Einfach öfter mal die Gedanken fließen lassen ...
... demnächst dann vielleicht noch mehr ...
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Gedanken 1
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Leider wird vielfach aus der Vergangenheit nichts gelernt, sodaß "olle Kamellen" vielfach eine seltsame Form von "Nachhaltigkeit" und Gegenwärtigkeit generieren bzw. ihre entsprechende Wiederauferstehungen feiern ... Deshalb heißt es: immer wieder aus der "Geschichte", aus den "Geschichten", lernen und prüfen, ob und inwieweit man sich überhaupt auf dem Wege der Verbesserung der Verhältnisse bewegt! Zeitlos muß sie auf jeden Fall sein und bleiben: die Anwendung von Ideologiekritik, und zwar in jeglicher Richtung ...
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Wer trotz unübersehbarer Wirklichkeit auf Wunschdenken setzt, kann nur scheitern ...
Gegen den Strom der Zeit kann zwar der einzelne nicht schwimmen, aber wer Kraft hat, hält sich und läßt sich von demselben nicht fortreißen.
Johann Gottfried Seume
Unsere Zeit ist eine Zeit der Erfüllung, und Erfüllungen sind immer Enttäuschungen.
Robert Musil
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Wir haben gehört: Pessimisten leben länger! Und nun?
Schweizer Wissenschaftler und F. Lang von der Universität Erlangen-Nürnberg konnten angeblich nachweisen, daß eine skeptisch-pessimistische Einstellung das Sterberisiko um zehn Prozent senkt. Klingt zunächst ja seltsam. Aber die gelieferte Erklärung ist durchaus plausibel. Denn pessimistische Zukunftserwartungen ermuntern eher dazu "noch besser auf die eigene Gesundheit zu achten und sich vor Gefahren zu schützen." Und Pessimisten gingen sparsam mit ihren Kräften um und verausgaben sich nicht im Erreichen von Zielen, die unrealistisch sind.
Auch wird davon ausgegangen, daß Pessimisten ihre Geburtstage weniger euphorisch feiern, was ebenfalls gut fürs Längerleben sei. Forscher der Universität Zürich werteten die Sterbedaten von über 2000000 Menschen aus und stellten, nach eigenem Bekunden fest, daß das Risiko für das Ableben am eigenen Geburtstag um 14 Prozent, bei Frauen über 60 sogar um 20 Prozent steige. Ursachen: Infarkte, Schlaganfälle, Stürze. Und dann noch, man mag es nur noch mit Erschrecken fassen: die Wahrscheinlichkeit, daß ein Mensch an seinem Geburtstag Selbstmord begeht ist um 35 Prozent erhöht ... Als Grund hierfür nun vermutet die Studienleiterin Vladeta Ajdacic-Gross den erhöhten Alkoholgenuß am Geburtstag. Aber auch den "nervenzehrenden Stress". Ist es nun Ironie oder guter Rat, wenn festgestellt wird, daß ein dreistelliger Geburtstag "zwar schön" sei, aber man ihn besser nicht feiere?
Ach, wer weiß das alles schon, denn wir wissen ja von unseren geliebten Lateinern: Mors certa, hora incerta! Das ist jedenfalls unzweifelhaft, bedarf keines weiteren Beweises ... Nur, bringt uns diese Erkenntnis auch weiter? Bedeutet sie überhaupt etwas für uns außer der Banalität in der Aussage? Oder wußten die Lateiner damals schon in weiser Voraussicht, was man besser nicht tiefergehend erforschen sollte? Vielleicht waren sie sich schon -- bar unserer heutigen zivilisatorischen Weisheit -- sicher, daß es da nichts an großartiger Erkenntnis geben könnte?!
Werden wir dann eben nach diesem kleinen Ausflug zu unseren latinisierten Altvorderen wieder wesentlich und wenden uns der Studie nochmals zu. Es wurde nämlich der Alltag der Probanten näher beleuchtet. Und, man mag es kaum glauben: Auch wer sich regelmäßig rasiert (also den Bart wegpflegt!) lebt länger; jene leben nämlich häufiger in festen Beziehungen und rauchten viel seltener. Insofern ist das Morgenritual , sei es naß oder elektrisch praktiziert -- Ausdruck eines Lebens voller Routine und Disziplin. Und die beiden halten gesund. Rasieren ist also nicht die Ursache -- was uns schon wieder erleichtern dürfte, zu oberflächlich wäre doch ansonsten die Materie gelagert ... --, nein eine Art Symbol, ein Zeichen für das gute, den Tod hinausschiebende Leben.
Der Mensch, der also "sparsam, detailorientiert und verantwortungsvoll ist, lebt am längsten!" Das fand in etwa auch der amerikanische Psychologe Howard Friedman bei einer jahrzehntelangen Langzeitstudie heraus; er untersuchte die Persönlichkeitsmerkmale von 1500 Männern und Frauen und verglich sie mit deren Sterbequoten.
Angeblich sei auffällig, daß es überall dort viele Überhundertjährige gibt, wo sich Gesellschaften in den vergangenen Jahrhunderten abgeschottet hatten. Und eine Öffnung allenfalls erst in jüngster Zeit erfolgte. Bezug wird in diesem Zusammenhang beispielsweise auf Andorra und schweizer Bergdörfer (Abschottung durch die Höhenlage bedingt) sowie auf Okinawa und Sardinien (Abschottung durch das Inseldasein) genommen.
An der 'besseren' medizinischen Versorgung scheint das "Längerleben" jedenfalls nicht zu liegen; Japaner leben länger als Deutsche, wobei in Japan auf einen Arzt 476 Patienten kommen, in Deutschland jedoch nur 323. Und in Andorra erreichen Frauen ein Durchschnittsalter von 86.7 Jahren, also 3,5 Jahre mehr als jene in Deutschland oder in den USA.
Eine Schlußfolgerung jener Wissenschaftler scheint zu sein, daß eben ab einem bestimmten medizinischen Versorgungsstandard offenbar andere Faktoren die Lebenserwartung steigen lassen.
Natürlich läßt sich da jede Menge einwenden; in erster Linie sicherlich, daß das menschliche Leben als solches sich kaum auf ein paar Variablen zurückführen und damit dann erklären läßt. Und wie immer bei multifaktoriell bestimmten Hintergründen, birgt jegliche Form von Variablenreduktion eine Verzerrung in sich, eine, die letztlich vielleicht dann schon gar nichts mehr sinnvoll erklärt. Auch eine rein numerische Beziehung, wie sie hier beispielsweise durch die Arzt-Patienten-Relation vorgenommen wurde, erklärt außer des verdeutlichten Zahlenzusammenhangs erst einmal nichts. Wie ist die Qualität der Ärzte? Welche Zeit wird wofür aufgebracht? Welche Kostenstruktur steckt dahinter? Und nicht vergessen: Welches Weltbild verbirgt sich hinter dem jeweiligen Handeln? Welches ideologische Fundament läßt die jeweiligen Ärzte handeln? Diese Fragen und noch eine ganze Reihe mehr gälte es zu klären, ehe man derart einfache Schlußfolgerungen, wie vorgenannt geschehen, aus einem quantitativen Zusammenhang zieht.
Ein persönliches Beispiel hierzu: Mir hat einmal ein Arzt anläßlich einer Kreislaufuntersuchung gesagt, wenn ich dies und das täte und vor allem die Tabletten X regelmäßig nähme, würde ich "10 Jahre länger leben". Nun war meine Situation damals gewiß nicht so, daß eine medizinische Notsituation bestand (leicht erhöhter Blutdruck zu bestimmten Zeiten, also nicht andauernd). Ich fand die Aussage des Arztes rein dämlich, zumal er logischerweise die Antwort schuldig bleiben mußte, von welcher Basis ausgehend er diese Lebenserwartung "x+10" denn berechnen wolle.
Für mich war das nichts als weißkittelhafte Klugscheißerei, nichtssagend und somit auch wenig hilfreich. Da ich aber gerne bei sich besonders "klug" gebärdenden Menschen dazu neige, ihnen zumindest im Versuch einen Spiegel vorzuhalten, fragte ich nicht nach dem Hintergrund seines "statistischen" Kenntnisstand, sondern bewegte mich auf das Parkett der Schaffung von kognitiver Dissonanz (also eine Aussage / Reaktion anzubieten, die im Regelfall nicht erwartet wird und somit beim Adressaten im besten Fall den Versuch des Aufklärens von Widersprüchen, aber nicht selten auch lediglich Konsternation erzeugt ...) und fragte ihn, "ob sich dieses Längerleben denn dann auch lohne". Seine Antwort, daß ich mit dieser Einstellung (sic!) dann ja gar nicht erst hätte zu ihm zu kommen brauchen. Klingt beim ersten Betrachten schlagfertig, nimmt man sich das einmal genauer vor, dann sieht man sehr schnell, daß jener Herr mit einer komplexen Betrachtungsweise völlig überfordert zu sein scheint, auch sprachlich eine Frage von einer Aussage nicht logisch zu trenne weiß, daß er zu simplen Erklärungen neigt, daß er von Statistik (obgleich Gegenstand seines Medizinstudiums) nicht gerade viel zu verstehen scheint, und, und, und ...
