Bild+Text 9
Gudow 2015
Dämmerung
I
Die alten Fassaden schwinden in Unwirklichkeit,
»Buntheit« erweist sich als inhaltsleere Chimäre.
Parallelwelten, Paralleldenken, Parallelfühlen:
Trennung als die Gestaltung neuer Wirklichkeit!
Versprechungen und Ankündigungen als Gerippe:
Worthülsen, Leerformeln, Phantasmagorien –
Wahrnehmungstäuschung als eine Lebenspraxis.
Leere anstatt Fülle, deutlich: Oberflächlichkeit.
II
Was in Grenzen zu machen, ward längst gemacht,
Was als Trugbild zu denken, ward eben so gedacht.
Wörter ausgetauscht gleich billiger Ramschware:
Von einer ausgestreckten Hand müde in eine andere.
Täuschung als Prinzip, Lüge als Lebensmittelpunkt,
Vorteilswelten erzeugen als neue Gestaltungsweise:
Was es gab zu hoffen, ward, selbsttäuschend, erhofft,
Was es gab zu reden, wurde stets phrasenhaft zerredet.
III
Zerstoben: Hoffnungen und phantasierte Möglichkeit;
Geblieben das dürre Funktionieren in Alltäglichkeit:
Rhythmik als bitterer Cocktail aus Unzulänglichkeiten.
Spiele der üblichen Anpassung, Furcht vor dem Neuem.
Scheinbares Vorwärtsschreiten faktisch nur: Stillstand!
Selbsttäuschung und Lüge – letztlich ein: Gegeneinander.
Feuchtgebiete längst ausgetrocknet, Wärme entwichen:
Kälte und Gleichgültigkeit als die neuen Fundamente.
IV
Seltsame Sisyphusiaden aus Traumwelt und Bewertung,
Mildeorientierung als Verhalten eigener Unfähigkeit ...
Urteilen ausweichen, keine Stellung beziehen. Stumm.
Veränderungen, gedacht, als Stillstand fortgeschrieben.
Statt dessen klar und deutlich werden, Realität erkennen:
Wirklichkeit kettenhaft empfinden, die Öde benennen,
Unerreichbares seiner Verkleidung berauben. Klarheit!
Die früheren Fassaden: zerbröckelt, zerfallen, gestorben.
(Fagusarua, 10. Juni 2019)
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