichts und trotzdem bleibe ich -- for the time being -- dabei: diese Kolumne ist schon extrem gut gelungen. ("Alternativlos" -- jenes Konstrukt von Leuten und für Leute, die ihre Definitionsmacht innerhalb einer Wattewelt aus Politischer Korrektheit für sich beanspruchen und darin kuscheln!)
Wie schön -- und meine Vermutung hinsichtlich Autorenschaft bestätigend -- klingt das doch, wenn Frau Kiyak schreibt: "Entschuldigung, aber man möchte sofort den Namen der Redenschreiber wissen, die diese alles in allem rhetorische, politische, ästhetische und mediale Vollkatastrophe namens "Neujahrsansprache der Kanzlerin" verantworten."
Auch in dieser Kolumne wird das Öde hervorgehoben, dieses Wiederkauen von sattsam Bekannten: < < "Das Ringen um die besten Lösungen", "Die Lehre aus den zwei Weltkriegen und des vergangenen Jahrhunderts", mannomannomann! Das gab es in der Geschichte der Neujahrsansprachen durchaus einige Male.>>
Ja, so ist es, einigen scheint es gar nicht aufzufallen, daß sie sich in alten, ausgelatschten Geleisen bewegen, dröge Wiederholungen schreiben beziehungsweise vortragen -- dies wohl in der unausgesprochenen Hoffnung, es werde schon der Masse der Adreessierten nicht auffallen. Oder gar in Unkenntnis dieses Sachverhaltes, was noch schlimmer wäre ... Denn das würde aber dann bedeuten, daß all jene eben nicht "in der Zeit" stehen, was in der Neujahrsbotschaft freilich nicht so gemeint ist. Mely Kiyak: "Dann entdeckt man den neuen Lieblingssatz der Kanzlerin: "Wir alle stehen in der Zeit." (...) Da meint man, es wäre ein Kracher die Kanzlerin diesen Satz sprechen zu lassen, weil man damit schon einmal gute Erfahrungen machte. Bei Merkels CDU-Bundesparteitagsrede vom Dezember. Hier und da fanden nämlich einige Kommentatoren, dass "in der Zeit stehen" ein poetischer Knüller sei, und weil es für diese Rede zu Recht viel Lob gab, warum nicht einfach wiederholen? Warum nicht einfach alles wiederholen? Die Begeisterung für Alexander Gerst kam doch auch super an."
Schon fürchterlich -- oder wie ich meine: armselig --, was da einem so zum Jahreswechsel vorgesetzt wird. Richtig, man muß ja nicht hinhören, schon gar nicht hinsehen, wenn einem so etwas nicht gefallen sollte. Aber: weiß man es denn vorher, was da einen erwartet? Ja! sagen da so manche, man wüßte es doch aus der Vergangenheit, man sollte doch begreifen, was da immer so abläuft, man solle sich dann auch nicht wundern, wenn man an Enttäuschungen nur eine neue dranhängt. Aus Erfahrung lernen, nennen es jene Belehrer und Besserwisser (in diesem Fall genauer: Richtigwisser!). Aber da ist doch immer noch dieses ganz kleine Fünkchen Hoffnung ..., möchte man dagegenhalten. Aber es klingt, zugegeben, schon mehr als kleinlaut. Schon fürchtet man, auch zu jener Gruppe der Unbelehrbaren zu gehören, und das nur deshalb, weil man immer noch hofft ... Man muß es eingestehen, auch dieses Jahr hat einen die Wirklichkeit wieder eingeholt. Funkenverglühung. Tristesse. Es bleiben nur zwei Dinge: erstens jene Verkünder wirklich nicht mehr ernst nehmen und zweitens einsehen, daß man Zeit und Geist vergeudet hat.
Der letzte Gedanke gebührt hier der hervorragenden Frau Kiyak: "Und so füllen sich die Sendeminuten mit dem ollen Gulasch von Zwoachtzehn, denn man will natürlich nicht die Wahrheit sagen über dieses Land und sein Volk. Dass es nervlich am Limit ist. Da steht also die Kanzlerin in diesem überaus schicken, silbernen, maßgeschneiderten Jackett, mit dem sehr adretten Revers, steht so was von nicht in der Zeit und spricht in Floskeln."
Wer so all die vielen Versprechungen gerade zu Weihnachten und zum neuen Jahr hört, gerade über Themen bei denen die angeblich nun so plötzlich Geläuterten all die Jahre gänzlich versagt oder zumindest zu kurz gegriffen haben, steht offensichtlich vor dem Problem: Soll man denen nun glauben, das Vertrauen schenken oder spielen die doch nur ihre "Weiter-so-Strategie"?
Wenn Söder sich nun plötzlich derart dem Umweltschutz zuwendet, daß es vor allem all diejenigen überrascht, die seine anderen Verlautbarungen zur Umwelt (nochmals ein Stichwort stellvertretend für mehrere andere: "Riedberger Horn") noch gut im Gedächtnis haben, dann kann ich mir gut vorstellen, daß kluge Wähler sich sagen, weshalb bei meinem Interesse für Umweltschutz nicht besser gleich dem Original (in Sachen Umweltschutz: Die Grünen) Vertrauen schenken, denn die haben da stets klare Stellung bezogen und sind durchaus auch glaubwürdig ...
Da wäre dann die CSU als Sachwalter der Umwelt (und anderen Aspekten) sicherlich allerhöchstens zweite Wahl (dies allerdings auch nur bei gepflegtem Optimismus) ...
Nicht anders dürfte es bei all jenen ablaufen, die zwar für Europa sind, aber kritisch gegenüber dem Euro und einer europaweiten Sozialisierung der Lasten eingestellt bleiben. Die werden gewiß nicht dem "Merkelschen Neuanfang" vertrauen, schon gar nicht, wenn sie dann noch die Migrationsprobleme in ihre Betrachtung einbeziehen. Da dürften die Merkelschen Versprechungen (und die ihrer Mitläufer) kaum verfangen: die werden wohl oder übel weiter beim "Original" bleiben, in erster Linie bei der AfD.
Man muß sich eben schneller überlegen, ob man die Stimme des Volkes wirlich hören will und die Nöte aufgreifen möchte bzw. kann. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, hat Gorbatschow, dem wir so viel verdanken, einmal gesagt. Und man überholt kein "Original" respektive wird gar zu einem "Original" mit dem selbstherrlichen und irrigen Glauben, man sei an vorderster Front der Lösungsebene. Nein, auch hier gilt für die Sich-selbst-Täuschenden, zugleich aber auch die "Täuschungsversuche gegenüber anderen" praktizierend, der Spruch: Ich bin so weit hinten, daß ich glaube, ich wäre die Speerspitze. (Frei aus dem englischen Original übersetzt: "I'm so far behind, I think I'm first.") Nein, die sind wirklich so ganz weit hinten! Ganz hinten ...
Die CDU, auch die CSU sowie die SPD dürften ihre Chancen auf lange, lange Zeit verspielt haben, so die Wähler entsprechend konsequent bleiben (d.h. vergangenes Verhalten nicht wieder vergessen bzw. schönreden, sich einlullen lassen), die Zukunft dürfte vor allen den Grünen (trotz Roth etc.) gehören. So ganz schlecht ist / wäre das ja nicht ...
Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber
soviel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es gut werden soll.
Georg Christoph Lichtenberg
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