Mich hat die Situation nicht nur amüsiert, sondern auch bestätigt. Eben -- ein Weißkittel von der leider nicht allzu seltenen Art. Vermehrt man diese Spezies entsprechend, senkt sich natürlich die Relation "Arzt pro Einwohner". Aber hat sich damit auch die Qualität verbessert? Gewiß nicht, wenn er stets so einfache, fast schon eindimensionale Antworten gegenüber seinen Patienten parat hat!
Aber nochmals zurück zum: Längerleben. Zum Hinausschieben des Todes. Man mag die Erkenntnisse der oben vorgestellten Studie mit Staunen, mit Gleichgültigkeit, von mir aus auch mit Erschrecken lesen, immer findet man doch den einen ode anderen 'leisen" Hinweis in seinen inneren Vorgängen, daß man doch das eine oder andere eher falsch oder, im positiven Falle (den natürlich auch am Maßstab der jeweiligen Studie orientiert!) richtig zu machen scheint. Also: ich rauche nicht, habe auch keine großen Gelüste nach Alkohol (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen -- selbst dann noch ganz geringe Mengen ...), ja ich rasiere mich sogar (das allerdings nicht so ganz regelmäßig, was die damit zusammengeführte Verquickung leicht relativieren dürfte) und schotte mich auch einigermaßen ab, zumindest von dem, was mir als unliebsam oder lästig erscheint. Und dann pflege ich doch bisweilen auch ein Quantum an Pessimismus -- dies nicht nur eingeschränkt getreu dem Qualtingerschen Motto, daß wer über gewissen Dinge den Verstand nicht verliert, keinen zu verlieren habe). Was für relativ tolle Bedingungen das doch dann sein müßten!!! Aber sind sie es auch? Spielt es vielleicht nicht doch ein große Rolle für die Ausgeglichenheit im Leben, und damit vielleicht auch zu besserer Gesundheit, wenn man das Glas häufiger als halbvoll als halbleer betrachten kann? Wenn man nicht laufend nachdenken muß über die tägliche Ernährung, sich dabei vielleicht gar kasteit und mit vollem Munde belehrend auch noch "Öko! Öko!" in die Runde blöken zu müssen glaubt? Kann es nicht auch sein, daß es gerade positive Haltungen (damit meine ich nicht die blöden, tumben, unkritischen, unachtsamen, blindgesteuerten "Alles-ist-gut"-Positivler!) sein können, die auch eine große Rolle im inneren und zeitlich bezogenen Wohlergehen spielen? Daß man bei all den vielen und ach so gescheiten Erkenntnissen übersieht, daß man einfach seinen Alltag wach und auch mindestens ein wenig genußfreudig zu leben hat, ohne auch nur das Unwichtigste auch noch hinterfragen zu müssen?
Jedenfalls habe ich an meinem letzten Geburtstag entsprechend gelebt: Keine Aufregung, vor allem kein Alkohol, viel Langsamkeit und Abwesenheit jeglicher Hektik, auch zurückgezogen, um mir so manche Unbill zu ersparen. Und da saß ich eben, schaute ruhig sitzend aus meinem Sessel, genoß etwas Gebäck und vor allem ein großes Glas Milch. Ich liebe Milch. Sie ist alkoholfrei, und auch gesund (wie es immer wieder heißt ... -- natürlich kenne ich die Gegenstimmen aus der Veganerecke!). Ja, ich trinke Milch gerne, vor allem auch am Ende einer langen Wanderung durch die schöne Natur (die ich natürlich immer abgeschottet von Lärm und Massen zu genießen trachte -- dies meistens sogar mit Erfolg!). Und nachmittags fuhr ich in ein Moos, hielt mich dort bei Sonne und lauem Wind auf, schaute den zahlreichen Störchen dort zu, fühlte mich wohl dort. Und zurück -- nochmals: ein Glas Milch. Oh, was hätten vielleicht die vorgenannten Forscher mit meinem Geburtstagsablauf für eine Forschungseuphorie haben können. Geburtstag ohne Sturz, ohne Hektik, ohne Schlaganfall, ohne Infarkt, vor allem auch ohne Alkohol ... Ruhe, Natur, Bescheidenheit, nichts Lautes, nur Beruhigendes (das bedeutet natürlich dann auch: an diesem Tag keine Zeitung, kein TV und kein Radio -- wohl aber auch schöne Musik von CDs) und als Getränk "zum Anstoßen": MILCH!
Nicht jedoch einige schwedische Forscher, deren Ergüsse ich ein paar Tage später zu lesen bekam: Wer regelmäßig Milch trinkt, lebt erheblich kürzer! O weh, o weh, also ein "x-Y" Lebensproblem. Vielleicht sollte ich den Herrn der "x+10"-Fraktion nochmals konsultieren? Wie lautet also das Menetekel für Milchtrinker? Wer viel Kuhmilch trinkt, erleidet nicht nur schneller Knochenbrüche (sic! Was wurde uns denn da bislang immer aufgetischt?!) und stirbt früher. Auch diese Erkenntnisse beruhen auf einer Langzeitstudie (61000 schwedische Frauen zwischen 39 und 74 Jahren wurden 20 Jahre lang kontrolliert; 45000 Männer elf Jahre lang). Und am Ende der Untersuchungszeit waren 25500 Menschen aus der Gruppe gestorben und 22000 hatten Knochbrüche gehabt. Hoher Milchkonsum ergab, daß dadurch das Risiko für Knochenbrüche nicht gemindert wurde, daß diese Trinkgewohnheit "mit einer höheren Todesrate zusammenhängen könnte". Und für die Frauen wurde festgestellt: Todesrate bei denen, die mindestens 3 Gläser täglich tranken (über einen Zeitraum von 10 Jahren) war 180 von 1000, bei denen die nur 1 Glas oder weniger tranken belief sie sich auf 110 zu 1000 und der Durchschnitt ungeachtet des Kuhmilchkonsums wurde mit 126 zu 1000 errechnet. (Quelle: Professor Karl Michaëlsson et al., "Milk intake and risk of mortality and fractures in women and men: cohort studies", in Fachmagazin "The BMJ",bmj.com, 28 October 2014). Allerdings weisen die Forscher auch darauf hin, daß es noch sehr viele offene Fragen gibt ...
Ich werde jetzt zunächst einmal mir ein Glas Milch (sic! das dritte heute) holen und dann weiterschreiben ... Dies Pause sei mir gegönnt.
Und was lehren uns nun diese und ähnliche Studien? Was geben sie uns für unser gegenwärtiges und zukünftiges Verhalten (nachdem wir bekanntlich das vergangene nicht mehr beeinflussen können) mit auf den Weg?
Schauen wir uns doch noch vor der Beantwortung dieser Frage kurz ein wenig um. Ach, Sie haben auch noch gelesen, daß die Krankheit Krebs die beste Art zu sterben sei, daß man deshalb auch aufhören sollte "Milliarden für die Suche nach einem Heilmitteln gegen Krebs zu verschwenden", so der britische Professor Richard Smith (Dozent an der University Warwick und ehemaliger Herausgeber des 'British Medical Journal')? Der kluge Professor verweist darauf, daß es "im Wesentlichen vier Arten zu sterben" gebe: den plötzlichen Tod (der aber vielleicht nur für den unmittelbar Betroffenen "okay", nicht jedoch für die Hinterbliebenen, so Smith), den langsamen durch Demenz, den Auf-und-ab-Tod durch Organversagen und eben den Krebstod. Der Mann kennt sich also aus ... Jedoch mit Sicherheit können wir von ihm lernen, daß man erstens nicht auf Jedermann hören sollte, daß man zweitens stets zu prüfen hat, ob es sich bei Veröffentlichungen um brauchbare, nachvollziehbare sowie gut überprüfbare Sachinformation oder lediglich um Aufmerksamkeitsheischerei handelt und drittens, ob einem die Information, unterstellt sie stimmt so, wie sie kolportiert wird überhaupt, auch nur irgendetwas nützt beziehungsweise hilft.
Bleiben wir noch kurz bei der Krankheit Krebs und werfen wir einen kurzen Blick auf eine Studie, durchgeführt an der Johns Hopkins University School of Medicine Baltimore (USA) unter anderem von Bert Vogelstein und dem Bioinformatiker Christian Tomasetti. Wir erfahren, daß nur ein Drittel der Krebsfälle auf genetische Veranlagung und den individuellen Lebenswandel zurückgehen. "Lediglich 5 bis 10 Prozent der Krebsfälle haben eine erbliche Komponente", 22 von 31 Krebsarten entstehen durch zufällige Mutationen der Gene während der Zellteilung, können also durch einen "gesunden" Lebenswandel nicht beeinflußt werden. "Viele Krebsarten haben allerdings weit mehr mit dem Pech zu tun, eine Mutation zu bekommen als mit Lebensstil und Vererbung." so die Forscher. Gleichwohl gelte in entsprechender Akzentuierung: "Alle Krebsarten werden durch eine Kombination aus Pech, Umwelteinflüssen und Veranlagung verursacht." Und der beste Weg, diesen Krebsarten vorzubeugen sei immer noch die Früherkennung. Und das Risiko steige mit der Zahl der Zellteilungen, da bei jeder Teilung völlig zufällig entsprechende Krebs auslösende Mutationen auftauchen können. Der individuelle Lebenswandel sei "nur für neun Krebsarten entscheidend" und das seien genau jene, von denen man das auch erwartet: z.B. Hautkrebs (Reduzierung von Sonnenbad bzw. entsprechende Schutzmaßnahmen) und Lungenkrebs (Umgang mit dem Rauchen und dem Rauch). Wir können durch Konsumverhalten (Rauchen, Essen, Trinken, Schadstoffvermeidung) durchaus mitentscheiden, dies jedoch in relativ engen Grenzen. (Quelle, Internet: "Bad Luck of Random Mutations Plays Predominant Role in Cancer, Study Shows -- Statistical modeling links cancer risk with number of stem cell divisions", Johns Hopkins University, Release Date January 1, 2015, Bert Vogelstein and Christian Tomasetti)
Und fast jeder Mensch kennt aus der näheren oder weiteren Umgebung eine Person (oder gar mehrere Leute), die "sehr gesund" gelebt haben und krank wurden wie den umgekehrten Fall, wo mehr oder weniger ungehemmter Genuß bis ins hohe Alter geführt hat. Insofern läßt sich der Gedankengang der beiden Forscher zumindest laienhaft nachvollziehen. Ob man aber mit Richard Smith eine gemeinsame Berührungsebene finden kann oder es gar will, muß jeder für sich selbst beantworten ...
Ich greife meine Frage von vorhin nochmals auf: Was nützen uns all jene "Entdeckungen"? Was sagen sie uns? Leider nicht allzu viel, denke ich. Halten wir uns an das unumstößliche Faktum, bleiben wir bei unserem alten Lateiner: "Mors certa, hora incerta!" (Der Ursprung dieses Satzes ist nicht nachgewiesen, manche gehen davon aus, daß er von Horaz stammt.) Für diese Erkenntnis bedarf es keiner Wissenschaft, die sich mehr oder weniger klug mit dem Verhältnis von Leben und Sterben beschäftigt. Diese Erkenntnis über die Endlichkeit allen Seins erfahren wir sicherlich beizeiten, leben damit oder verdrängen es -- je nach Naturell, wohl auch gemäß den individuellen Erlebnissen.
Und weil sich hier Wissen einerseits und Ungewißheit andererseits so eng begegnen, läßt sich daraus -- pragmatisch abgehoben von all den spekulativen Beiträgen aus Alltagspraxis und Wissenschaft oder gar Theologie -- durchaus etwas "fürs Leben" mitnehmen. Lebe so, als wäre jeder Tag dein letzter (freilich ohne dabei in Depression zu verfallen, aber auch nicht sich in unerträgliche Verhaltensweisen ergehen, weil man ja keine Sanktionen mehr zu erwarten hätte ...) -- und es mögen anschließend noch viele, viele solche Tage kommen. Wer es klassisch will: Carpe diem! (Horaz) Nütze einfach den Tag. Mit dem, was dir gut tut und anderen nicht schadet. (Einschränkend füge ich an, solange jene anderen dir nicht schaden ...).
Und ein letzter Gedanke an dieser Stelle zu genau diesem Sachverhalt: Vielleicht sollte man nicht immer versuchen, in jene wissenschaftichen Efeutürme einzusteigen, oft führen nämlich sehr gute und einen wirklich bereichernde Wege daran vorbei ...
Ein weiterer Gedankengang
Soll man stolz auf sein Land sein? Kann man es? Lohnt sich der Vergleich? Natürlich, werfe ich da ein. Geboren ist man zwar zufällig in einem Land und wenn man Glück hat, gibt es dort keinen Krieg, keinen Hunger, keine Geistlosigkeit, nur Rücksichtnahmen, Toleranz, keine Bevormundung, berufliche Möglichkeiten zur Bestreitung des materiellen Daseins, Orte für Seele und Gemüt, schöne Gegenden, Wasser ...
Also spielt der Zufalle eine große Rolle -- aber kann man auf Zufall stolz sein? Vielleicht nur insoweit, als man eine Basis bereitet hat, auf der zumindest der Zufall eine Chance hat. (Wer sich nur in seinen verschlossenen Räumen aufhält, der oder die wird wohl kaum eine Chance haben, dem wie auch immer gearteten "großen Glück" zu begegnen.). Aber man ist irgendwann nun einmal dort, wo man eben ist. Und dann erheben sich sofort Regungen, die Zwangsläufigkeit zu vergleichen. (Marx und Engels würden hier unisono vom Anfang allen Endes reden -- Vergleichen als Wurzel von Neid, Haß, Gewalt, Habgier, Krieg, etc.) Und dann weiß man -- vorausgesetzt man kennt anderes --, was einem "lieber" ist. Aber so ein Urteil bedarf der Konstanz! Wer kennt das nicht, dieses Heureka! im schönen Urlaubsland, ungetrübt von Alltag und heimisch tiefverwurzelter Alltäglichkeit, dabei hat man nichts anderes gefunden als momentane Schönheit, gegenwärtige Entspannung (ich weiß, dem Grantler ergeht es auch im Urlaub genau nicht so ...), Ferne von den üblichen Zwängen u.s.w.
Aber so Urlaubsfreuden und Abwesenheit von Bedrängungen sind eben nicht: das eigentliche Leben. Nein: das eigene Lebe findet immer in einer längergefaßten Gegenwart statt, nicht in der Euphorie der Ausnahmezustände. Die Sensation ist nicht das, was Alltag ausmacht. Die gänzlich neuen Reize sind genau dann nicht mehr das, wenn sie zur Alltäglichkeit, zur Selbstverständlichkeit gerinnen.
Kurz: Egal wo man ist, wo es einen "hinwirft" (bitte natürlich nur positiv verstehen ...), man wird immer ein Kind dieser Sozialisation und Enkulturation sein, wohl auch bleiben. Und jede (Ver-)Änderung wird jedenfalls eines mit Sicherheit nicht erreichen: daß man sich selbst nicht mitnimmt ...
Also schauen wir uns hierzulande um -- und schon, die entsprechende Aufmerksamkeit vorausgesetzt, entdecken wir ein Ärgernis. Aber neu ist es nicht. Schon Johann Wolfgang von Goethe wußte zu prophezeihen: "Man wird nach zwei oder drei Menschenaltern schon sehen, was diese Bierbäuche und Rauchlümmel aus Deutschland gemacht haben. An der Geistlosigkeit, Verkrüppelung und Armseligkeit unserer Literatur wird man es zuerst bemerken." Wenn ich mich in den Straßen unserer Städte so umsehe: wie richtig der weise Herr doch damals schon gelegen haben muß! Natürlich überwiegend nur: Normalität. (Wenn das, was normal ist, auch wirklich normal sein soll ...) Aber halt auch zunehmend: Unrat, geborstene Flaschen, Alkoholfahnen, Rauchschwaden, lautes Gegröhle, und vor allem eines: "Fans", für dies und jenes, vor allem für Fußball. Demonstrationen für etwas und gegen etwas. Dazwischen immer wieder: Polizei. Schon so, daß sie einem leid tun können. Ordnung hat halt auch ihren Preis. Und nur wenige Meter weiter -- auch das, vor allem das! Ruhe, gelassene Menschen, lachend, träumend, schlendernd, eilend, singend, schweigend, bisweilen auch: küssend. Alles also doch nicht so schlimm wie in jener -- sagen wir mal stellvertretend -- Bahnhofsgegend. Will man nun meinen. Vielleicht auch noch: hoffen. Also, was nun, mein großes Vorbild, oder zumindest edler Herr, mit dem mich meine Lehrer immer wieder zu drangsalieren versuchten. Ach ja, in der Literatur werden wir es zuerst bemerken. Also hinein in den nächsten Buchladen! Blicke. Rundum. Wie richtig der Mann da doch lag. Wer da heutzutage alles so schreibt, wer da meint, unbedingt seine geistigen Ergüsse, seine Lebensweisheiten, seine -- ach so unübersehbar wichtige -- Biographie der Umwelt aufdrängen zu müssen! O Gott! Nein, nicht: O Gott, der hilft bekanntlich auch nicht weiter. Ekelhaft. Furchterregend. Untergangsstimmung. Wie gescheit der von Goethe das seinerzeit schon vorausgesehen hatte! Oder? Dort -- anderes, gediegen, erlesen, Sprachkunst, lebendig und ehrlich, fesselnd, nachdenklich und auch froh stimmend. Bildhaft und real. Und noch viel, viel mehr. Ja, das gibt es auch. Noch? Noch! Man muß es nur finden wollen. Nein, guter alter Geheimrat, partiell magst Du ja recht gehabt haben, aber so ganz allgemein gesprochen? Und es sind obendrein ja schon einige Menschenalter mehr gekommen und gegangen. Lieber Geheimrat, würdest Du heute, ach so: würden Sie heute, leben und erkennen können sowie wollen, fänden sie all das, was Sie an Schlechtem vorhergesagt haben -- dies sogar noch in viel verdichteter und verbreiteter Form. Bis hin zum Erbrechen! So Ihre Worte. Meine lauten anders: zum Kotzen! Aber -- und da könnten wir fast schon gemeinsam einen Weg finden: es gibt auch das andere, das Wertvolle, das Kulturstarke, das Individuelle, das Eigenverantwortliche, das Bemühen um (ach wir beide lieben doch den Kant so sehr!) den eigenen Geist (und vor allem weniger um den: Heiligen Geist)! Nein, wir müssen uns nicht gängeln lassen und freuen uns mit Dorothee Lochmann, wenn sie auf die Frage, ob sie denn stolz darauf sei, eine Deutsche zu sein, frisch und frei und fröhlich antworten kann: "Ich bin nicht stolz darauf, aber ich bin froh darum."
Eine Meinung braucht, um originell zu sein, nicht unbedingt vom allgemein Anerkannten abzuweichen; wichtig ist nur, daß sie sich ihm nicht anpaßt.
André Gide
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Wie sehr doch die Lebensperspektive und Daseinsgestaltung die Wahrnehmung steuert. Der Herr Geheimrat, begütert, wissend, universell gebildet, auf vielen Feldern geniehaft hatte eines nie: Probleme, seinen Lebensunterhalt gefährdet zu sehen. Geldprobleme waren ihm fremd. Vielleicht hatte er auf Grund dieses stets behüteten Hintergrundes (freilich: die Irrungen und Wirrungen der Liebe machen vor Geld nicht halt, wie er mehr oder weniger autobiographisch in seinem "Leiden des jungen Werther" eingestehen mußte) auch wenig bis hin zu gar keinem Verständnis für einen anderen großen Dichter unserer "Hochkultur": Heinrich von Kleist. Und da beginnt mich dann der Geheimrat schon fast zu ärgern, wenn der so bar jeglichen Einfühlungsvermögens (von dem die meisten seiner Stücke und Gedichte eigentlich doch immer nur so strotzen) den hervorragenden Heinrich einfach und arrogant disqualifiziert. Oder war es doch "nur" Neid, Neid darüber, daß ein anderer sich erhoben hatte, dies sogar mit dem selbsterklärten Ziel einem Großen die Krone vom Haupte zu reißen. War das für den Geheimrat schon so etwas wie eine Art von Kriegserklärung. Hat er sich da gar einem Zeitgeist angepaßt, seine Meinung dem Anerkannten untergeordnet. Krank eben der oder die (wenn man sie nicht schon als Hexe verbrennen konnte), welche fast immer ihre künstlerisch geschaffenen Geschöpfe an Mißverständnissen zugrunde gehen lassen? Der Geheimrat von Goethe auf der einen, der guten Seite (natürlich mit vielen anderen, auch wenn nicht immer ganz so auf sicherem Boden, Schiller sei hierfür als Beispiel genannt), auf der anderen, der mißliebigen, dann eben Heinrich von Kleist, die Günderode, Sophie Mereau, ja und nicht zu vergessen unter all den zahlreichen Fast- oder Ganz-Outcasts: Georg Büchner. Da ist es schon einfacher, aus der Perspektive des Abgesichertseins eben jene diesbezüglich ganz oder auch nur etwas Zukurzgekommenen mit Feinsinnigkeiten wie 'Hypochonder' (so Goethe jedenfalls über Heinrich von Kleist) abzutun. Gedacht, gesagt, getan -- und schon brodelt es im Wahrnehmungshumus und man sieht die Felle davonschwimmen. Nur mehr zwei oder drei Menschenalter bis zum Untergang der Kultur. Und sicherlich ist die Jugend mitschuldig. Schuldig am Niedergang. Zuviel an Bierbauch, an Rauchlümmelei, natürlich an Geistlosigkeit. Aber es ward doch immer schon gejammert. Das war doch damals schon so, Herr Geheimrat. Die Brille der Ausblendung gehörte doch immer schon zur Grundausstattung menschlicher Sichtweise. Jammerte denn nicht schon Aristoteles in historisch frühester Verzweiflung? Wie klagte er denn lauthals: "Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen." Da haben wir es doch! Diese Tragödie scheint die Menschheit von Anbeginn begleitet zu haben. Die Jugend als die personifizierte Ankündigung allen Endes -- zumindest all dessen, was Geist und vernünftige Tat voraussetzt. Ja, Sokrates hat sie genau beobachtet, die Vorläufer des Fundaments auf dem später einmal deutsche Geistesgrößen das "Land der Dichter und Denker" begründen sollten: "Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten soll. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft und verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer." Und das war -- man mag es kaum glauben, meint vielmehr eine Form unmittelbarer Gegenwart gezeigt zu bekommen -- wahrgenommen worden während der Zeitspanne von 470 bis 399 vor Christus. Und sein Schüler bestätigt ungeniert und sicherlich mit demselben Brustton der Überzeugung: "(...) die Schüler achten Lehrer und Erzieher gering. Überhaupt, die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat." (Platon, 427 - 347 v. Chr., aus: "Der Staat")
Immerhin: All diese Jugend konnte nicht verhindern, daß es entstand: das Reich der Dichter und Denker. Aber wie jede Übertreibung lügt, so auch diese: es waren nur wenige Denker, wenige Dichter -- unter vielen, vielen ganz 'normalen' Leuten ... Wäre es anders gewesen, dann hätte es so viele andere unliebsame Dinge nicht gegeben. Bestimmt auch keine Zeit, in der man Stolz war, seinen männlichen Sprößling Adolf nennen zu dürfen ...
Nein, es muß nicht gerade Lüge sein, aber Übertreibung ist es allemal: Zu keiner Zeit war es generell besser oder generell schlechter. Die Zeiten waren nur jeweils anders und erforderten andere Sicht- und Denkweisen, dies nicht nur um besser in der jeweiligen Ordnung überleben zu können. Wie, wenn wir gerade den Aufsässigen, den Frechen, dem Wirken der Unangepaßten jenen Humus verdanken, auf dem sie gedeihen konnten -- unsere Goethes, Schillers, von Kleists, Kants und so weiter?
Und Dreistigkeiten sowie Frechheiten gab es zu aller Zeit und sie wird es auch immer geben. Sicher mag sie nicht jedem und überall so bewußt werden, wie sie de facto wirkt. Und sie ist sicherlich auch nicht eindeutig schichtenspezifisch festzumachen. So mag jener Pfarrer in einem namhaften deutschen Münster sich bestimmt auf der Höhe der Volkszuwendung empfunden haben, als er anläßlich eines Orgelkonzerts meinte, das Konzert wäre ja umsonst, aber beim Hinausgehen stünden dann Leute mit Körben, aus denen man nichts entnehmen sondern etwas hineintun solle, und davon möglichst großzügig. Natürlich die Worte von einem jovialen Lächeln begleitet. Soll man mitlachen oder sich angeekelt fühlen. Die meisten Anwesenden zogen offensichtlich das Lachen vor, sozusagen in Harmonie mit jenem Herren, der eigentlich -- genau genommen -- den Weg der Beleidigung eingeschlagen hatte. Ob Aristotels und Plato derartige Ausgaben menschlicher Bandbreite auch im Visier gehabt haben? Oder: nur die Jugend? Jugend als das allgemeine Übel, als die Verhinderung einer guten Zukunft? Was für ein Widerspruch an sich das doch schon wäre: Mit dieser Jugend gibt es keine Zukunft mehr, allenfalls die schlechteste aller Welten ... Erfunden? Mitnichten! Deshalb, weil man bekanntlich mit Einzelfällen sorgsam umgehen sollte, aus einer Predigt nachgeschoben -- und es sollte wohl auch eine Art von Humor sein, was es letztlich auch ist, zumindest je nach Definition: "Ich habe eine gute und zwei schlechte Nachrichten für euch. Die erste Schlechte: Unser Kirchendach ist undicht. Jetzt die Gute: Wir haben das Geld für die Reparatur schon. Und nun die zweite schlechte. Es steckt in euren Taschen." So der Hochwürden. Humor ist, wenn man trotzdem lacht ...
Und genau am Geld scheiden sich die Geister, wie so oft auch. Hier gilt es schon genauer hinzusehen und sich nicht einlullen zu lassen (so manchem wird nun so manche Bankwerbung einfallen, so mancher Nimmersatt- Zeitgenosse, so mancher Raffzahn u.v.m.): "Das Geld, das man besitzt, ist das Mittel zur Freiheit, dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft." So der berühmte Jean-Jacque Rousseau, der freilich in seiner eigenen Lebensgestaltung nicht immer so klug und integer auszumachen ist.
Eine Frage: Ob es wohl zu früherer Zeit auch so viele Gutmenschen gegeben haben mag wie heutzutage hierzulande? Auffällig -- ach, darüber hätten dann, so beobachtbar, Aristoteles und Platon und all die anderen Gescheiten, unsere Denker und Dichter eingeschlossen, zu Felde ziehen sollen, es ja müssen. Gegen jene Umverteiler, die sich vor allem durch eigene Nichtsnutzigkeit auszeichnen wollen und aus ihrer eigentlichen Not noch eine Tugend zu machen versuchen. All die Versager, Krawallheinis jeglichen Couleurs und jeglichen Alters, all die Tunichtgute -- denen sollte es eingehämmert werden: verteilt werden kann nur, was vorher geschaffen worden ist. Mit Großgeschwätzigkeit und Redenschwadroniererei ist noch niemand satt, geschweige denn wohlhabend geworden. Auf die einzuschlagen, von denen man letztlich lebt, für sein vorgeblich kritisches und (demonstrations-)aktives Tun den Rahm von der Milch nimmt, ist doch wirklich nur allzu billig und geistlos. Leider oft hin bis zur zerstörischer Wut und mit Beeinträchtigung Unbeteiligter. Winston Churchill hat das schon richtig gesehen und formuliert: "Es gibt Leute, die halten den Unternehmer für einen räudigen Wolf, den man totschlagen müsse. Andere meinen, der Unternehmer sei eine Kuh die man ununterbrochen melken könne. Nur wenige sehen in ihm das Pferd, das den Karren zieht." Aber das geht in so manches Gehirn auch heutzutage nicht hinein. Man könnte nun wieder die Jugendschelten von oben bemühen, wenn, ja wenn es sich bei dem Einrichten auf der Gutmenschwiese eben nur um Junge handeln würde; nein, darüber stehen meist -- und natürlich auch mittendrin -- Dauerrevoluzzer, Berufsprotestierer, oft nach dem Motto auffallend "Je älter, desto dümmer!", also eine erkleckliche Anzahl von dem Typus, der vorgibt, alles besser zu wissen und bislang auch nicht nur einen geringsten Beitrag zum Beweis konstruktiver und eigenverantwortlicher Positionierung innerhalb der Gesellschaft erbracht zu haben. Kurz und bündig: viele Dauerversager.
Wenn nun schon die Jugend nicht verantwortlich gemacht werden kann -- für diese immer wieder behauptete Bodensatzbildung von Dekadenz, wer denn dann? Es -- das Dekadente -- ist ja offensichtlich vorhanden! Die Antwort ist ganz einfach. In allen Alterskohorten gibt es Dichter und Denker (davon wohl jeweils in geringer Prozentzahl), Mittelmäßige die brav und treu ihr ureigenes, zumeist fremdbestimmtes Leben ausfüllen, und -- jetzt kommt's! -- eine erkleckliche Anzahl von: Deppen. Nicht nur Letztere haben mit dem, was man unter besserer Kultur verstehen mag, wenig bis gar nichts im Sinn und auch nichts zu tun. Wer es nicht glauben mag, der braucht nicht einmal sein Haus zu verlassen, um die ungefilterte Wirklichkeit einzutauchen -- es genügt der Einschaltknopf des TV-Gerätes und irgendeine Senderwahl. Schnell wird man fündig. Viel Geduld muß man nicht aufwenden. Was der Johann Wolfgang da wohl sagen würde, wenn er all den dort fabrizierten Mist sehen würde? Vielleicht dieses: "Schlimmer kann's werden nimmer, doch was kann ich dafür: weg mit der Zwangsgebühr!" Und er würde, wieder einmal mehr, einen für sich besseren Weg finden, so wie viele andere Menschen, vor allem Jugendliche auch ...
Johann Wolfgang von Goethe und sein "Rauchlümmel"
Um es gleich einmal klar zu stellen: ich rauche nicht! Den letzten Klimmstengel hatte ich wohl in recht jungen Internatszeiten (vor allem auch weil es strengstens verboten und irgendwie auch "spannend" war, weil einige Lehrer ihre Freizeit unbedingt damit verbringen wollten, uns in der Gegend um das Internatsgebäude auf frischer Tat zu stellen). Die Ermittlungsquote jener pädagogischen Detektive war übrigens extrem niedrig, was zum einen an unseren stets aufgestellten "Wachen" und zum anderen an der mehr eingebildeten als tatsächlichen Raucher-Erschnüffelungs-Kompetenz jener Pauker gelegen hat. Die Strafen wären jedoch alles andere als harmlos gewesen: in aller Regel unverzügliche Entlassung aus Internat und Schule ...
Jedenfalls war für mich persönlich die Freude am Zigarettenrauchen bereits im Alter von fünfzehn Jahren vorbei -- und dabei blieb es dann auch, von ganz wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. Aber -- und das scheint mir an dieser Stelle erwähnenswert -- vielleicht hätte der Geheimrat von Goethe auch uns als jene "Rauchlümmel" gesehen, mit denen jeder Gedanke an eine vernünftig gestaltbare, gar von Kultur durchzogene Zukunft absurd gewesen wäre, zumindest aus dessen Sicht.
Eine weitere Klarstellung: ich rauche auch überhaupt nicht "passiv", vermeide also längst "Rauchlümmel" (oder wie immer man sie auch nennen mag ...). Ganz ehrlich: Mir geht jegliches Verständnis für derartiges zwanghaftes Verhalten ab (und Zwang scheint es doch bei den Allermeisten auch zu sein, nicht wahr?). Ich wohnte einmal kurze Zeit mit einem Raucher zusammen und ich erinnere mich, jetzt da ich dies niederschreibe, an das körperliche Ekelgefühl ihm gegenüber, das jener bei mir immer wieder auslöste. Kalter Rauch, warmer Rauch -- einfach nur eklig. Die Ausdunstung seiner Haut -- ähnlich dem Gestank in den alten D-Zug-Abteilen, als Rauchen im Zug noch erlaubt war ... Auch wenn er sprach: immer wieder mischte sich ein Nikotinschwall in den Raum. Bezeichnend auch: Jedesmal wenn er im Gespräch nicht weiter wußte, drehte er sich ein Zigarette, rauchte nicht selten in Situationen von Anspannung zwei, drei hintereinander. Es war wirklich so eine Art: Notgemeinschaft. Bereicherung, auch im Sinne unseres Herrn Geheimrats, war es wirklich nicht für mich, abgesehen von der Tatsache, günstig zu wohnen.
Komisch war dann allerdings: Ich kannte in etwas zu selbiger Zeit eine junge Frau, die rauchte auch -- und da störte mich das weniger. Genauer: Es fiel mir leichter, die Raucherei zu akzeptieren. Vor allem schaffte der Rauch es nicht, den Wunsch nach körperlicher oder gar räumlicher Ferne auszulösen. Trotzdem: So richtig froh war ich dann doch, als die Zeit anbrach, die fast überall "rauchlos" zu verbringen war. (Ein Paar ausgenommen; wenn man die besuchte, stank sogar die ganze Unterwäsche nach deren Zigarettenqualm, wohlgemerkt: ich saß dort nie nur in Unterwäsche -- der Gestank nestelte sich durch alle Maschen hindurch bis auf die Haut ...)
Nun weiß man natürlich auch noch über die Gefahren des Rauchens! Es gäbe also genügend Gründe, das sein zu lassen. Gesundheitliche, soziale und jegliche andere Form von Rücksichtnahme sprechen eigentlich gegen die Qualmerei -- aus meiner Sicht jedenfalls.
Dennoch hier mal einige Gedanken eines passionierten Rauchers -- vielleicht fördert es ja wenigstens ein bißchen Toleranz und erzeugt etwas Milde in mir -- freilich, ich wage es zu bezweifeln. Denn für mich gilt: Gestank bleibt Gestank!
Der Schriftsteller Friedrich Torberg kannte die negativen Folgen seines Rauch-Tuns überdeutlich (so wie beispielsweise Christina Peri Rossi und Tilman Spengler auch); weshalb er dennoch weiter rauchte, erläuterte er 1978 in seiner berühmt gewordenen "Silvester-Ansprache für eine ungesunden Lebenswandel."
In jener Ansprache verwies er darauf, daß er seit ungefähr fünfzig Jahren den Beruf des Schriftstellers ausübe und dies ununterbrochen seit Anbeginn rauchend. Er rauche Zigaretten, inhaliere jene "selbstverständlich", so daß Versuche, sie durch Zigarren oder Pfeifen zu ersetzen, mißlangen. Er arbeite überwiegend nachts, habe immer eine mit schwarzem Kaffee gefüllte Thermoskanne, die er bei Bedarf nachfülle. Er rauche, trinke schwarzen Kaffee, schlafe zu wenig, bewege sich nicht viel und sei auf diese Art und Weise siebzig Jahre alt geworden. Dann wörtlich: "Vielleicht wäre ich bei gesünderer Lebensführung heute schon 75 oder 80, aber das lässt sich schwer feststellen." Dagegen seien die Gesundheitsschäden, die er erlitten habe, "deutlich feststellbar". Er bezweifelt in der Ansprache nicht, daß seine Lebensführung und Gewohnheiten vom medizinischen Standpunkt als schlecht einzuordnen sind und es läge ihm fern, sein Verhalten als "mustergültig" hinstellen oder gar zur Nachahmung empfehlen zu wollen. Weiter wörtlich dann: "Sehe jeder, wie er's treibe. Aber lasse er sich sein Treiben nicht vom Arzt aufzwingen." Er selbst "wäge die eklatanten Vorzüge seiner Lebensgewohnheiten sorgfältig gegen ihre möglichen Nachteile ab, ehe er auch nur in Erwägung zieht, etwas ihm lieb gewonnenes aufzugeben." Er betont, für den Arzt sei es "geradezu kindisch leicht", ihm das Rauchen zu verbieten, für ihn aber wäre es "unendlich schwer" ein derartiges Gebot einzuhalten. Torberg meint weiter, brächte man es dennoch fertig -- jenen Weg zur Abstinenz zu gehen -- dann solle man sich "erst recht vor dem Trugschluss" hüten, als wäre einem nun ein "Allheilmittel verpasst" worden und nun sei alles gut. Denn auch -- so Torberg -- Nichtraucher müßten sterben. Er müsse aber "um leben zu können, schreiben, und um schreiben zu können (...) rauchen und schwarzen Kaffee trinken." Er könne nicht "vom Gesundleben allein" leben. Deshalb plädiere er "für die Anverwandlung der Unlust, die sich aus den nachteiligen Folgen bestimmter Gewohnheiten ergibt, an die Lust, diese Gewohnheiten als lebensnotwendig anzuerkennen und das Risiko ihrer Folgen auf sich zu nehmen."
Johann Wolfgang von Goethe hat sich in einer Abhandlung ausführlicher mit dem Rauchen auseinandergesetzt. Dabei hat er einige Thesen entwickelt, auf die ersten zwei gehe ich kurz ein.
1. These: Rauchen macht dumm ein Raucher könne nie ein Dichter oder ein Denker sein, weil ihn der Glimmstengel verdummt. Einen schlüssigen Beweis für diese These bleibt Goethe jedoch schuldig. Das muß er wohl auch, denn es gibt zahlreiche Beispiele von Dichtern und Denkern, die geraucht haben bzw. immer noch rauchen. Friedrich Torberg dürfte ebenfalls ein Beispiel für hervorragende Schaffenskraft als Dichter und Denker sein, den es in dieser Form laut Goethe überhaupt nicht geben dürfte ...
2. These: Rauchen ist nur etwas für Faulenzer, für Leute, die den ganzen Tag Langeweile haben und den Tag so schnell wie möglich hinter sich bringen wollen. Auch diese Aussage entbehrt jeglicher Beweiskraft. Torberg gilt auch hier wiederum als Gegenbeispiel, stellvertretend für viele andere. Ach Goethe, du warst schon ein Genie, aber halt nicht auf allen Wegen und Gebieten ...
Daß Goethe in jener Abhandlung über das Rauchen auch gegen ein ganzes Volk zu Felde zieht und sie diskriminiert (Türken), paßt in diese Reihe von Ungereimtheiten; merke: nicht alles vom Herrn Geheimrat kann in einem positiven Sinn hoch gewichtet werden. Und bei aller Leistung Goethes, bleibt anzumerken, daß er eben nicht nur bei Heinrich von Kleist etwas daneben lag ...
Menschen als Umweltverbrecher, auf jeden Fall auch fernab dessen, was sich 'homo sapiens' nennen dürfte ...
(hier: Morde an Luchsen im Bayerischen Wald)
Es klingt (für mich allerdings schon lange nicht mehr!) unglaublich, ist aber leider wahr: Mit Stand vom 22. Mai 2015 wurde bestätigt, daß bislang Unbekannte im Bayerischen Wald bis zu vier Luchse ermordet haben. (Ich wähle ganz bewußt diesen Begriff statt "getötet"!). So haben Tierschutzverbände am 21.05.2015 mitgeteilt, daß im Landkreis Cham vier abgeschnittene Vorderbeine von Luchsen gefunden wurden. Diese wurden in der Nähe von einer Photofalle abgelegt, wohl mit der Absicht, daß sie dort dann auch gefunden und als einschlägiges Signal verstanden werden: Manche wollen den Luchs dort eben nicht haben und unternehmen alles, um ihn auszurotten. Ein makaberer Hinweis für die Luchsforscher und Luchsfreunde! Wohl auch ein ebensolcher Hinweis für kranke(s) Gehirn(e) auf der Seite der Luchsmörder!
Luchse wurden dort wiederholt ermordet. So beispielsweise die Luchsin Tessa im Jahre 2012 (sie starb durch Vergiftung mit einem Insektizid) und ein Jahr später erschoß ein Unbekannter ein trächtiges Weibchen (3 werdende Luchse im Leib!) mit einem Schrotgewehr. Selbst die von Umweltschutzverbänden ausgesetzte Belohnung zur Ergreifung des / der Täter(s) in Höhe von 15000 Euro bzw. 10000 Euro führten nicht zur Täterermittlung. Kommentar der Umweltschützer (LBV) zum letzten Verbrechen: "Ein solch krimineller Akt ist bislang beispiellos und eine neue Eskalationsstufe der Luchsgegner in der Region."
Gefordert wird (von den Naturschutzverbänden) nun eine Umweltpolizei, die Straftaten wie die Tötung geschützter Tierarten aufklären soll. Täter früherer Verbrechen wurden bislang nicht gefunden, auch hüllt sich eine Wolke des Schweigens über Ermittlungsvorgänge. Die Tierschützer haben auch wegen des erneuten Luchsmordes Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft in Regensburg erstattet, auch die Polizei in Bad Kötzting ermittelt, wie es heißt legten die Umstände des Fundes an Christi Himmelfahrt (14.05.2015) "eindeutig eine Straftat nahe". Die Morde sind allesamt "abscheulich und brutal" (so auch erneut der Kommentar von Tierschützern), was ohnehin selbsterklärend ist. Der neue LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer: "Umweltkritik ist kein Kavaliersdelikt. Wir erneuern angesichts dieses eklatanten Falls unsere Forderungen, dass solche Straftaten systematisch erfasst, aufgeklärt und angemessen geahndet werden müssen." Diese oder ähnliche Appelle gibt es natürlich schon seit längerer Zeit, gefruchtet haben sie aber alle offensichtlich bislang nichts. Und es dürfte auch keine besondere Erkennntnis sein, wenn gesagt wird, die Tat stehe möglicherweise in einem Zusammenhang mit dem Einsatz des LBV für ein Luchsschutzgebiet am Kaltersberg östlich von Bad Kötzting (dort wurde eine 37 Hektar große Fläche als Schutzzone für Luchse ausgewiesen!).
Warum auch hier schon wieder die Relativierung durch "möglicherweise"? Wenn etwas offensichtlich ist, dann sollte man auch diejenigen, die gesetzliche Voraussetzungen schaffen, unmißverständlich einbinden, ebenfalls jene, die für Verwaltungshandeln zuständig sind. Und wenn hier Versäumnisse aufzuzeigen sind -- und den Anschein hat es zumindest, ansonsten bedürfte es nicht der Betonung "wir erneuern ... unsere Forderungen" -- darf man das ruhig einmal in wirksamer Deutlichkeit forumulieren!
Luchse gehören zur Gattung der Katzen (Großkatzen), sind mittelgroß und hochbeinige Jäger (z.B. Rehe als Beute); sie sind in aller Regel Einzelgänger(innen) und dämmerungsaktive Tiere. Die Großkatze wurde vom Menschen jahrhundertelang gnadenlos verfolgt. Vor allem wurden Luchse getötet, weil man sie für den Menschen als gefährlich erachtete, obgleich es keinen einzigen belegten Fall eines Luchsangriffes auf Menschen gibt! Im 19. Jahrhundert wurde durch intensive Jagd(!!!) der Rehbestand im Bayerischen Wald stark dezimiert, das Rotwild sogar gänzlich ausgerottet. Bedingt durch die dadurch entstandene Nahrungsknappheit, fing der Luchs an Nutztiere zu reißen, wurde dadurch zum Nahrungskonkurrenten des Menschen mit der sich daraus ergebenden menschlichen (Jagd-)Hybris. 1846 wurde bei Zwiesel der letzte noch lebende Luchs getötet, 1897 widerfuhr dies dem letzten Luchs in den bayerischen Alpen.
Was die Beute des Luchses angeht, konnten Wissenschaftler übrigens zeigen, daß vor allem Männchen sich bei ihrem Jagdverhalten regelreicht auf Rotwild spezialisieren, daß jedoch in den wärmeren Monaten auch Kleinsäuger wie Eichhörnchen, Mäuse oder Siebenschläfer auf dem Speiseplan stehen.
Überleben konnte der Luchs in Skandinavien und Osteuropa. Seit den 1970er-Jahren wurde er auch in Mitteleuropa wieder eingebürgert. Im Schweizer Jura und in den Schweizer Nordwestalpen wurden Luchspaare eingesetzt, was zu größeren Populationen in der Schweiz und in Frankreich führte. Im tschechischen Böhmerwald wurden 17 Tiere ausgesetzt, was zu einer erfolgreichen neuen Luchspopulation führte. Einige jener Tiere fanden auch ihren Weg nach Bayern. Da Luchse sehr lange Wege zurücklegen, dabei Revierwechsel vornehmen, lassen Luchsspuren (z.B. auch im Nürnberger Reichswald und im Altmühltal) nicht unbedingt auf eine richtige Ansiedelung schließen. Jedenfalls eines steht fest: Anderthalb Jahrhunderte nach seiner Ausrottung sind einige wenige Luchse wieder bei uns, was allerdings gewissen Kreisen offensichtlich nicht zu gefallen scheint ... Dies wird auch teilweise recht deutlich zum Ausdruck gebracht.
Im Landkreis Cham läuft gegenwärtig ein grenzüberschreitendes Monitoring, um mehr über diese scheuen Wildbewohner zu erfahren. Seit der Grenzöffnung Ende der 1990er Jahre leben auch wieder ein paar dieser schönen Tiere in Bayern, geschätzt wird der Bestand auf 15 bis 20 Luchse. Um den Luchs kümmert sich vor allem auch die Trägergemeinschaft "Ausgleichsfonds Große Beutegreifer in Bayern"; in der Trägergemeinschaft sind u.a vertreten: WWF Deutschland, Wildland Stiftung Bayern und der BUND Naturschutz..
Vier Jahre hat man im Nationalpark Bayerischer Wald über den Luchs geforscht, das Projekt ist allerdings mittlerweile beendet worden (am 22. Mai 2015). Dabei ergaben sich neben neuen Erkenntnissen auch Rätsel: fast alle Jungtiere verschwinden spurlos ... Laut Forschungsleiter Marco Heurich würden zwar jedes Jahr bis zu zehn Jungtiere geboren, einige stürben bei Autounfällen, einige wohl auch durch illegale Abschüsse ("besonders auf tschechischer Seite"). Dies führt faktisch dazu, daß sich der Luchs derzeit in der Region nicht weiter ausbreitet.
Wie kann man Erkenntnisse über dieses scheue Tier gewinnen? Mittels Fotofallen (u.a. Bewegungsmelder mit Wärmesensor) kann man die Anzahl der Einzeltiere gut feststellen, denn die Fellzeichnung der Luchse ist sehr individuell, so daß man die Tiere gut unterscheiden kann. Auch werden Luchse mittels Peilsender geortet; man legt einigen Tieren Senderhalsbänder um und mittels GPS und Telemetrie werden Aufenthalte und Streifzüge der Tiere aufgezeichnet. So läßt sich genau feststellen, wann und wo sich das jeweilige Tier aufgehalten hat. Dabei fand man auch heraus, daß Luchse sich immer eine Mittagspause gönnen, dies unabhängig davon, wo in der Welt sie sich aufhalten. Es wird vermutet, daß sich dies aus dem Rhythmus der Beutetiere des Luchses so ergibt. Luchsmännchen sind deutlich aktiver als ihre Weibchen (Männchen haben im Schnitt dreimal größere Streifgebiete als Weibchen, im Bayerischen Wald 430 qkm gegenüber 122 qkm bei den Lüchsinnen), letztere kümmern sich neben der Jagd ja auch um die Jungen.
Welche Rolle spielt nun die Jägerschaft beim Umgang mit dem Luchs? Der Bayerische Jagdverband unterstützt das Luchsprojekt im Nationalpark Bayerischer Wald seit 2008, dies auch finanziell. Jäger, die ein ganzjährig geschontes Wild wie beispielswiese den Luchs töten, droht der Jagdscheinentzug, Geld- oder sogar Freiheitsstrafe. Wie überall, dürfte es allerdings auch unter den Jägern sogenannte schwarze Schafe geben. Gefährdet ist der Luchs natürlich auch durch den Straßenverkehr ( vor allem bei den nächtlichen Wanderungen!). Auch die Jungensterblichkeit ist bei Luchsen sehr hoch. Warum nimmt der Bestand trotz eigentlich gegebener Voraussetungen nicht zu?
Hier vermutet man: Der Bestand ist sicherlich auch durch Wilderei bedroht! Die Forschungsergebnissen (erfaßt wurden auch 530 Gemeinden rund um die Nationalparks) zeigen nämlich auf, daß Siedlungen und Straßenverkehr die nachtaktiven Tiere nicht signifikant stören, auch sei das Nahrungsangebot "mehr als ausreichend". Das Territorium biete den Raubkatzen ideale Lebensbedingungen. Schlußfolgerung, so Jörg Müller, sei: Illegale Abschüsse dezimieren den Bestand.
Inwieweit und ob diese Erkenntnisse dem Luchs als Wildtier des Jahres 2011 (so wurde der Luchs von der Schutzgemeinschaft "Deutsches Wild" gekürt) in Zukunft tatsächlich helfen, bleibt abzuwarten. Zu bekämpfen gilt es nicht den Luchs, sondern die Feinde des Luchses jedweden Couleurs, seien die Motive Tötungslust, Profitgier, Selbstdarstellungsinszenierungen, unbegründbare Furcht, tiefverwurzelte Ängste o.ä.!
Was ist der Gesellschaft wichtiger -- Schutz der Natur, der Fauna und Flora oder ein Pop-Konzert?
Weil Ed Sheeran in Essen ein Open-Air-Konzert geben möchte, sollen auf dem Areal brütende Feldlerchen weichen.
Die Feldlerche ist mittlerweile ein seltener Vogel, steht unter Artenschutz und sie steht auf der Vorwarnliste der Roten Liste gefährdeter Vögel in Deutschland. Seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts ist ein dramatischer Bestandsrückgang des Vogels von 50 bis 90 Prozent (je nach Region) zu verzeichnen. Ursachen für den Rückgang der Feldlerche sind unter anderem die intensivierte Landwirtschaft, Versiegelung der Landschaft, gesteigerter Einsetz von für die Umwelt schädlichen Chemikalien, aber auch teilweise direkte Bejagung (z.B. in Südwestfrankreich!).
Hilfsmaßnahmen für (nicht nur) Feldlerchen könnte die Erweiterung des ökologischen Anbaus unter Berücksichtigung des Naturschutzes sein, es müßte wieder verstärkt auf Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft verzichtet werden, vor allem könnten auch "ökologische Ausgleichsflächen" (die diesen Namen auch verdienen!!! Tatsache ist, daß es mit den sogenannten Ausgleichsflächen nicht besonders gut bestellt ist ...) zur Regeneration von Feldlerchen (und anderen Bodenbrütern) beitragen. Extensiv genutzte Weideflächen und Äcker, Brachflächen, Heidegebiete müßten unbedingt erhalten werden, und nicht -- wie derzeit üblich -- weiter reduziert werden! Ebenso sollten Aufforstungen von nährstoffarmen Flächen und die leidige städtbauliche Zersiedelung weitestgehend eingestellt werden!
Man hört immer wieder -- vor allem auch seitens Politik -- über die Bedeutung von Nachhaltigkeit, von der unabdinglichen Notwendigkeit der Erhaltung der Natur, von der Achtung gegenüber Flora und Fauna. Leider folgen diesen Wortschwadronierereien nicht die unbedingt notwendigen Taten und Verhaltensweisen. Es wird viel geredet und viel zu wenig getan, ganz im Gegenteil: die Natur bliebt immer weiter auf der Strecke.
Völlig unverständlich ist es vor diesem Hintergrund, daß nun in Essen am 22. Juli 2018 auf dem Flughafen Essen-Mühlheim ein Popkonzert des englischen Sängers Ed Sheeran stattfinden soll. Das Konzert ist bereits (ich schreibe dies am 5. März 2018) ausverkauft. Die Stadt Essen hat das Konzert genehmigt und zugleich in diesem Zusammenhang -- man höre und staune ... -- ein "Artenschutzkonzept" vorgelegt: die im Gras brütende Feldlerche soll bis zum Sommer ihre Nistplätze auf dem Flugplatz vorübergehend räumen; unter Aufsicht der zuständigen Umweltbehörden der Stadt Essen sollen Ausgleichsflächen in der Nähe des gegenwärtigen Brutgebietes angelegt werden. Man möchte neu angelegte Gras- und Blütenflächen schaffen, diese als vorübergehenden und neuen Rückzugsraum für die Feldlerchen. Die Anzahl der brütenden Paare wird auf acht bis neun geschätzt. Die Kosten für die "Umsiedelungsmaßnahmen" soll der Veranstalter des Konzerts tragen.
Wie naiv ist das denn? Glaubt man wirklich, so ein Vogel, der sich ganz gezielt seine Brutstätten aussucht, läßt sich umquartieren wie ein Vermieter, dem die Wohnung gekündigt wurde?!? Brutstättenwahl ist für Vögel keine kurzfristiges Unterfangen! Eine derartige Umsiedelung kann und wird nicht funktionieren, zumal bei Vögel bereits mit dem Nestbau die Brutphase beginnt. Vertreibt man sie mit Gewalt (durch Vergrämung etc.) werden sie das Brutgeschäft zwangsläufig aufgeben. Und wenn ein Paar brütet, wird es wohl kaum in dieser Phase sich umsehen, ob es nicht in relativ naher Entfernung noch einen anderen Brutplatz geben könnte. Die einmal getroffene Wahl ist für Vögel sinnstiftend. Wer hier von Umzug redet, der oder die zeigt nur eines: Ahnungslosigkeit hinsichtlich Lebensgestaltung der Feldlerche (und anderer Vögel)!
Es wäre einfacher für das Konzert einen neuen Standort zu suchen und zu finden. Gerade das Ruhrgebiet bietet hier zahlreiche Möglichkeiten! Aber nein: wichtiger scheint es erhebliche Eingriffe in die Natur vorzunehmen, dies dann noch für ein kurzzeitiges "Event", als eine Verantwortung für die Natur endlich einmal sinnvoll und auch zielführend einzulösen! Kommerz und Ökonomie haben in dieser kurzsichtigen Denke offensichtlich absolute Priorität ... 80.000 Besucher werden erwartet, der Rubel rollt, allem anderen die Sintflut! Geld, Geld, Geld, ist es das, was Lebensqualität ausmacht? Nochmals: da sollte man sich dann auch ehrlich machen, bekennen, worum es einem ausschließlich geht und nicht so tun, als könne man die Situation der dort brütenden Feldlerche so mir nichts dir nichts kurz mal durch (undurchdachte) Maßnahmen problemlos ändern und lösen.
Vor allem der NABU protestiert gegen das Konzert, gegen die faktische Vertreibung der Feldlerche! Dies aus gutem Grund, vor allem mit zielführender Begründung. Die Umsiedelung kann und wird auf die seitens Essen vorgestellte Art nicht funktionieren! Daß dies so nicht geht, zeigen zahlreiche andere Beispiele, wo wohl aus der Begrenztheit menschlicher Sicht- und Denkweise derartige "Umzugsgedanken" versucht wurden, umzusetzen.
Die einzige sinnvolle und richtige Lösung wäre: das Konzert muß umziehen! Ed Sheeran (höchstwahrscheinlich jedoch: der Veranstalter!!!) muß sich einen Platz suchen, wo keinerlei Natur beeinträchtigt wird! Die Feldlerche muß dort bleiben dürfen! Wie weltfremd klingt es denn, wenn es heißt, "die im Gras brütende Feldlerche (soll) bis zum Sommer ihre Nistplätze auf dem Flughafen Essen/Mülheim vorübergehend räumen"?! Deutlicher kann man seine Ahnungslosigkeit hinsichtlich Vogelbrut wohl kaum dokumentieren. Es mutet in diesem Zusammenhang durchaus merkwürdig an, wenn seitens Stadt betont wird, mit dem "vom Veranstalter vorgelegten (sic!) Artenschutzkonzept habe die geplante Großveranstaltung jedoch nur die erste Hürde genommen (hier nochmals: sic!), denn es müßten noch ein Verkehrs- und Sicherheitskonzept genehmigt werden ...
Weiß Ed Sheeran selbst überhaupt, was dort geschehen soll? Ich hege da meine Zweifel. Er dürfte hier überwiegend sein Geschick vollständig in die Hände des Veranstalters gelegt haben. Warum ich so vermute? Einmal dürften die allermeisten Popstars sich wohl kaum die Zeit nehmen resp. nehmem können, sich um Einzelheiten der Gegebenheit an Veranstaltungsorten zu kümmern. Zudem ist Ed Sheeran alles andere als ein Mainstream-Mensch, schon gar keiner mit einer Nach-mir-die-Sintflut-Mentalität. Davon zeugen nicht nur seine zumeist sehr feinsinnigen und gefühlvolle Texte, sondern auch zahlreiche Äußerungen in Interviews. So sieht er sich als Familienmensch, der seine Karriere angeblich sofort beenden wird, wenn er Kinder hat, also "dass er tatsächlich darüber nachdenke, aus dem Musik-Business auszusteigen, wenn dann mal Babys da sind!" (Quelle: italienische Vanity Fair, zit. nach web.de vom 5. April 2017) ; insofern dürfte ihm ihm die Zukunft der Umwelt allein schon deshalb nicht so gänzlich gleichgültig sein. Auch habe er sich von Social Medias weitestgehend zurück gezogen (2016), ebenso lehne er die Nutzung von Smartphones so weit wie möglich ab, weil sie kommunikationsstörend seien (er zeigte bei dieser Aussage im Rahmen einer Party, wo über 50% der Anwesenden sich mit den Smartphones beschäftigten, statt sich normal miteinander zu unterhalten, auf die dort anwesenden Leute und meinte, hier sehe man ja die Gründe, weshalb er kein "telephone" mit sich führe ...) -- vgl. hierzu: bbc, Ed Sheeran interview, 12 random questions. Klingt ja alles angenehm normal, nicht exaltiert, auch nicht überspannt, wie man es leider bei allzu vielen größeren und kleineren Lichtern im Popgeschäft erleben kann ... Auch soll Ed Sheeran an der Unterstützung der UN und deren Klimazielsetzung sich neben Beyonce, Coldplay, Pearl Jam, etc. u.a. in einem Konzert im New Yorker Central Park engagiert haben; damals ging es um die Unterstützung der Nachhaltigkeitsziele, unter anderem auch um eine klimaschonende Entwicklungspolitik. (Es sei in diesem Zusammenhang an den "Love Song to the Earth", aufgenommen von diversen Künstlern, u.a. Paul Mc Cartney, Jon Bon Jovi, Sheryl Crow, erinnert.)
Vielleicht sollten sich Künstler trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten doch ein wenig mehr Gedanken darüber machen, welchen Einfluß ihr Wirken auf jeweils geplante Veranstaltungsorte haben könnte. Ich weiß: hier verlange ich vielleicht (zu) viel, denn allein die Beschaffung notwendiger Information für eine fundierte Entscheidungsfindung dürfte nicht nur zeitlich gesehen eine sehr große Herausforderung sein, höchstwahrscheinlich sogar deren primäre Aktivitäten einschränken. Allerdings: machbar ist es sicherlich. Um ein Beispiel zu nennen: dem leider viel zu früh in einem Autounfall verstorbenen Harry Chapin wäre das nicht passiert, ihm ist nie verborgen geblieben, welche Umstände an Auftrittsorten zu berücksichtigen sind. Aber da dürfte er eben -- leider -- die berühmte Ausnahme sein ... Nur: er hat gezeigt, möglich ist es, sich Gedanken über das bloße Auftreten hinaus zu machen!
Und je größer der Bekanntheitsgrad, je einflußreicher ein Künstler, desto leichter dürfte es auch sein, im Vorfeld entsprechende Forderungen an die jeweiligen Veranstalter zu erheben ...
Nun doch noch die Wende? Aus news.de, sich berufend auf "Express" und "RP Online" erfährt man Anfang März 2018, daß "offenbar wegen einer drohenden Klage des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) ein für den 22. Juli am Flughaben Essen/Mühlheim geplantes Konzert des britischen Megastars Ed Sheeran (27, 'Shape of You') wohl nach Düsseldorf" verlegt werde. Eine offizielle Bestätigung stehe hierfür jedoch noch aus. Ebenfalls stehe die Genehmigung noch aus. Laut "RP Online" sollen die Vorbereitungen hierfür jedoch bereits laufen; ein neues Open-Air-Gelände solle in Düsseldorf eingeweiht werden. So "müssten auf dem Areal 100 Bäume gefällt werden, anderen Ortes sollen aber bis zu 300 Bäume neu angepflanzt werden.
Vielleicht spielt neben dem drohenden Klageweg durch den Nabu aber auch eine Rolle, daß man auf dem Flugplatzareal Reste bei der Untersuchung Fliegerbomben entdeckt hat, somit eine Gefährdung der Besucher gegeben wäre? (Die Lerchenpaare sozusagen als Sicherheitsgarant für möglicherweise gefährdete Besucher?!) Denn WAZ Online meldet am 02.03. 2017: "Neuer Wirbel um Ed-Sheeran-Konzert im Juli am Flughafen Essen-Mülheim: Hinweise verdichten sich auf einen Umzug des Konzerts nach Düsseldorf. Das Problem der geschützten Brutvögel war weitgehend vom Tisch, nun könnten vermutete Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg das geplante Popkonzert des britischen Sängers Ed Sheeran auf dem Flughafen Essen-Mülheim zu Fall bringen." Im Boden des Flughafengebietes sollen angeblich bis zu 200 britische Fliegerbomben liegen, es haben sich bei Überprüfungen "103 Verdachtsmomente" ergeben, über "die Zahl der tatsächlich vorhandenen Blindgänger" sei damit aber noch nichts ausgesagt, so die zuständige Bezirksregierung. Man befürchte, daß bei den notwendigen Probebohrungen zur Feststellung der Bodenbelastungsfähigkeit für schwere Tribünen "die Bomben aktiviert würden" könnten.
Nicht die berechtigten Belange der Lerchen, sondern die Furcht vor Rechtshändel und Bombengefahr haben offensichtlich die Behörden zur Meingungsänderung veranlaßt. Aktiver Umweltschutz schaut jedenfalls anders aus! Und was soll es dann schon, wenn für ein Konzert dann anderswo 100 Bäume gefällt werden! Haben diejenigen, welche so etwas entscheiden überhaupt eine Gefühl dafür, wie lange es braucht, bis ein Baum stattlich gewachsen ist. Kann man das lapidar mit dem Hinweis, als Ausgleich für die Beseitigung alten Baumbestandes würden ja andernorts "bis zu 300 Bäume" neu angepflanzt, wegwischen. Natürlich: Düsseldorf hat mit der Beseitigung von Bäumen erst in letzter Zeit wieder Erfahrung sammeln können. Muß denn wirklich für ein so kurz andauerndes Ereignis wie es ein Popkonzert nun einmal ist, überhaupt ein Eingriff in die Natur, die für Langlebigkeit und Längerfristigkeit stehen sollte, vorgenommen werden?!
Dabei gebe es eine ganz einfache und Ressourcen schonende Lösung: Ab mit der Musik in irgendein Großstadion -- davon gibt es auch im Ruhrpott ein paar geeignete!
Freude für die Lerchen: Mit Meldung vom 5. März 2018 wurde bestätigt, daß das Konzert von Ed Sheeran nach Düsseldorf verlegt wurde. Die Eintrittskarten von Essen behalten ihre Gültigkeit. Die Lerchen und Naturfreunde wird es freuen. Ed Sheeran vielleicht ja auch.
Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen eiliger an ihr vorbei.
George Orwell
Es ist nicht wenig Zeit, die wir zur Verfügung haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.
Lucius Annaeus Seneca
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